Neue Bildungsministerin im Porträt:Johanna Wanka - von Merseburg nach Berlin

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Niedersachsens Wissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU) am 16. August 2011 in Hannover bei einer Pressekonferenz. (Foto: dpa)

Ihr politisches Engagement begann in der Bürgerrechtsbewegung der DDR, 2010 wurde sie die erste ostdeutsche Ministerin in einem westdeutschen Landeskabinett. Nun soll Johanna Wanka neue Bundesbildungsministerin werden. Für Zündstoff dürfte ihre Einstellung zu Studiengebühren sorgen.

Nun sind alle Augen auf sie gerichtet: Die CDU-Politikerin Johanna Wanka wurde am Samstag von Bundeskanzlerin Angela Merkel als Nachfolgerin für Bundesbildungsministerin Annette Schavan nominiert. Die 61-Jährige dürfte vielen Bundesbürgern noch unbekannt sein, kann aber jahrelange Erfahrung als Wissenschaftsministerin in zwei Bundesländern vorweisen. Sie gilt als konservativ und pragmatisch.

Wanka wurde am 1. April 1951 im sächsischen Rosenfeld geboren. Sie ist studierte Mathematikerin, ihre Dissertation mit dem Titel "Lösungen von Kontakt- und Steuerproblemen mit potenzialtheoretischen Mitteln" reichte sie 1980 ein - im selben Jahr wie Annette Schavan.

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Ihre Karriere begann Wanka 1974 als wissenschaftliche Assistentin an der Technischen Hochschule Merseburg in Sachsen-Anhalt. 1993 wurde sie dort Professorin im Fachbereich Ingenieurmathematik, Informatik und Angewandte Naturwissenschaften. 1994 erfolgte ihre erstmalige Wahl zur Rektorin der Hochschule Merseburg.

Wankas politisches Engagement begann in der Bürgerrechtsbewegung der damaligen DDR. Sie war im September 1989 Gründungsmitglied im "Neuen Forum" (NF) in Merseburg, für das sie nach der Wende von 1990 bis 1994 im Kreistag saß. Sie arbeitete in verschiedenen Hochschulgremien und Strukturkommissionen in Ostdeutschland mit. Zwei Mal war sie während der neunziger Jahre als künftige Ministerin im Gespräch: 1994 zeigte die Landesregierung in Brandenburg Interesse; 1998 gehörte sie in Sachsen-Anhalt dem Schattenkabinett des CDU-Kandidaten Christoph Bergmann für das geplante Ressort Bildung, Wissenschaft und Innovation an.

Ministerin wurde sie jedoch erst später: Als im Oktober 2000 Brandenburgs Kulturminister Wolfgang Hackel (CDU) zurücktrat, berief Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) Wanka als dessen Nachfolgerin. Daraufhin leitete sie bis 2009 in Brandenburg während der SPD/CDU-Koalition das Hochschulressort.

Anfang 2006 machte sie mit einer recht offenen Äußerung zur umstrittenen Rechtschreibreform im Magazin Spiegel auf sich aufmerksam: "Die Kultusminister wissen längst, dass die Rechtschreibreform falsch war", wurde sie damals zitiert. Nur "aus Gründen der Staatsräson" sei die Reform nicht zurückgenommen worden.

Im März 2001 trat die ursprünglich parteilose, aber der CDU nahestehende Wanka den Christdemokraten bei. Im Oktober 2008 wurde sie mit großer Mehrheit zur kommissarischen Landesvorsitzenden bestellt. Kurz darauf wurde sie zudem als Stellvertretende Ministerpräsidentin von Brandenburg vereidigt.

Sie stehe für eine "konservative, bürgerliche, aber auch für eine moderne CDU", sagte Wanka im brandenburgischen Wahlkampf 2009, und warb damals für neue Wege in der Sozial-, Familien- und Bildungspolitik.

Nach der Landtagswahl 2009 wurde Wanka Fraktionschefin der unterlegenen CDU und damit Oppositionsführerin. Die Bildung der rot-roten Koalition in Potsdam wertete Wanka damals als "Verrat" an der friedlichen Revolution von 1989.

Wenige Monate darauf, im April 2010 verließ Wanka nicht ganz unerwartet Brandenburg und wechselte als Nachfolgerin des Ministers für Wissenschaft und Kultur, Lutz Stratmann (CDU), nach Niedersachsen in das Kabinett des damaligen Ministerpräsidenten Christian Wulff. Wanka wurde damit die erste ostdeutsche Ministerin in einem westdeutschen Kabinett.

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Wanka hat einen Ruf als pragmatische, unideologische Politikerin. Besondere Akzente setzte sie in ihren beiden Jahren in Hannover aber nicht mehr. Ausdrücklich machte sie sich in Niedersachsen aber für eine Öffnung der Hochschulen für "bildungsferne Schichten und Migranten" stark. Deshalb sollte auch über einen Hochschulzugang für Studenten ohne Abitur nachgedacht werden - eine Position, die in der CDU umstritten ist. Im Zentrum der parteipolitischen Debatten stand Wanka in den vergangenen Monaten vor allem deshalb, weil sie bis zuletzt zusammen mit David McAllister an den Studiengebühren in Niedersachsen festhielt.

Vor diesem Hintergrund lassen auch Äußerungen von Wanka aus dem Juli 2012 aufhorchen. Damals sagte sie, sie gehe davon aus, dass es binnen fünf Jahren wieder in allen 16 Bundesländern Studiengebühren geben werde - "nicht zuletzt wegen der Notwendigkeit ausgeglichener und schuldenfreier Haushalte". Die kategorische Ablehnung der Gebühr von SPD, Grünen und Linken sei "rein ideologisch".

Wanka ist zur Zeit Bildungskoordinatorin der unionsgeführten Bundesländer in der Kultusministerkonferenz (KMK). Nach der Abwahl der schwarz-gelben Regierung in Hannover im Januar hat Wanka nun schneller als erwartet eine neue Aufgabe gefunden. Die Gerüchte der vergangenen Tage haben sich bestätigt: Am 14. Februar soll die 61-Jährige nun Annette Schavan als Bundesministerin nachfolgen.

Auffallend wirken dabei die Parallelen in den Lebensläufen von Wanka und der Bundeskanzlerin: Merkel ist Physikerin, Wanka Mathematikerin. Beide sind mit Hochschuldozenten verheiratet, im Fall der designierten Wissenschaftsministerin handelt es sich um einen Mathematik-Professor. Wanka ist zudem typisch für eine Gruppe ostdeutscher Politiker, die in der DDR wegen ihrer naturwissenschaftlichen Betätigung politisch unbelastet blieben und nach der Wende politische Karriere machten.

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