Raserprozess in Ingolstadt:"Es tut mir unendlich leid"

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Der Angeklagter (links) soll mit gut 230 Stundenkilometern einen vorausfahrenden Wagen gerammt und dabei dessen Fahrer getötet haben. (Foto: dpa)

Mit 230 Km/h soll ein junger Mann auf der Autobahn einen anderen Wagen gerammt haben. Ein 22-Jähriger starb. Nun muss das Gericht entscheiden: War es Totschlag?

Als hinter ihm ein anderer Autofahrer mit einem enormen Tempo kam, hatte der 22-Jährige keine Überlebenschanchance mehr. Mit mehr als 230 Stundenkilometern soll der Raser auf der Autobahn 9 den Wagen des vorausfahrenden Fahrers auf der Überholspur gerammt haben - der Mann am Steuer war sofort tot. Sein Fahrzeugwrack wurde noch etwa 100 Meter eine Lärmschutzwand entlanggeschleudert

.Wenn er könnte, würde er sein Leben für das des Opfers geben, sagte der Unfallverursacher am Mittwoch zu Beginn des Prozesses vor dem Landgericht Ingolstadt. Der deutsche Staatsangehörige ist wegen Totschlags und wegen eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens angeklagt. Ihm droht eine langjährige Haftstrafe. Etwa ein Jahr saß der Mann bereits in Untersuchungshaft, derzeit ist der Haftbefehl ausgesetzt.

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"Es tut mir unendlich leid, dass es zum Unfall gekommen ist", sagte der 23 Jahre alte Angeklagte. Das Geschehen beschäftige ihn auch nach fast eineinhalb Jahren noch jeden Tag, betonte der Fertigungsmechaniker eines Automobilkonzerns. Laut der Anklage hatte er am 20. Oktober 2019 bei Ingolstadt spät abends mit seinem Sportwagen auf der Überholspur das Auto des 22-Jährigen nach einer kurzen Vollbremsung mit mindestens 232 Stundenkilometern gerammt. An dieser Stelle der Fernstraße war zu diesem Zeitpunkt eine maximale Geschwindigkeit von 100 km/h erlaubt.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Angeklagte absichtlich das Tempolimit überschritten hat mit dem Ziel, möglichst schnell fahren zu können. "Hierbei nahm der Angeschuldigte den Tod anderer Verkehrsteilnehmer durch sein Handeln aus Gleichgültigkeit zumindest billigend in Kauf", sagte die Staatsanwältin. Sein Fahrzeug hatte der 23-Jährige nach den Ermittlungen auf ein Geschoss mit 560 PS getunt. Der Bolide hätte so bis zu 350 Stundenkilometer schnell fahren können. Doch die beiden Verteidiger des 23-Jährigen wollen das Bild widerlegen, wonach ihr Mandant ein gewissenloser Raser sei.

"Er ist kein fanatischer Autofahrer", sagte Rechtsanwalt Andreas Ruch. "Er wollte diesen Unfall nicht." Der Verteidiger betonte, dass das Tempolimit an den Ort des Zusammenstoßes nicht aus Gründen der Verkehrssicherheit gegolten habe. Es gehe um eine Beschränkung aus Lärmschutzgründen während der Nacht. Die Strecke selbst sei übersichtlich.

Der Angeklagte erklärte, der Autofahrer vor ihm sei ohne zu Blinken auf die linke Spur gewechselt. "Ich bin sofort mit beiden Füßen auf die Bremse getreten." Doch nach zwei Sekunden sei es zum Aufprall gekommen. Die Strafkammer hat noch neun weitere Verhandlungstage geplant, um das Geschehen aufzuklären. Das Urteil könnte dann Ende März fallen.

Seite einigen Jahren werden solche Unfälle von der Justiz mitunter härter geahndet, nachdem sich früher Raser oft nur wegen fahrlässiger Tötung verantworten mussten. Der Gesetzgeber hat zudem vor etwa drei Jahren illegale Autorennen zu einem Tatbestand im Strafgesetzbuch gemacht.

Dieser Paragraf 315d spielt auch in dem Ingolstädter Fall eine Rolle, denn nicht nur Geschwindigkeitswettbewerbe mehrerer Fahrer auf öffentlichen Straßen sind im juristischen Sinn ein verbotenes Rennen. Da in diesem Fall sogar ein Mensch zu Tode kam, droht dem 23-Jährigen allein wegen neuen Raserparagrafen eine bis zu zehnjährige Haftstrafe. Hinzu kommt der Totschlagsvorwurf

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