Unternehmerinnen:"Es ist unglaublich, wie sehr mich diese Treffen jedes Mal weiterbringen"

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Veronika Räß (Mitte) und Laura Berg (Dritte von rechts) sind Teil des Regensburger Frauenkollektivs Localgirlboss. (Foto: Petra Homeier)

Im Regensburger Kollektiv "Localgirlboss" beraten sich Frauen gegenseitig. Nicht weil sie gegen Männer wären, sondern weil sie sich andere Fragen stellen. Weitere Städte melden Interesse an.

Von Jacqueline Lang, Regensburg

Zum Ponyhof geht es nach links, zur Keksfee nach rechts. So steht es auf den Schildern vor Laura Bergs Laden unweit des Regensburger Neupfarrplatzes. Keksfee Laura Berg hat blonde Haare und blaue Augen. Wenn sie lacht, bilden sich kleine Grübchen in ihren Wangen, die Augen verengen sich. Berg lacht viel.

In ihrem Laden stapeln sich Boxen mit Plätzchen in Buchstabenform, je eine Box für alle 26 Buchstaben des Alphabets. Wer mag, kann sich aber auch seinen persönlichen Keks von Berg gestalten lassen. Nachdem sie die Kekse gebacken und verziert hat, verpackt sie jeden einzelnen in Zellophan und schnürt die Päckchen mit einem Schleifchen zu.

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Es ist ein Samstag, Berg sperrt wie gewohnt um 15 Uhr zu. Die Öffnungszeiten bestimmt Berg selbst, als Alleinunternehmerin ist sie ihre eigene Chefin. Das bedeutet aber auch, dass nach der Arbeit häufig vor der Arbeit ist. So auch an diesem Tag. Veronika Räß holt Berg im Laden ab. In Bergs Wohnung haben sie noch eine Coachingsession geplant. Für die beiden selbständigen Frauen ist es ganz normal, dass die Übergänge zwischen Beruf und Privatleben häufig fließend sind.

Kennengelernt haben sich Berg, 31, und Räß, 33, über das Frauenkollektiv "Localgirlboss", das es seit 2017 gibt. Berg ist eine der Gründerinnen, Räß ist ein bisschen später dazugestoßen.15 Mitglieder hat das Kollektiv mittlerweile, die Eintragung als Verein ist momentan im Gange.

Die Localgirlbosse sind alle selbständig, manche in Teil-, die meisten in Vollzeit; sie sind zwischen 20 und 50 Jahre alt. Sie seien keine "Emanzen", sagen sie. Unter sich wollen sie trotzdem bleiben. Nicht weil sie gegen Männer seien, aber Frauen würden sich einfach andere Fragen stellen: Wie viel Elterngeld bekomme ich als Selbständige? Wie schaffe ich es, als Frau von männlichen Kunden ernst genommen zu werden? Außerdem, sagt Berg, entspreche ein Frauenkollektiv einfach voll dem Zeitgeist.

Mit der Vereinsgründung wollen sie das Kollektiv für noch mehr Frauen öffnen. "Eine Warteliste gibt es bereits", sagt Berg. Sogar Anfragen aus anderen Städten wie Cham, Straubing und Passau hätten sie schon bekommen. Dort wollen Frauen ihr Konzept und ihren Namen übernehmen. Localgirlboss als eine Art Franchiseunternehmen? Berg kann sich das vorstellen.

Von Bergs Laden bis zu ihrer Wohnung haben es die beiden Frauen nicht weit, zu Fuß sind es vielleicht zwei Minuten. In Bergs Zweizimmerwohnung dominiert, die Farbe rosa. An der einen Wand hängen zahlreiche Schnappschüsse, an einer anderen kleben mehrere Plakate. Darauf stehen Ziele, die sich Berg gesetzt hat. 2018 war das Ziel, ihren Instagramaccount bekannter zu machen. Das hat sie geschafft: 3000 Follower sind in einem Jahr dazu gekommen und Kooperationen mit zahlreichen Influencerinnen. Räß weiß, auch sie müsste in den sozialen Netzwerken präsenter sein. Glücklicherweise gebe es bald einen Instagramkurs für Anfänger, den Berg leiten werde. "Es ist unglaublich, wie sehr mich diese Treffen jedes Mal weiterbringen", sagt Räß.

Bergs Geschäftsidee mit den Keksen ist bei ein paar Gläschen Prosecco mit ihren Mädels entstanden. Fünf Jahre ist das jetzt her. Ähnlich sei das auch bei der Gründung des Kollektivs gewesen, sagt Berg. Kennengelernt haben sich Berg und die anderen Gründerinnen auf einem Regensburger Designmarkt. Als Standnachbarinnen kamen sie miteinander ins Gespräch. Immer häufiger trafen sie sich auf eine Tasse Kaffee oder ein Glas Rotwein. Daran hat sich bis heute kaum etwas geändert, neben einer Keksbäckerin, eine Konditorin und einer Töpferin sind heute zudem eine Coachin, eine Yogalehrerin, zwei Goldschmiedinnen, eine Wirtshausbesitzerin, drei Grafikerinnen, eine Tanzlehrerin, eine Perlenstickerin, eine Fotografin und eine Kindermodedesignerin Teil des Kollektivs.

Im vergangenen Jahr haben sie eine Datenschutzverordnungsparty organisiert, im Februar ist eine Google-Analytics-Party geplant. Partys, so nennen sie ihre Treffen. 2019 wollen sie eine eigene kleine Hochzeitsmesse auf die Beine stellen, im kommenden Winter ist erneut ein Stand am Christkindlmarkt geplant. An manchen Tagen treffen sie sich aber auch nur zu zweit zum Coaching, wie im Fall von Berg und Räß. Wenn im vorweihnachtlichen Stress niemand Zeit hat, reicht eine Whatsappnachricht. Die fehlende Struktur, das sei nicht für jeden etwas, sagt Berg. "Bei uns geht es auch mal etwas lauter zu und manchmal auch ein bisschen chaotisch", räumt Berg ein.

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Räß, kastanienbraune, lange Haare, zierliche Figur, ist gerade aus dem Urlaub wiedergekommen. Nun will sie mit Berg besprechen, wie es für sie 2019 weitergehen könnte. "Wo stehe ich eigentlich?" Die Frage scheint Räß mehr an sich selbst zu richten, als an Berg. Eigentlich hätte es Ende vergangenen Jahres mit den eigenen vier Wänden für ihr Coachingcafé klappen sollen, sagt Räß. Nun war doch jemand schneller, die Traumimmobilie weg. Was nun?

"Wie wäre es denn mit Popup-Coaching?" Berg denkt laut. Es stünden doch so viele Geschäfte in der Innenstadt leer und wenn eine der Grafikerinnen die Schaufenster schön bemalen würde, wäre das sicher ein Hingucker. "Wenn das gut funktioniert, dann ist das vielleicht kein entweder oder sondern ein und", sagt Berg. Räß macht sich eine Notiz, malt ein großes Ausrufezeichen daneben. "Ich brauche den Perspektivenwechsel", sagt Räß, wenn sie jemand fragt, warum sie, die doch selbst Coachin ist, sich von einer Keksbäckerin helfen lässt. Deshalb habe sie auch damit angefangen, Praktika bei den anderen Frauen zu machen. Vieles sei trotz aller Unterschiede übertragbar, sagt Räß. Häufig nutze sie auch Beispiele aus dem Kollektiv um ihren Kunden zu zeigen, dass es funktionieren könne, zugleich erfolgreich und glücklich zu sein. Zweifel, Fragen und Probleme wie an diesem Nachmittag in Bergs Wohnzimmer, die gehören aber natürlich auch dazu.

Es ist der Mittwoch vor der Coachingsession. Sieben der insgesamt 15 Frauen des Kollektivs treffen sich an diesem kalten Januarabend zu einem Produktshooting. Auch Berg ist dabei, von der Innenstadt zum Fotostudio sind es etwa zehn Minuten mit dem Taxi. Das Motto: Valentinstag. Die eine hat rosafarbene Keramikbecher mitgebracht, die andere selbstgemachte Pralinen und ein Törtchen, die andere Postkarten mit süßen Sprüchen, noch eine andere hat filigranen Goldschmuck dabei und Berg ihre Kekse.

Während die eine Produkte fürs Foto drapiert, drückt die andere auf den Auslöser, mehrere begleiten das Geschehen über Instagram. Manche unterhalten sich aber auch einfach nur mit einem Glas Sekt in der Hand. Es geht an diesem Abend um die Arbeit. Hin und wieder geht es aber auch um große und kleine Brüste, die Detox-Saftkur und Kinder. Durch solche gemeinsamen Shootings sparen sie alle Zeit und Geld. Mit beidem müssen die Selbständigen gut haushalten. Aber es geht auch um mehr als das.

"Sagt mal, ich werde häufig in E-Mails von Kunden im Plural angeschrieben und ich weiß von einigen, dass sie auch im Plural antworten. Warum?", fragt eine in die Runde. Bei der Diskussion gehen die Meinungen auseinander: Die einen sagen, dass es bei Anfragen von großen Firmen manchmal professioneller wirke. "Ja klar gebe ich das noch mal in die Grafikabteilung", witzelt Berg. Eine andere findet, dass es gerade das besondere sei, dass sie alles selbst mache. "Bei mir ist alles Chefsache", sagt sie. Zugegeben, manchmal fühle sie sich fast schizophren. Aber so sei das nun mal als Selbständige. Zustimmendes Nicken. Sie muss das nicht erklären. Alle wissen ganz genau, was sie meint.

© SZ vom 08.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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