Nürnberg als Austragungsort habe sich angeboten, sagt Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier. "Die Stadt und Metropolregion ist ein international renommierter Standort für die Informations- und Kommunikationstechnologie." Hier gebe es neben erfolgreichen Unternehmen auf diesen Feldern auch "eine beachtliche Forschungs- und Netzwerk-landschaft im Technologiebereich". Zudem begleite Nürnberg "die digitale Transformation seit Jahren als Gastgeber wichtiger Messen und Kongresse aus den Bereichen IT und Elektronik". Die Embedded World etwa oder die It-sa. "Wir organisieren die internationalen Plattformen dieser Schlüsseltechnologien", sagt Messechef Peter Ottmann.
All das sind Gründe genug für die Bundesregierung, ihren diesjährigen Digitalgipfel am 3. und 4. Dezember im Nürnberger Messezentrum abzuhalten. Mehr als 1000 Vertreter von Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft werden erwartet, allen voran Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie kommen in eine Stadt, die wirtschaftlich schwere Zeiten hinter sich hat. Die aber für sich genommen, und im Verbund der Metropolregion Nürnberg, seit geraumer Zeit enorm durchstartet.
In den vergangenen Jahren hat sich eine quirlige, digitale Gründerszene etabliert
So gehört der Wirtschaftsraum Nürnberg-Fürth-Erlangen inzwischen zu den wichtigsten Technologie- und Forschungsregionen Deutschlands. Der Patent-Innovationsindex ist doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt. Eine quirlige, digitale Gründerszene hat sich in den vergangenen Jahren etabliert, wie sich erst vor wenigen Wochen beim Nürnberg Digital Festival offenbarte. Mehr als 10 000 Menschen in der Metropolregion arbeiten in IT- und Webunternehmen. Zwei Drittel der Beschäftigten im verarbeitenden Sektor in wissensintensiven Branchen angesiedelt. Allein beim Fraunhofer-Institut sind mehr als 1000 Menschen im Bereich Informatik und Kommunikationstechnologie beschäftigt; weitere 3000 forschen an Hochschulen und am Max-Planck-Institut zum Thema Licht. Enorme Impulse verspricht man sich vor Ort von der neuen Technischen Universität, die zusätzlich zur Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen und der Technischen Hochschule bis 2025 in Nürnberg geschaffen werden soll.
Von den arrivierten Größen sticht bei der Digitalisierung neben Siemens als größtem Arbeitgeber der Region vor allem das Softwarehaus Datev hervor, von dessen knapp 7400 Mitarbeitern 6640 in Nürnberg arbeiten. Die meisten auf einem Innovationscampus, den das genossenschaftliche Unternehmen 2015 eröffnet hat. Intern hat die Datev eine Zukunftsschmiede geschaffen. Unter dem Stichwort "Datev 2025" will das auf Software und IT-Dienstleistungen für Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte spezialisierte Unternehmen die Digitalisierung, Automatisierung und Vernetzung von betriebswirtschaftlichen Geschäftsprozessen sowohl bei den Kunden als auch bei der Datev selbst vorantreiben.
Viele Unternehmen aus Nürnberg investieren nicht nur in Digitalisierung, sondern profitieren erkennbar davon. Ein Beispiel: Der IT-Dienstleister Noris Network etwa stellte 2018 seinen 300. Mitarbeiter ein und will 2019 und 2020 in München und Nürnberg zwei weitere, große Rechenzentren eröffnen. Um digitale Gründungen zu erleichtern, wurde die Initiative Startup.Digital.Nürnberg gegründet.
"Viele Menschen sind auf den mit Digitalisierung verbundenen Wandel nur schlecht oder gar nicht vorbereitet, haben Angst davor oder gar keine Vorstellung, was auf sie zukommt", sagt Christina Burkhardt. Das sei zumindest der Eindruck gewesen, den ihr Ehemann ihr vermittelt habe, wenn er von seinen Terminen und Reisen nach Hause kam. Tobias Burkhardt war zu dieser Zeit in Sachen Strategieentwicklung und Marketing nicht zuletzt in der Start-up-Szene viel unterwegs, "als Lehrer, Netzwerker und kritischer Weltbeobachter", wie er sich selbst beschreibt. Ehefrau Christina, die Internationales Business studiert hat, saß zu dieser Zeit nach dem dritten gemeinsamen Kind in Elternzeit zu Hause und hörte genau zu. Bis sie ihrem Mann eines Tages vorschlug: "Dann lass uns doch etwas tun."
Statt starrer Raumaufteilung gibt es in den neuen Büros freie Arbeitsplätze
Also gründete das Nürnberger Ehepaar 2015 die Shiftschool, die sich zum Ziel gesetzt hat, "Menschen auf die Digitalisierung vorzubereiten", wie Christina Burkhardt sagt. Dies geschieht in 18-monatigen, berufsbegleitenden Kursen, an denen sich von Menschen ohne Abitur bis zu Akademikern, von Mittzwanzigern bis zu Endfünfzigern, von Kleinunternehmern bis zu Konzernmanagern höchst unterschiedliche Menschen darin schulen lassen, welche Fähigkeiten und Einstellungen sie in Zukunft benötigen. Das zugrunde liegende Konzept sei "konsequent auf die Bedürfnisse des digitalen Zeitalters ausgerichtet", heißt es bei Shiftschool.
Die Akademie hat sich übrigens Räume bei einem Nürnberger Unternehmen gemietet, das seinerseits ganz auf das Thema Digitalisierung setzt. Nämlich darauf, dass diese nicht nur die Arbeit an sich, sondern auch die Art zu arbeiten verändert. Für diese neue Arbeitskultur schafft Design Offices die geeigneten Räumlichkeiten. Bundesweit eröffnet das Unternehmen immer neue Locations, in denen die starren Büroordnungen aufgehoben sind und ein anspruchsvoller Mix aus kleinen Klausen, modernen Tagungs- und Besprechungsräumen sowie freien Arbeitsplätzen in CoWorking Spaces mit Designerausstattung geschaffen werden. Aus der Überzeugung heraus, dass die Digitalisierung den Menschen mehr Selbstbestimmtheit, Unabhängigkeit und Flexibilität beim Arbeiten ermöglichen wird. Auch in Sachen Arbeitsplatzgestaltung.
Die Nachfrage ist enorm. 2008 von Michael Schmutzer gegründet, betreibt Design Offices inzwischen 25 Standorte, hauptsächlich in deutschen Großstädten. 350 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden im laufenden Jahr voraussichtlich einen Umsatz von 60 Millionen Euro erwirtschaften. 2019 will das Unternehmen sein Flächenangebot von derzeit 100 000 Quadratmeter nahezu verdoppeln. Auch in Nürnberg sollen zwei neue Standorte eröffnet werden.