Neue Satzung:Nürnberg startet Kampf gegen Ferienwohnungen

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  • In Nürnberg könnte jeder, der seine Wohnung mehr als acht Wochen im Jahr Feriengästen zur Verfügung stellt, mit bis zu 500 000 Euro Bußgeld belangt werden.
  • Die neue Satzung zielt vor allem darauf ab, die in den vergangenen Jahren zunehmenden wilden Gästeunterkünfte zu reduzieren, greift aber ebenfalls, wenn Wohnraum aus anderen Gründen umgenutzt wird.
  • Laut Airbnb werden in Nürnberg etwa 1800 Unterkünfte über die Plattform angeboten.

Von Claudia Henzler, Nürnberg

Da wäre ein "modernes Altstadtapartment mit Netflix und Kaffee", das ab zwei Nächten Mindestaufenthalt offenbar das ganze Jahr über gemietet werden kann. "Die Wohnung steht komplett und alleine meinen Gästen zur Verfügung", schreibt Gastgeber Christian auf der Buchungsplattform Airbnb. Die Online-Bewertungen der Gäste klingen begeistert. Doch die Stadt Nürnberg ist es nicht. Sie will solchen Angeboten einen Riegel vorschieben. Und so wird der Stadtrat wohl am Mittwoch dem Vorbild Münchens folgen und eine Zweckentfremdungssatzung beschließen. Dann könnte jeder, der seine Wohnung mehr als acht Wochen im Jahr Feriengästen zur Verfügung stellt, mit bis zu 500 000 Euro Bußgeld belangt werden.

Nürnbergs Wirtschaftsreferent Michael Fraas (CSU), der diesen Schritt angesichts des zu erwartenden Personalaufwands im Januar noch skeptisch sah, hält die von Grünen und SPD beantragte Satzung mittlerweile für sinnvoll. Eine Untersuchung des Wirtschaftsreferats habe ergeben, dass im Jahr 2017 etwa 600 Wohnungen in Nürnberg vollständig und dauerhaft an Feriengäste vermietet und damit dem Markt entzogen wurden. Das klingt angesichts von mehr als 300 000 Wohnungen in Nürnberg nicht nach einer Massenzweckentfremdung, doch die Verwaltung gibt zu bedenken, dass pro Jahr nur 1500 Wohnungen neu gebaut wurden, die Stadt aber seit Jahren wächst und die Preise auf dem Wohnungsmarkt stark steigen. Zudem rechnet das Wirtschaftsreferat damit, dass die touristische Bedeutung der vermeintlichen Privatunterkünfte weiter zunimmt.

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Die Online-Plattform sollte der Stadt Auskunft über seine Gastgeber geben - dagegen wehrt sich das US-Unternehmen.

Laut Airbnb werden in Nürnberg etwa 1800 Unterkünfte über die Plattform angeboten. Davon seien 55 Prozent komplette Wohnungen, die aber fast alle nur "gelegentlich" vermietet würden. Die Nürnberger Stadtverwaltung geht davon aus, dass auf Airbnb etwa 500 Unterkünfte beworben werden, die ausschließlich Touristen zur Verfügung stehen, und rechnet weitere 100 Wohnungen dazu, die man über andere Plattformen buchen kann.

Die neue Satzung zielt vor allem darauf ab, die in den vergangenen Jahren zunehmenden wilden Gästeunterkünfte zu reduzieren, greift aber ebenfalls, wenn Wohnraum aus anderen Gründen umgenutzt wird. Belangt werden soll in Nürnberg künftig auch, wer eine Wohnung ohne Genehmigung überwiegend als Büro oder Praxis nutzt oder mehr als drei Monate lang leer stehen lässt, ohne sich um eine Vermietung zu bemühen.

Die Zustimmung des Stadtrats vorausgesetzt, wird die Verwaltung zunächst fünf neue Stellen schaffen, um die Satzung durchzusetzen. Die Mitarbeiter sollen so bald wie möglich eingestellt werden und in den kommenden Monaten ihre Arbeit aufnehmen. Lange hatte die Stadtspitze diese Ausgaben gescheut. Sie wollte das Personal im Rathaus lieber damit beschäftigen, neue Wohnungen zu genehmigen sowie Baugebiete und geförderten Wohnungsbau zu planen. Doch die vor drei Jahren definierte Zielvorgabe von 2200 neuen Wohnungen pro Jahr werde bisher nicht erreicht, bilanziert das Wirtschaftsreferat kritisch. Deshalb wolle man zwar weiter einen Schwerpunkt auf den Bau neuer Wohnungen legen, aber sich eben auch um den Bestand kümmern. Um den finanziellen Aufwand zu rechtfertigen, macht der Wirtschaftsreferent in seinem Bericht an den Stadtrat eine ungewöhnliche Rechnung auf: Würde die Stadt Nürnberg versuchen, selbst 600 freie Wohnungen zu schaffen - indem sie nämlich baut, müsste sie dafür (bei durchschnittlich 216 000 Euro pro Wohnung) 130 Millionen Euro ausgeben.

München wertet seine Zweckentfremdungssatzung als Erfolg. Dort hat Sozialreferentin Dorothee Schiwy zuletzt Ende November 2018 im zuständigen Ausschuss über die Auswirkungen berichtet. Ihr untersteht die Sonderermittlungsgruppe, die in der Landeshauptstadt seit zwei Jahren Wohnungssünder aufspürt. Vier Mitarbeiter kümmern sich um klassische Ferienwohnungen, vier weitere um Räume, die an Medizintouristen vermietet werden. Von Anfang 2016 bis August 2018 hat die Stadt laut Schiwy knapp 190 000 Euro Bußgeld an Vermieter von ungenehmigten Ferienwohnungen verhängt und weitere 900 000 Euro von Vermietern verlangt, die Medizintouristen beherbergen. Bis Ende 2017 war der Münchner Bußgeldrahmen dabei auf 50 000 Euro beschränkt, erst Anfang 2018 wurde er auf das von Nürnberg angestrebte Niveau verzehnfacht. Laut Sozialreferentin hat die Sonderermittlungsgruppe in München allein 2017 bei 298 Wohnungen eine Zweckentfremdung beendet.

© SZ vom 10.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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