Rückruf-Skandal bei GM:Sorge um die Mutter

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Mary Barra bei ihrem Besuch bei Opel am 27. Januar. Damals war die GM-Chefin optimistisch, heute muss sie eine ernste Krise bewältigen. (Foto: Adam Opel AG)

In den USA steht General Motors wegen tödlicher Unfälle am Pranger. Für Opel sind das schlechte Nachrichten, einmal mehr steht der Ruf auf dem Spiel. Dabei ging es gerade erst aufwärts.

Von Thomas Fromm

Als sie Ende Januar in Deutschland war, da ging es eigentlich gar nicht so sehr um Autos. Es ging um Gefühle. Mary Barra, Chefin der Opel-Mutter General Motors, stellte sich ins Foyer der Rüsselsheimer Zentrale und sagte Dinge, die den Menschen hier guttaten. Dass Opel ein "lebenswichtiger Teil" von GM sei. Und dass die Mutter in den nächsten Jahren Milliarden in ihre Tochter investieren werde. Die Opelaner waren glücklich über diese Botschaften, denn Besucher aus Detroit waren nicht immer so mütterlich zu ihnen gewesen.

Es ist eine der alten Opel-Weisheiten: Wenn es General Motors gut geht, kann man sich in Rüsselsheim einigermaßen sicher fühlen. Selbst dann, wenn man Verluste schreibt. Geht es GM aber schlecht, bekommt man das auch in Deutschland zu spüren. Umso mehr, wenn es auch hier nicht gut läuft.

US-Kongress verhört GM-Chefin
:"Kultur der Vertuschung"

Bei ihrer Befragung gehen die US-Senatoren nicht zimperlich mit General-Motors-Chefin Mary Barra um: Die tödliche Pannenserie beruhe auf "Täuschung", die Fehler bei GM seien "kriminell" - und Barra wisse "gar nichts über irgendetwas".

2009 war so ein Jahr, da spürte man das Beben von Detroit bis nach Rüsselsheim. GM am Ende, Insolvenz, Milliardenstaatshilfen aus Washington, ein knallhartes Sparprogramm. Und überall fegten die Sanierer durch die Werke, auch bei Opel, wo man beschloss, Fabriken zu schließen und Tausende Jobs zu streichen. Danach ging es GM wieder hervorragend. Milliardengewinne, der US-Automarkt boomte. Anfang des Jahres dann wurde Mary Barra GM-Chefin. Opel setzte auf neue Modelle, startete eine innovative Image-Kampagne, die man "Umparken im Kopf" nannte, und es wehte ein neuer Wind zwischen Detroit und Rüsselsheim. Alles war gut zwischen Mutter und Tochter.

Befragt, ermahnt, gegrillt

Zwei Tage hintereinander saß die Frau, die noch im Januar in Rüsselsheim für gute Stimmung sorgte, jetzt vor US-Ausschüssen. Wurde befragt, ermahnt, gegrillt. Wie es sein kann, dass ein defektes Bauteil in Zündschlössern zu Unfällen mit mindestens 13 Toten geführt hat. GM hat deswegen zwar schon ein paar Millionen Fahrzeuge zurückgerufen. Aber was ist mit dem Verdacht, dass die Konzern-Oberen schon seit zehn Jahren von diesem lebensgefährlichen Problem wussten - und nichts unternommen hatten? Knapp ein Dollar pro Auto hätte genügt, um die Zündschlösser sicherer zu bauen; interne E-Mails aus dem Konzern belegen das.

Sparte man ausgerechnet hier, bei der Sicherheit?

" Ich bin zutiefst betrübt" war der Satz, den man von Mary Barra in diesen Tagen sehr oft hörte. Und dass sie eigentlich selbst keine Antworten auf all die Fragen habe - dafür müsse man erst interne Untersuchungen abwarten.

Tödliche Pannenserie bei GM
:Der verstörende Dollar

General Motors soll sich aus Kostengründen gegen einen Austausch der fehlerhaften Zündung entschieden haben. Bei der Kongressanhörung von Konzernchefin Mary Barra wurde bekannt: Womöglich hätte ein Dollar mehr pro Auto die tödliche Pannenserie verhindern können.

Übersteht Barra die Affäre

Es ist schon wahr: Zum fraglichen Zeitraum war Barra zwar längst noch nicht GM-Chefin. Aber sie war im Konzern für Produktion zuständig. Die Frage, die sich viele stellen, lautet nun: Wird die GM-Chefin, die als erste Frau einen großen Autokonzern führt, die Affäre überstehen? "Wenn es hart auf hart kommt, könnte Barra zurücktreten", glaubt ein GM-Insider. Nur - wer kommt dann?

Es sind nicht die 7450 Opel GT, die zwischen 2007 und 2010 gebaut wurden und ebenfalls von den Rückrufen bei GM betroffen sind. Es sind vielleicht noch nicht einmal die Milliardenentschädigungen, die auf die Konzernmutter zurollen. Es geht um mehr: Amerikanische Politiker werfen GM Täuschung der Verbraucher vor. So etwas ist ziemlich öffentlichkeitswirksam - und hat in der Regel Folgen. Wie stark wird der Imageschaden sein für GM? Und: Wird der Absatz jenes Konzerns, der öffentlich von amerikanischen Kongressabgeordneten an den Pranger gestellt wurde, unter all dem leiden und empfindlich einbrechen?

Defekte Zündschlösser und Servolenkungen
:Rückrufe kommen GM teuer zu stehen

Seit Jahresbeginn musste General Motors Millionen Autos zurückrufen. Den Autokonzern kosten die Maßnahmen viel Geld. Doch das ist nichts im Vergleich zu den Summen, die als Strafe drohen.

Als der japanische Weltmarktführer Toyota in den vergangenen Jahren Millionen Autos zurückrufen musste, brach parallel zum Kundenvertrauen erst einmal der Absatz ein. Ähnliches dürfte nun auch dem Konzern aus Detroit bevorstehen. "Dann aber könnte der Druck auf Opel wachsen, in Europa schnell Gewinne zu machen", sagt ein Konzernkenner.

Erste, wenn auch kleine Erfolge

Laut Plan soll Opel 2016 wieder Gewinne einfahren. Ein Ziel, das Experten für sportlich, aber machbar halten. Der Konzern hat Modelle wie den Adam und arbeitet seit Monaten an einem neuen Image. Und 2014, das wird ohnehin noch einmal ein Jahr des teuren Umbaus sein: Opel steht vor der Schließung seiner Autofertigung in Bochum. Das kostet nicht nur 3200 Jobs, sondern vermutlich wohl auch an die 500 Millionen Euro. Danach, prophezeit der Betriebsrat, könnte es bei Opel sogar wieder Neueinstellungen geben. Vielleicht.

Auch feiert der Konzern wieder erste Erfolge, wenn auch kleine. Im März steigerte Opel seinen Marktanteil in Deutschland auf 7,5 Prozent; das waren 0,5 Prozentpunkte mehr als im Jahr davor. Gleichzeitig zieht sich der Hersteller aus dem Boommarkt China zurück. Allerdings: Hier hatten die Rüsselsheimer im vergangenen Jahr nur etwas mehr als 4000 Autos verkauft - ein Verlust ist der asiatische Markt also nicht wirklich. Mehr als nach China schaut man bei Opel in diesen Tagen daher wohl in die USA.

© SZ vom 04.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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