Luca di Montezemolo:Ein Patriarch sagt "Arrivederci"

Nach 23 Jahren muss Luca di Montezemolo als Vorsitzender von Ferrari gehen. Diese Ära hat den Sportwagenbauer geprägt wie sonst nur das Wirken des Firmengründers Enzo Ferrari. Eine Managerkarriere in Bildern.

Von Thomas Harloff

1 / 9
(Foto: dpa)

In vielerlei Hinsicht wirkte Ferraris Formel-1-Heimrennen am vergangenen Wochenende wie eine große Abschiedsfeier für Luca di Montezemolo. Kurz nach seinem 67. Geburtstag gab sich der Vorstandsvorsitzende gewohnt volksnah, wohl wissend, dass seine Ablösung kurz bevor steht. Drei Tage nach dem enttäuschend verlaufenen Rennen - Kimi Räikkönen wurde Neunter, Fernando Alonso schied aus - erklärte Montezemolo seinen Rücktritt, der natürlich keineswegs freiwillig erfolgt.

2 / 9
(Foto: dpa)

Ob es bei dieser Umarmung mit Top-Fahrer Fernando Alonso um mehr als nur die Freude über ein Wiedersehen oder Glückwünsche zum 67. Geburtstag geht? Nach insgesamt 27 Jahren bei Ferrari, davon die letzten 23 als Vorstandsvorsitzender, muss Montezemolo gehen, obwohl er das bei seinem Amtsantritt in großen Schwierigkeiten steckende Unternehmen zum Erfolg führte. Doch in den letzten Tagen soll italienischen Medien zufolge ein Streit mit dem Fiat-Vorsitzenden Sergio Marchionne entbrannt sein, der sich unter anderem an den zuletzt schwachen Leistungen des Formel-1-Teams entzündet habe - das Ende einer Ära.

3 / 9
(Foto: DPA)

Luca di Montezemolo, geboren am 31. August 1947 in Bologna, schließt sich Ferrari erstmals 1973 als Assistent des Firmengründers Enzo Ferrari an und macht schnell Karriere. Bereits 1974 steigt er zum Sportdirektor auf - ein wichtiger Posten, denn dem großen "Commendatore" Enzo Ferrari war der Motorsport stets wichtiger als der Bau von Straßenautos. Montezemolo hat sofort Erfolg und schenkt seinem Chef 1975 sowohl (mit Niki Lauda) den Fahrer- als auch den Konstrukteurs-Titel. Ein Triumph, den das Team 1977 wiederholen kann. Der Jurist scheint zu Höherem berufen und wechselt zum neuen Ferrari-Eigner, dem Fiat-Konzern, wo er den Posten des Direktors für externe Angelegenheiten übernimmt.

4 / 9
(Foto: AFP)

In den Achtzigerjahren bekleidet Luca di Montezemolo mehrere Funktionen innerhalb des Fiat-Imperiums und leitet zudem noch das Organisationskomitee der Fußball-WM 1990. Im November 1991 kehrt er zu Ferrari zurück. Drei Jahre nach dem Tod Enzo Ferraris befindet sich die Firma in einer wirtschaftlichen und sportlichen Krise. Wegen strenger Abgasvorschriften brach zuvor der für Sportwagenhersteller extrem wichtige US-amerikanische Markt zusammen, in der Formel 1 fährt Ferrari zu diesem Zeitpunkt längst hinterher. Der Rennstall verliert in der Turbo-Ära der Achtziger- und im Elektronik-Zeitalter der frühen Neunzigerjahre immer mehr den Anschluss. Und anders als heute gilt: Gewinnt die "Scuderia" keine Rennen, verkauft Ferrari keine Straßenautos.

5 / 9
(Foto: DPA)

Doch Montezemolo (2.v.l.) geht die Probleme an, unter anderem mit mutigen Personalentscheidungen. 1996 gelingt es ihm, den amtierenden Formel-1-Weltmeister Michael Schumacher (l.) zu Ferrari zu lotsen, obwohl der Rennstall im Vorjahr weit abgeschlagen nur Dritter in der Konstrukteurs-WM wurde. Gleichzeitig holt er den zuvor im Rallyesport und beim 24-Stunden-Rennen in Le Mans erfolgreichen Franzosen Jean Todt (2.v.r.) als Teamchef und den späteren Vizeweltmeister Eddie Irvine (r.) als zweiten Fahrer. Gleich in seinem ersten Ferrari-Jahr holt Schumacher in einem unterlegenen Auto drei Saisonsiege, in den folgenden drei Jahren scheitern er und Irvine jeweils knapp. Doch zwischen 2000 und 2005 sichern sich Schumacher und Ferrari jeweils den Fahrer- und Konstrukteurs-Titel - eine in der Königsklasse des Motorsports einzigartige Erfolgsserie.

6 / 9
(Foto: Giorgio Benvenuti/Ferrari Media)

Es dauert einige Jahre, bis Montezemolo die zu Beginn der Neunzigerjahre nicht mehr zeitgemäße Modellpalette modernisiert. Besonders schwer tut sich Ferrari damit, einen Nachfolger für den schon seit 1984 angebotenen Testarossa zu entwickeln. Erst 1996 kommt mit dem 550 Maranello ein standesgemäßer V12-Gran-Turismo auf den Markt, der den Markennamen zu Recht trägt. Die V8-Mittelmotor-Sportwagen Ferrari 360, 430 und 458 entwickeln sich zur Messlatte in ihrem Segment und gleichzeitig zu kommerziellen Erfolgen. Auch die Modelle mit V12-Frontmotoren und das Klappdach-Cabrio California etablieren sich problemlos. Hinzu kommen die Supersportwagen Ferrari Enzo und LaFerrari (Foto), für die sich Interessenten einem strengen Bewerbungsverfahren stellen müssen. Nur ausgewählte Sammler bekommen ein Exemplar, was die Rennwagen mit Straßenzulassung zu absoluten Ikonen und perfekten Imageträgern macht.

7 / 9
(Foto: REUTERS)

Ferraris Erfolg beschert di Montezemolo einen weiteren beruflichen Aufstieg: Von 2004 bis 2010 ist er gleichzeitig der Vorsitzende des Mutterhauses Fiat (im Bild der Grande Punto bei seiner Vorstellung 2005). Auch außerhalb des Automobilsektors ist er geschäftlich aktiv, unter anderem als Gründer eines Investmentfonds und führender Kopf hinter dem Hochgeschwindigkeitszug Italo. Zudem engagiert er sich politisch und unterstützt mit seiner Initiative Italia Futura den ehemaligen italienischen Regierungschef Mario Monti.

8 / 9
(Foto: AP)

Bis heute ist Ferrari wirtschaftlich erfolgreich. Die Produktion ist mit etwa 7000 Autos im Jahr bestens ausgelastet. Mit der zunehmenden Umstellung auf Turbo- und Hybridmotoren passt sich die Firma technisch den neuen Gegebenheiten an, die auch von Sportwagen verbrauchsgünstigere Antriebe verlangen. Doch in der Formel 1 läuft es nicht, nur ein Fahrer- (Kimi Räikkönen 2007) und zwei Konstrukteurstitel in den vergangenen zehn Jahren sind nicht genug für Ferraris Ansprüche. Das schlechte Abschneiden wird auch Luca di Montezemolo angekreidet, der das führende Personal seiner Scuderia nach Michael Schumachers Weggang 2006 nicht immer glücklich auswählte. Für Fiat-Konzernchef Sergio Marchionne (l.) ist die Misserfolgsserie ein willkommener Anlass, sich von di Montezemolo zu trennen. Zuletzt waren die beiden Patriarchen nur selten einer Meinung - etwa in Bezug auf Montezemolos politische Ambitionen oder den geplanten Börsengang Ferraris. Nun setzt sich Alleinherrscher Marchionne selbst auf Ferraris Chefsessel.

9 / 9
(Foto: dpa)

Am 13. Oktober sagt Luca di Montezemolo endgültig "Arrivederci" als Ferrari-Vorsitzender. "Das ist das Ende einer Ära und für mich waren es 23 fantastische und unvergessliche Jahre", wird der 67-Jährige in einer offiziellen Mitteilung auf der Ferrari-Website zitiert. Eine Epoche, die den Sportwagenhersteller, das Rennteam und den Mythos um diese kleine italienische Firma in einem Maße geprägt hat wie sonst nur das Wirken des Firmengründers Enzo Ferrari selbst. Sergio Marchionne tritt wahrlich kein leichtes Erbe an.

© SZ.de/harl - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: