Vorgestellt: Ferrari F 430:Gelb regiert die Welt

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Für 152.500 Euro darf man sich über einen Sportwagen freuen, der einem jeden Wunsch von den Füßen abliest.

Von Georg Kacher

Der erste Probegalopp im jüngsten cavallino rampante verspricht ein dramatisches Erlebnis. Schließlich ist unser Testpferd knallgelb wie ein Kanari und klingt schon im Stand wie Pavarotti & die sieben Königstiger.

Ein Sound wie Pavarotti & die sieben Königstiger. (Foto: N/A)

Der Sattelgurt entpuppt sich als Vier-Punkt-Einspannvorrichtung aus dem Sado-Maso-Shop, die Hufe sind mit extrabreiten 19-Zöllern beschlagen, und auch der kreisrunde Zügel hat zwei Besonderheiten: unter der linken Lenkradspeiche lauert der knallrote Startknopf, unter der rechten ruht der manettino.

Formel 1-Aficionados wissen, dass es sich hier um einen Verstellknebel handelt, mit dem man während der Fahrt die Charakteristik von Motor, Getriebe, Fahrwerk und Stabilitätskontrolle verändern kann - von der disziplinierten Dressur bis zum Freestyle-Rodeo ohne Sattel und Zaumzeug. Ferrari empfiehlt zum Kennenlernen die Mittelposition mit der schlichten Bezeichnung Sport, doch schon nach wenigen Kurven siegt die Neugier: wir schalten um auf Race und potenzieren durch eine Extraportion Schlupf und ein giftigeres Ansprechverhalten den Unterhaltungswert.

Auch dieser Ferrari ist keine enge Kammer, sondern ein lichtes und luftiges Coupé mit tollen Sitzen und übersichtlicher Instrumentierung. Als erster Blickfang lockt der wahlweise gelb oder rot hinterlegte Drehzahlmesser, dem erst bei 8500 Touren der Begrenzer das Handwerk legt.

An dem mit schwarzer Kuhhaut bezogenen Armaturenbrett scheiden sich die Geister: die Hebelei stammt teilweise von Mama Fiat, die runden Lüftungsrosetten wirken billig, und die Carbon-Applikationen führen sich selbst ad absurdum. Seit wann entsteht Leichtbau durch Hinzufügen von Werkstoffen?

Großer Durst

Doch alle Kritik verblasst, sobald der linke Daumen den Startknopf drückt und direkt hinter uns der Leibhaftige damit beginnt, den Ofen anzuheizen. Unter dem verglasten Präsentierteller blubbert, röchelt und wabert ein vollkommen neuer 4,3-Liter-V8, der 360kW (490 PS) und 465 Nm mobilisiert.

Der mit rotem Schrumpflack geschmückte Vierventiler beschleunigt den F430 unter idealen Bedingungen in 4,0 (4,5) Sekunden von 0 auf 100 km/h. Wo die Verkehrslage und der Schutzengel es zulassen, ist eine Höchstgeschwindigkeit von 315km/h (295) möglich. Der Durst ist mit 18,3 l feinstem Kraftstoff auf 100 km unverändert respektabel groß.

Die Gänge werden in der 152 500 Euro teuren F1-Variante per Zeige- und Mittelfinger eingelegt; das Kuppeln entfällt. Es gibt zwar auch einen Automatikmodus, aber der klingt nach Sprung in der Platte und fühlt sich an, als leide das Getriebe unter chronischem Schluckauf.

Nein - wenn schon, dann schalten wir wie Schumi, mit der rechten Sichel hoch und mit der linken zurück. Im Race-Modus, der noch Tage später den Herzrhytmus bestimmt, dauert der Gangwechsel nur mehr 150 Millisekunden.

Satte Straßenlage

Der erste ist kurz und gierig ausgelegt, die Staffelübergabe vom zweiten zum dritten funktioniert perfekt, der vierte spannt den Bogen zur 200 km/h-Marke, der fünfte ist über ein unsichtbares Gummiband mit dem Horizont verbunden, und der sechste könnte von der Überholspur bis direkt vor den Bezirksrichter reichen.

Weil die Aerodynamiker den Anpressdruck um 50 Prozent erhöht haben, liegt der F430 bei hohem Tempo satter auf der Straße als der F360 Modena. Auch die um zwanzig Prozent steifere und minimal leichtere Karosserie trägt dazu bei, dass der Wagen in sich gefestigter wirkt.

Stoische Ruhe

Vom Charakter her bildet das neue Modell die Synthese zwischen dem ebenso verspielten wie fordernden Challenge Stradale und dem minimalistisch-souveränen Enzo. Der Spagat gelingt, denn die elektronisch beaufschlagte Skyhook-Radaufhängung beweist auf der Rennstrecke Saugnapf-Qualitäten, während sie auf Rumpelpisten durch lange Federwege und hohe Trittsicherheit überzeugt.

Der Vorderwagen liegt jetzt stoisch ruhig auf der Straße, die Lenkung führt die Vorderräder an der langen Leine, und die explosive Hinterhand hat sich das Bocken und Haken Schlagen abgewöhnt. Das verdankt der F430 dem E-Diff(erential), das über zwei Nasskupplungen den Drehmomentfluss zu den Antriebswellen regelt.

Weil die Elektronik dem Fahrer sicher zur Hand geht, animiert das Auto schnell zum Ausloten des Grenzbereichs. Spätes Hochschalten versetzt das Trommelfell in Ekstase, frühes Herunterschalten stellt den Gleichgewichtssinn auf die Probe, aggressives Einlenken kumuliert mit der Querbeschleunigung, auf den letzten Drücker Verzögern ist wie Bungee Jumping mit Eintauchen. Keine Frage: dieses Ross fordert sattelfeste Reiter.

Der Tag endet auf der Pista Ferrari di Fiorano, wo der F430 bis auf zwei Sekunden an den überirdischen Enzo herankommt. Das liegt nicht nur am beachtlichen Leistungszuwachs, sondern auch am abgesenkten Schwerpunkt, an den kräftigeren Bremsen im XXL-Format, am schnelleren Getriebe, an besagtem Differenzial und an der Kombination aus innovativen Regelsystemen und verstellbarem Fahrwerk.

Das Ergebnis ist ein Auto mit vielen Gesichtern. Dar gleiche Sportwagen, der auf der Rennstrecke im leichten Drift von Abweiser zu Abweiser schmiert, ist im Alltag ein lammfrommer Gleiter. Als Mittler zwischen den Welten fungieren die von Pininfarina entworfene Optik, der dichte Sound des explosiven V8-Kraftwerks und das beruhigende Gefühl der jederzeit abrufbaren fahrdynamischen Potenz.

© SZ vom 16.10.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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