Hin und weg:Bike und Lederhose

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Radler lassen sich nicht so leicht von Klimaklebern aufhalten. (Foto: imago stock&people)

Der Freistaat führt das Dienstrad-Leasing ein. Macht die Regierung nun eine Sternfahrt zur IAA?

Glosse von Joachim Becker

Böse Zungen behaupten, dass Bayern keinen Klimaschutzplan habe. Und die Internationale Automobil-Ausstellung (IAA Mobility) in München sei nur Greenwashing der Autoindustrie. Richtig ist, dass die Uhren in Bayern anders gehen. Wie zum Beweis hat Greenpeace vorgerechnet, dass der Freistaat erst in 280 Jahren klimaneutral sein wird. Zumindest, wenn der Fortschritt beim Klimaschutz ähnlich rasant verläuft wie in den Jahren 2003 bis 2021.

Was Greenpeace nicht einrechnet, ist der geheime Klimaschutzplan der Autoindustrie. Anfang September wird die IAA Mobility in München stattfinden. Zumindest in der Innenstadt wird die Messe - ganz wie das Oktoberfest - zur Großkirmes fast ohne fahrende Autos: Viel Hochglanz-Show und Gedudel, aber für Testfahrten außer mit Fahrrädern ist kaum Platz. Im Kettenkarussell dreht man sich ja auch immer im Kreis.

Außerdem kann es kein Zufall sein, dass der Freistaat kurz vor der IAA Mobility das Dienstrad-Leasing einführt. Nicht nur die Beschäftigten der Bayerischen Staatsforsten können nun über kleine monatliche Raten ihr Wunschfahrrad beziehen. Warum diese Aktion kurz vor der Automesse startet, ist sonnenklar: Radler lassen sich nicht so leicht von Klimaklebern aufhalten.

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Unter dem Motto "#BlockIAA 2023 - Autokonzerne entmachten, Klima schützen!" hat "Sand im Getriebe" zum kollektiven Widerstand aufgerufen. Während die Aktivisten einen "Stopp der zerstörerischen Auto-Produktion" planen, bereitet auch die Gegenseite insgeheim Guerilla-Maßnahmen vor. Was, wenn sich die Staatsregierung samt der Autobosse nicht in gepanzerten Elektro-BMWs zur Messeeröffnung kutschieren lassen, sondern in einer Radl-Sternfahrt nach Riem pilgern?

München ist berühmt für seine Großkirmes. Wollten die Autobosse deshalb hierher?

Wer die Emotionen, nein, Emissionen spürbar senken will, braucht Mut. Bayerns Ministerpräsident schreckt selbst vor unkonventionellen Mitteln nicht zurück. Vor zwei Jahren hatte Markus Söder kurz nach seinem IAA-Eröffnungsrundgang getwittert: "Unsere Ingenieure bringen das Land voran und nicht Verschwörungstheoretiker. Wir brauchen in Deutschland eine starke Mobilität. Nicht jeder kann bei Wind und Wetter mit dem Rad zur Arbeit fahren. Die Zukunft liegt in Innovation und nicht im Zurück in die Steinzeit."

Mancher in der Fahrradbranche wunderte sich über den Steinzeit-Tweet: "Meint der etwa uns?" Immerhin folgte die Nachricht nur drei Stunden nach Söders Besuch bei zwei Fahrradherstellern auf der IAA Mobility. Solche prähistorischen Patzer werden Dienstrad-Söder wohl kurz vor der Wahl nicht mehr passieren. Schließlich geht es auf der Automesse diesmal gar nicht so sehr um Autos, sondern um Kommunikation. Unter dem Motto "Experience Connected Mobility" soll die Vernetzung von allem mit jedem erlebbar gemacht werden.

Fragt sich nur noch, wie sich Fußgänger, Rad- und Autofahrer in diesem Land vernetzen lassen. Die Klimaaktivisten treten gerne als Sprecher ihrer, der sogenannten Letzten Generation auf. Umfragen deuten allerdings darauf hin, dass das Auto für jüngere Leute gar nicht an Relevanz verliert. "Fast drei Viertel der Deutschen sagen, dass für sie das Auto in Zukunft am besten ihre Anforderungen an Mobilität erfüllen wird (Vorjahr 67 Prozent)", heißt es in der Huk-Mobilitätsstudie 2023: "Den größten Beliebtheitszuwachs erlebt das Auto dabei unter jungen Bundesbürgern zwischen 16 und 24 Jahren."

Der Autor hatte eigentlich gar keine Zeit, diese Kolumne zu schreiben: Er wurde (wie alle anderen) vom Frühling überrascht. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
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