Detroit Auto Show:Eine Messe, so ideenlos wie die ganze Branche

Die Zukunft der Mobilität findet auf der größten Autoshow Nordamerikas nur am Rande statt. Stattdessen setzen die Hersteller weiterhin auf SUVs und gigantische Pick-up-Trucks.

Von Felix Reek

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(Foto: dpa)

Detroit, das war einmal die Auto-Stadt der Vereinigten Staaten. Die "Motor City", wie sie heute noch genannt wird. "Die großen Drei" sitzen hier in der Region. General Motors direkt in Detroit, Ford im benachbarten Dearborn, Chrysler in Auburn Hills, wo auch Volkswagen vertreten ist. Doch mit dem Niedergang der US-Automobilindustrie begann auch der Abstieg der "Motor City".

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2009 lag die Arbeitslosigkeit bei 28,5 Prozent (im Bild die ehemalige Produktionshalle des Zulieferers Fisher, der 2010 pleite ging). Mittlerweile hat sich Detroit davon erholt, doch jetzt stehen die nächsten Herausforderungen an. Die Automobilbranche wandelt sich, herkömmliche Diesel- und Benzinantriebe haben aufgrund der Abgasaffäre massiv an Ansehen verloren - der Zeitgeist ändert sich. Digitalisierung, alternative Antriebe und autonomes Fahren stehen im Mittelpunkt, Trends, die die arrivierten Hersteller in den USA und in Europa jahrelang ignorierten und die sie jetzt Milliarden kosten, um den Vorsprung zur neuen Konkurrenz wie Tesla und Google aus dem Silicon Valley aufzuarbeiten.

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Das bekommt auch die North American International Auto Show (NAIAS, 14. bis 27. Januar) zu spüren, die einst wichtigste Fachmesse des Kontinents. Ähnlich wie die IAA oder der Autosalon Genf verliert sie immer mehr an Bedeutung. Audi, BMW, Mercedes und Porsche sagten ihre Teilnahme im Vorfeld ab. Tesla ist seit 2015 nicht mehr mit dabei. Premieren gibt es kaum noch. Zum Vergleich: Im letzten Jahr wurden noch 69 Neuheiten in Detroit vorgestellt, dieses Jahr sind es nur noch 30. Das liegt zum einem an der kurz zuvor stattfindenden Elektronikmesse Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas. Sie hat sich zur weltweit wichtigsten Messe für Zukunftsideen entwickelt. In diesem Umfeld wollen auch die Automobilhersteller wahrgenommen werden. Zum anderen werden immer mehr Neuheiten auf eigenen Präsentationen vorgestellt, als große Show. Apple und Tesla haben es vorgemacht. Das bringt ungeteilte Aufmerksamkeit. (Im Bild: Ram-Chef Reid Bigland)

RAM HD 1500

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An der eigenen Krise sind die Hersteller selbst schuld. Die NAIAS verdeutlicht auch in diesem Jahr, wie ideenlos eine ganze Branche ist, wenn es um die Zukunftsfragen der Mobilität geht. RAM zum Beispiel zeigt seine "HD"-Reihe, kurz für "Heavy Duty", also Schwerlast. Ein monströser Pick-up mit fast fünfeinhalb Metern Länge (in der kleinsten Variante) und zwei Metern Breite. Auf Pressebildern zeigt RAM das Auto mit gigantischen Heuballen beladen oder riesige Anhänger ziehend. Auf Wunsch gibt es ein spezielles Ablagefach für Schusswaffen.

RAM HD 3000

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Er ist aber nur die "kleine Variante" der Pick-up-Modellreihe von RAM. In Detroit zeigt der Hersteller auch seine Schwerlast-Variante des größeren 3500. Er ist bis zu sechseinhalb Meter lang und zwei Meter fünfzig breit. Der Einstiegsmotor ist ein 6,4-Liter-V8 mit 410 PS. Kein Aggregat, welches umweltbewussten Autofahrern Freudenjauchzer entlocken dürfte. Den Herstellern daran allein die Schuld zu geben, wäre zu kurz gegriffen. Sie bauen das, was die Kunden wollen. Wer auf dem US-Markt bestehen will, braucht mindestens einen Pick-up im Portfolio. Seit 36 Jahren ist der Ford F-150 das meistverkaufte Auto der USA. Auf den Plätzen zwei und drei folgten 2018 Chevrolet und RAM - ebenfalls mit Pick-ups.

Ford Mustang Shelby GT500

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Ebenfalls ganz oben auf der Traumwunschliste vieler Amerikaner: ein Pony Car. Also jene hochmotorisierten Mittelklasse-Coupés die mit dem Erfolg des Ford Mustang in den Sechzigerjahren viele Nachahmer fanden. In den letzten Jahren brachte ein US-Hersteller nach dem anderen Neuauflagen auf den Markt, um an diese legendäre Epoche des US-Automobilbaus anzuknüpfen. Der Höhepunkt dieser Evolution waren schon immer die vom ehemaligen Rennfahrer Carol Shelby getunten Modelle. In Detroit zeigt Ford nun den GT500, ein Projektil von einem Auto mit 5,2 Litern Hubraum, handgefertigtem V8-Motor und mindestens 700 PS. Der stärkste Mustang der Firmengeschichte. Bei Autos dieser Leistungsstärke offenbar immer noch ein Kaufargument. Nach Europa kommt der Mustang von Shelby allerdings nicht. Hier haben solche Modelle mittlerweile einen schweren Stand.

Toyota Supra

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Von der Stimmung in Detroit lassen sich sogar die sonst so vernünftigen japanischen Hersteller anstecken. Auf welcher Messe ließe sich schließlich sonst die Wiederauflage eines Sportwagenklassikers von Toyota gebührend feiern? Für die Premiere des Supra ließ Toyota extra Formel-1-Pilot Fernando Alonso zum Daumen-nach-oben-Recken einfliegen.

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Sechzehn Jahre lang ließen die Japaner den Sportwagen, der vor allem Porsche in den Achtzigerjahren auf dem US-Markt arge Probleme bereitete, ruhen. Jetzt ist er zurück, allerdings in Zusammenarbeit mit BMW. Er teilt sich die Basis mit dem neuen Z4, eine eigenständige Entwicklung wäre zu teuer gewesen. Entsprechend gibt es zum Marktstart im Sommer 2019 nur einen Sechszylinder mit 340 PS. Varianten mit geringerer Leistung sollen nachfolgen.

Ford Explorer

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(Foto: AFP)

Fehlen eigentlich nur noch die unvermeidlichen SUVs. Auch in Detroit sind sie bei jedem Hersteller anzutreffen. Wie zum Beispiel der Ford Explorer, der den meisten Europäern eher unbekannt sein dürfte, aber mit mehr als sieben Millionen verkauften Einheiten eines der beliebtestens SUVs der Welt ist. Die neue Generation, die 2020 auf den Markt kommt und auch in Deutschland erhältlich sein soll, ist größer, sparsamer und bietet mehr Platz. Hinzu kommen autonome Fahr-Funktionen, Wifi, all das, was Hersteller im Prinzip bei jedem neuen Modell versprechen. Auch ein Hybrid-Antrieb statt des Dreiliter-V6 mit 400 PS soll folgen. Nur wann, das ist noch nicht klar.

Cadillac XT6

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Ein Muster, das sich durch die ganze Messe zieht. Cadillac will elektrische Autos bauen - irgendwann. Eine Basis dafür stellte der Hersteller kurz vor der NAIAS vor. Die ist aber noch im Entwicklungsstadium. Bis dahin schließt der Konzern vermeintliche Lücken in seinem Portfolio. Der XT6 soll mit einer Länge von fünf Metern Kunden gewinnen, denen der nicht ganz so gewaltige XT5 (4,8 Meter) zu klein ist und der dafür umso gewaltigere Escalade (mindestens 5,2 Meter) zu groß ist. Ein Luxus-Crossover mit einem 3,6-Liter-V6, der auch im Chevrolet Camaro arbeitet.

Nissan IMs

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Wer Elektroautos in Detroit sucht, findet sie bei den Neuheiten vor allem in Form von Studien. Nissan baut mit dem Leaf zwar bereits einen der erfolgreichsten Stromer, in Detroit zeigt der Hersteller aber vor allem Zukunftsspielereien. Der IM ist ein Concept Car mit zwei Elektromotoren und einem variabel gestaltbarem Innenraum. Autonom fahren kann der Nissan natürlich auch. Sollte der Fahrer das Steuer übernehmen müssen, tut er dies mithilfe eines Velos, das eher an einen Kampfjet erinnert.

VW Passat

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Fast schon altbacken wirkt dagegen der US-Passat, dessen zweite Generation Volkswagen als einziger deutscher Hersteller auf der NAIAS zeigt. Ein Auto, das nicht nur symptomatisch für den Niedergang eines ganzen Segments steht (Limousinen sind seit dem Boom von SUVs immer weniger gefragt), sondern auch der Marke. Der einstige Verkaufsschlager in den USA hat gerade noch einen Anteil von 2,7 Prozent unter den Limousinen, der Toyota Camry führt hier uneinholbar. Entsprechend wenig Mühe gibt sich Volkswagen mit seinem Passat für US-Käufer. Dieser basiert nicht auf dem modularen Querbaukasten aller aktuellen europäischen VWs, sondern aus Kostengründen auf der intern "PQ35" genannten Plattform, die schon 1996 beim Audi A3 zum Einsatz kam. In der PR-Verkaufe heißt das dann: "Der Passat ist die einzige mittelgroße Limousine, die deutsche Fahrdynamik zu einem erschwinglichen Preis anbietet", so Volkswagen-CEO Scott Keogh. Was eine blumige Umschreibung dafür ist, dass der Passat im Vergleich zu seinem deutschen Bruder hoffnunglos veraltet ist. Was wiederum zur NAIAS in Detroit passt. Einer Messe, die für eine Branche steht, die den Wandel verschlafen hat und nun mühsam versucht, Anschluss zu finden.

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