Abgasmanipulation:Daimler unter Druck

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Abgasmessungen von Emission Analytics mit Mercedes-Modellen ergaben, dass die Fahrzeuge nach dem Software-Update mehr Stickoxide ausstießen als zuvor. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Ein neuer Verdacht in der Diesel-Affäre bringt Daimler in Schwierigkeiten. Warum der betroffene Motor schon lange als problematisch gilt und was Fahrzeugbesitzer jetzt tun können.

Von Markus Balser, Joachim Becker, Max Hägler und Christina Kunkel, München

Ist es ein neues Kapitel im Diesel-Manipulationsskandal oder nur ein großes Missverständnis? Daimler steht unter Verdacht, bei einem weiteren Modell mit einer unerlaubten Abschalteinrichtung Abgaswerte auf dem Prüfstand geschönt zu haben. Es geht um einen möglichen Betrugsversuch, der lange unentdeckt geblieben sein soll. Auch deshalb, weil der Autobauer versucht haben soll, die unerlaubte Funktion heimlich im Zuge der von der Bundesregierung angeordneten Software-Updates zu beseitigen.

Konkret geht es um den Geländewagen GLK. Einen Verdacht der Behörden gegen Modelle dieser Baureihe gibt es bereits seit Längerem. Schon im vergangenen Jahr hatte das Verkehrsministerium bei bestimmten Ausführungen des SUV und anderen Modellen Daimler illegale Abschalteinrichtungen vorgeworfen. Die Ermittler der Staatsanwaltschaft Stuttgart waren bei ihrer Prüfung auf insgesamt eine Million Verdachtsfälle gekommen, darunter der nun erneut ins Visier geratene Motor mit der Bezeichnung OM651. Neu ist aber, dass nicht nur Fahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 6b, sondern auch Euro-5-Diesel des GLK betroffen sein sollen. Konkret geht es um den sparsamen Vierzylinder-Diesel, den Daimler seit 2008 baut. Der Selbstzünder kommt von der A-Klasse bis zur S-Klasse zum Einsatz und wird selbst bei leichten Nutzfahrzeugen verbaut.

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Obwohl Messungen auf der Straße seit Jahren katastrophal schlechte Abgaswerte feststellten, konnte das bisher auf dem Prüfstand nicht bestätigt werden. Jetzt sollen Behörden jedoch die genaue Funktionsweise einer Abschalteinrichtung bei dem Geländewagen entschlüsselt haben, die dazu führte, dass die Werte im Labor trotzdem stimmten. Demnach wurde der gesetzliche Grenzwert für giftige Stickoxide nur eingehalten, wenn eine spezielle Temperaturregelung aktiviert war. Der Kühlmittelkreislauf soll den Motor künstlich kälter gehalten haben, wodurch die Stickoxid-Werte im Labor unterhalb der gesetzlichen Grenzwerte geblieben sind. Im Straßenbetrieb soll die Funktion dagegen deaktiviert und der Schadstoffausstoß pro Kilometer deutlich überschritten worden sein.

Doch das Problem könnte deutlich größer sein. Insider berichten, dass der dreckige OM651, der mit aller Kraft auf hohe Leistung und niedrigen Spritkonsum getrimmt wurde, immer wieder Probleme in verschiedenen Anwendungen gemacht hat. Gerade relativ schwere Autos wie die Geländewagen und Transporter haben dem Vierzylinder alles abverlangt. Weil die modellspezifischen Anpassungen nicht zu teuer werden sollten, standen die Ingenieure vor schwer lösbaren Problemen. Ab 2016 hat Mercedes mit einem Milliarden-Aufwand einen Nachfolger-Diesel (OM654) entwickelt, der tatsächlich zu den saubersten seiner Klasse gehört. Das funktioniert nur mit einer aufwendigen Abgaswäsche durch zwei Katalysatoren und die Harnstoff-Lösung Adblue. Über solche teuren Extras verfügt der OM651 nicht.

Das Bundesverkehrsministerium teilte mit, es handele sich um ein laufendes Verwaltungsverfahren aus dem Herbst 2018. Zu den Details wollte sich das Ministerium nicht äußern. Betroffen sind den Angaben zufolge 60 000 Fahrzeuge des Geländewagenmodells GLK 220 CDI, die zwischen 2012 und 2015 gebaut wurden. Das KBA ist demnach bereits im Herbst 2018 auf die Softwarefunktion bei dem Motor OM651 gestoßen. Weitere Abgasmessungen hätten den Verdacht erhärtet.

Auf die Kunden könnte eine Rückrufaktion zukommen

Der Ärger bei den Behörden ist deshalb groß, weil Daimler nach Angaben aus Behördenkreisen versucht haben soll, die Abschalteinrichtung diskret bei Software-Updates zu entfernen. Diese Wartungen standen sowieso an, weil der Konzern 750 000 Autos weltweit wegen manipulierter Software zurück in die Werkstätten beordern musste. Dem widerspricht der Konzern. Laut Daimler gehören die Updates zu einem früher angekündigten Maßnahmenpaket für mehr als drei Millionen Mercedes-Fahrzeuge. Dabei halte sich das Unternehmen an den mit dem Verkehrsministerium und dem KBA vereinbarten Genehmigungsprozess. "Die Behauptung, dass wir mit der freiwilligen Service-Maßnahme etwas verbergen wollen, ist unzutreffend", erklärte Daimler. Die konkreten Konsequenzen für den Konzern blieben zunächst unklar. Auch mögliche finanzielle Folgen sind noch nicht abzusehen. Laut Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer müsste Daimler bei einer Verurteilung in Deutschland damit rechnen, "bis zu einer Milliarde Strafe in Deutschland zu bezahlen - wie bei VW." Noch höhere Summen könnten im Raum stehen, wenn auch in den USA verkaufte Autos betroffen wären. Aktuell ist unklar, ob über die 60 000 GLK hinaus weitere Fahrzeugmodelle betroffen sind.

Was bedeuten die neuen Vorwürfe für betroffene Fahrzeugbesitzer? Da die Ermittlungen noch laufen, müssen Kunden zunächst abwarten. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, droht Daimler eine größere Rückrufaktion. Der Verbraucherzentrale Bundesverband, der unter anderem die Musterfeststellungsklage im Abgasskandal gegen VW führt, fordert rasches Handeln. "Sollte sich bewahrheiten, dass Daimler mit einer völlig neuen Software-Manipulation betrogen hat, wäre das im vierten Jahr des Dieselskandals ein Unding. Daimler ist am Zug, schnell aufzuklären," so Sprecher Felix Methmann.

© SZ vom 16.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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