Markus Söder auf CDU-Parteitag:"Es geht um Schwarz oder Grün"

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CSU-Chef Markus Söder beim Bundesparteitag der Schwesterpartei in Leipzig. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)
  • CSU-Chef Markus Söder wirbt auf dem CDU-Parteitag in Leipzig für Einigkeit und Geschlossenheit in der Union.
  • In einer gefeierten Rede greift Söder die AfD als "neue NPD" an und setzt sich zugleich vom "Haupt-Herausforderer" Grüne ab.

Von Detlef Esslinger, Leipzig

Wie bringt man Leute dazu, zum Klatschen aufzustehen, sofort - und mit dem Klatschen gar nicht mehr aufzuhören? Eine Möglichkeit: sich durch eine Rede zu mühen und am Ende alle mit der Vertrauensfrage zu überrumpeln. So hat es Annegret Kramp-Karrenbauer gemacht, am Freitag. Die andere Möglichkeit ist, einfach eine schmissige Rede zu halten. Dazu hat sich Markus Söder an diesem Samstagmittag in Leipzig entschieden.

Da Kramp-Karrenbauer ja weder blind noch taub ist, dürfte sie den Unterschied zwischen Beifall und Beifall mitbekommen haben; Markus Söder sowieso. Die CDU-Vorsitzende und der CSU-Vorsitzende stehen am Pult auf der Bühne; irgendwann macht Söder mit den flachen Händen vor dem Bauch jene Geste, mit der man das Publikum auffordert, mit dem Klatschen jetzt mal aufzuhören. Was scheinbar eine Geste der Demut ist, in Wahrheit aber natürlich nur eine dezente Aufforderung, bitte unbedingt weiter zu klatschen. Was die Leute bereitwillig tun. Und Kramp-Karrenbauer hat mit ihren Mitteln keine Chance, die Euphorie zu bremsen. In den Beifall hinein ergreift sie das Wort, redet irgendwas von Fragezeichen und Ausrufezeichen. Die 1000 Delegierten und die Gäste feiern weiter.

"Ohne uns wär's auch langweilig"

Was hat Söder gemacht, das Kramp-Karrenbauer nicht gemacht hat? Er hat seine Zuhörer nicht mit "Fragezeichen und Ausrufezeichen" oder anderen Floskeln aus der Altkleiderkammer der Rednerschule sediert. Söders einzige Floskel war eine, über die er sich lustig machte. Er höre immer, die Union müsse der Fels in der Brandung sein. "Ich sag' immer: 'Da, wo du stehst, gibt's ja gar kein Wasser.'"

Söder setzte Schwerpunkte, statt jedem Thema zweieinhalb Sätze zu widmen; er sagte das, was man als CSU-Vorsitzender bei der CDU diesmal unbedingt sagen musste; und das, was auch eine CDU-Vorsitzende hier gern sagen dürfte. Zum ersten gehörte, dass er gleich zu Beginn den lange währenden Streit endgültig begrub. Zunächst kokettierte er noch damit: "Wir" - also die CSU - "können nix bestimmen, aber ohne uns wär's auch langweilig." Heiterkeit. Es folgte der ernsthafte Teil. CSU und CDU würden zwar auch in Zukunft nicht fusionieren, sagte Söder. "Aber so etwas wie letztes Jahr werden wir nie wieder machen". Damit hatte er das Wohlwollen und die Sympathie des gesamten Saals; die Aufmerksamkeit sowieso. Angela Merkel las in keinem Telefon und redete mit keinem Altmaier neben ihr; sie hörte zu, sie klatschte, sie lachte.

Söder fuhr fort, indem er sich mit anderen Parteien befasste - und er sprach offen aus, was ansonsten bei diesem Parteitag nicht gesagt wurde, aber stets zum Ausdruck kam: dass nicht die SPD, sondern die Grünen inzwischen der wichtigste Konkurrent sind. Bis zur Bundestagswahl sei die Hauptfrage nicht, ob es zu Schwarz-Grün komme. "Sondern es geht um Schwarz oder Grün." Er wolle, sagte Söder, dass "der oder die nächste Kanzlerin oder Kanzler" auch 2021 von der Union gestellt werde.

Den Grünen machte er Vorhaltungen. Sie wollten alle Drogen freigeben, aber Fleisch verbieten. Sie wollten Ölheizungen sofort abschaffen, aber in den Wald zum Holzhacken dürften die Menschen auch nicht, wegen des Artenschutzes. Außerdem forderten sie zwar mehr Mobilfunk, bekämpften jedoch jeden Mast - und koordinierten die Bürgerinitiativen dagegen per SMS. "Sie haben mehr Moral als wir, nämlich Doppelmoral." Das ist vielleicht viel Verzerrung auf einmal, aber: recht unterhaltsam. Zum Koalitionspartner in Berlin sagte er nur: "Die SPD ist ... da."

Die AfD sei die "neue NPD"

An die Grünen hat die Union in den vergangenen Monaten viele Wähler verloren, viel mehr als an die AfD. Söder unterschied deutlich zwischen beiden Parteien. Die Grünen nannte er: "Haupt-Herausforderer". Die AfD nannte er: "Feind." Deren Funktionäre wollten nicht zurück in die Siebziger-, sondern in die Dreißigerjahre, die AfD sei die "neue NPD". Söder sagte: "Mit solchen Leuten macht man keine gemeinsame Politik."

Die CSU kam bei der Landtagswahl vor einem Jahr nur noch auf gut 37 Prozent, ein Minus von mehr als zehn Prozentpunkten. Sie hatte im Wahlkampf versucht, sich mit der CDU anzulegen, um die AfD kleinzuhalten. Vergeblich. In Leipzig sagte Söder: "Es klappt nicht, durch schärfere Rhetorik etwas zurückzuholen. Dann hat man erhebliche Substanzverluste in der bürgerlichen Mitte."

Kommt die Union demnächst wieder bei Wahlen auf 40 Prozent oder mehr? Das ist der Anspruch, den viele Redner auf diesem Parteitag formulieren. Das 30- oder gar 25-Prozent-Loch ist nichts, mit dem man sich jetzt schon abfinden will. So eine Rede wie die von Söder reicht dazu nicht aus, eine Voraussetzung dafür sind solche Auftritte allerdings wohl schon. Wie hatte einst Oskar Lafontaine gesagt, als er noch bei der SPD war und sich in den Vorsitz putschte? Söder zitiert ihn, wenn auch ohne die Großzügigkeit, ihm das Copyright zu geben: "Nur wenn wir uns selbst begeistern können, können wir auch die Leute begeistern."

Lafontaines Satz darf sich für die kommenden Monate auch seine saarländische Landsfrau Kramp-Karrenbauer merken; mit ihrer Vertrauensfrage hat sie sich allenfalls Zeit erkauft. Markus Söder bleibt, nachdem der Beifall dann doch noch zu Ende ging, noch eine halbe Stunde am Vorstandstisch sitzen, dann bricht er auf, die Hände ergreifend, die ihm hingestreckt werden, Selfies selbstverständlich gewährend. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther, der gerade den Parteitag leitet, ruft ihm nach: "War 'n cooler Auftritt hier."

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