CDU-Parteitag:Kramp-Karrenbauers Vertrauensfrage

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CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer. (Foto: Getty Images)

In Leipzig setzt die Vorsitzende überraschend alles auf eine Karte. Das verschafft ihr eine Atempause - mehr aber auch nicht. Denn die Probleme der Partei sind nicht gelöst.

Kommentar von Robert Roßmann, Leipzig

Die CDU-Vorsitzende hat Schwächen, aber eine Kämpferin ist Annegret Kramp-Karrenbauer. Das konnte man auf dem Parteitag wieder erleben. Fast 90 Minuten lang hat sie in Leipzig gesprochen, es war eine ermüdende Rede. Sie hatte weder einen roten Faden noch klare Botschaften, geschweige denn eine Vision. Aus der CDU-Vorsitzenden wird kein Cicero mehr. Als Kramp-Karrenbauer zum Ende kam, waren die Delegierten sediert. Doch zum Schluss stellte die Vorsitzende auf einmal die Vertrauensfrage. Wenn die Partei nicht bereit sei, ihren Weg mitzugehen, solle sie das jetzt entscheiden, verlangte Kramp-Karrenbauer. "Dann lasst es uns heute aussprechen, dann lasst es uns heute auch beenden, hier und jetzt und heute."

Die CDU-Chefin setzte überraschend alles auf eine Karte - und kam damit durch. Die aufgeschreckten Delegierten standen auf und klatschten minutenlang. Damit war schon vor dem Auftritt von Friedrich Merz klar, dass auf diesem Parteitag niemand mehr erfolgreich die Führungsfrage stellen kann.

Kramp-Karrenbauer kann unerschrocken und mutig handeln

Diese Form der riskanten Überwältigungspolitik ist ein Muster im politischen Leben Kramp-Karrenbauers. 2012 beendete sie im Saarland überraschend die Jamaika-Koalition, 2018 gab sie ihr Amt als Ministerpräsidentin überraschend auf, um CDU-Generalsekretärin zu werden. Vor vier Monaten zog sie überraschend ins Bundeskabinett ein. Und jetzt überrumpelte sie den Parteitag mit der Machtfrage. All das zeigt, dass Kramp-Karrenbauer in der Lage ist, unerschrocken und mutig zu handeln. Nachhaltig sind ihre Alleingänge aber nicht.

Mit ihrem Auftritt hat sich die CDU-Chefin erst einmal gegen ihre Kritiker durchgesetzt. Aber die Zweifel an ihr sind dadurch nicht kleiner geworden. Auch nach diesem Parteitag sehnt sich kaum einer in der CDU danach, mit Kramp-Karrenbauer als Kanzlerkandidatin in einen Wahlkampf zu ziehen. Außerdem kann man Vertrauensfragen nicht beliebig wiederholen, ihre Kraft verbraucht sich. Es hat ja Gründe, dass Angela Merkel in ihren 14 Jahren als Kanzlerin noch nie die Vertrauensfrage gestellt hat.

Vor allem aber profitierte Kramp-Karrenbauer in Leipzig davon, dass sich ihre Konkurrenten bisher gegenseitig blockieren. Und dass sich jeder, der jetzt schon aus der Deckung kommen würde, selbst schadete. Wenn die SPD in der Koalition bleibt, und davon gehen sie derzeit in der CDU aus, wird erst in zwei Jahren zum nächsten Mal gewählt. Niemand mit Vernunft geht so lange vor einem Wahltermin ins Rennen - und damit vorzeitig ins Sperrfeuer der politischen Konkurrenz.

Für ein paar Wochen dürfte Merz seine Sticheleien einstellen

Und Merz? Dem blieb nach Kramp-Karrenbauers Kampfansage gar nichts anderes mehr übrig, als sich einzureihen. "Wir sind loyal zu unserer Vorsitzenden, zu unserer Parteiführung und zur Bundesregierung", sagte Merz - und löste damit bei einigen Delegierten Gelächter aus. Es ist noch keinen Monat her, dass er die Arbeit der Bundesregierung öffentlich als "grottenschlecht" verurteilt hat.

Zumindest für ein paar Wochen dürfte Merz seine Sticheleien jetzt einstellen. Gelöst ist für die CDU damit aber noch nichts. Kramp-Karrenbauer kann Leipzig ohne Blessuren verlassen. Solange ihre Umfragewerte aber so grottenschlecht bleiben, wie sie sind, wird die Debatte über die CDU-Chefin nicht enden.

© SZ vom 23.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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