Krankheitserreger:Ratten in Berlin tragen multiresistente Keime

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Wenn sich Menschen mit sogenannten ESBL-Bakterien infizieren, ist das besonders gefährlich. Viele Antibiotika helfen dann nicht mehr. Berliner Wissenschaftler warnen nun, dass sich die Keime unter den Ratten in der Stadt ausbreiten. Damit wächst auch die Sorge, dass sich mehr Menschen damit anstecken.

Es ist lange her, dass Ratten sogar die Pesterreger in die Häuser einschleppten. Aber auch heute können die Nagetiere noch etliche Keime tragen, von denen einige den Menschen gefährlich sein können. Dazu gehören etwa Salmonellen und Hantaviren.

Ob das mit jenen Bakterien auch der Fall ist, vor denen Berliner Veterinärmediziner nun warnen, muss sich noch zeigen. Doch ein Risiko ist vorhanden. Die Fachleute der Freien Universität Berlin haben bei 16 Prozent der untersuchten Tiere multiresistene Darmkeime entdeckt. Es handelt sich um Escherichia-coli-Bakterien mit dem Enzym Extended Spectrum Beta-Lactamase (ESBL). Dieses Enzym ist in der Lage, eine Reihe von Antibiotika zu spalten und damit unwirksam zu machen.

Damit sind diese Keime unter den Ratten in Berlin etwa doppelt so häufig wie bei gesunden Menschen. Die Verbreitung der Bakterien entspricht etwa derjenigen von Krankenhauspatienten, von denen zwölf bis 16 Prozent infiziert sind. Das berichten die Wissenschaftler um Sebastian Günther vom Institut für Mikrobiologie und Tierseuchen der FU Berlin im Fachblattes Antimicrobial Agents and Chemotherapy. Bislang konnte eine Übertragung der E.coli mit ESBL von Ratten auf Menschen - etwa über den Kontakt mit Rattenkot - nicht nachgewiesen werden. Doch die Gefahr besteht.

"Im Gegensatz zu den MRSA-Keimen, die zuletzt Schlagzeilen machten, breiten sich die ESBL-Keime weltweit immer stärker aus", sagte Günther. In Indien etwa ist die Antibiotika-Abgabe weniger reguliert, was offenbar dazu geführt hat, dass der Keim sich stark ausbreiten konnte.

Die Wissenschaftler hatten insgesamt 56 tote Ratten untersucht, die von 19 verschiedenen Orten der Berliner Innenstadt stammten: 47 Ratten waren im Rahmen von Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen gefangen worden, etwa in Parks und auf der Straße. Neun Tiere stammten aus der Kanalisation. Und gerade bei diesen Tieren waren die ESBL-Keime doppelt so oft nachweisbar wie bei den oberirdisch gefangenen Ratten. "Für uns ist das ein Hinweis darauf, dass die Keime durch menschliche Fäkalien, etwa aus Kliniken, in die Tiere gelangen", sagte Günther. Da eine Ratte auch in einer Wohnung gefangen worden war, befürchten die Fachleute, dass die Nager die Keime vom Abwassersystem ausgehend wieder zurück in die Nähe der Menschen bringen.

Der Veterinärmediziner hat seit 2010 etwa 250 Proben von Rattenkot und Kadavern der Tiere auf multiresistente Keime untersucht. Die Proben stammen von Berliner Schädlingsbekämpfern und den Berliner Wasserbetrieben. "Eigentlich bräuchten wir für eine systematische Untersuchung viel mehr Proben", sagte Günther, "aber Forschung zu Wildtieren wird in Deutschland völlig unzureichend gefördert."

Die Zahl der Proben und vor allem der Tiere selbst erscheint relativ klein - allerdings ist es den Forschern zufolge gar nicht so leicht, an die Ratten zu kommen. Die Nager lernen schnell, Fallen zu vermeiden. Und mit Rattengift getötete Tiere sterben meist an schwer zugänglichen Stellen.

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