Russischer Staatskonzern Rosneft:Wladimir, der Weltenherrscher

Der russische Staatskonzern Rosneft steht davor, zum größten Erdölförderer der Welt aufzusteigen. Drahtzieher ist Präsident Putin im Kreml, er will einen Milliarden-Deal mit BP. Damit wird der Stratege im Hintergrund zum Weltwirtschafts-Player.

Frank Nienhuysen, Moskau

Russischer Staatskonzern Rosneft: Machtspiel mit Erdöl: Präsident Putin im April bei der Gesellschaft der russischen Geologen.

Machtspiel mit Erdöl: Präsident Putin im April bei der Gesellschaft der russischen Geologen.

(Foto: AFP)

Sie kam aus dem Nichts und verschwand wieder, diese Baikal Finance Group. Vor acht Jahren war sie eines der größten Rätsel der jüngeren russischen Wirtschaftsgeschichte: Wer ist diese Group? Die unbekannte Firma hatte gerade für einen sehr günstigen Preis eine Auktion gewonnen, auf der das Filetstück des zerschlagenen Ölkonzerns Yukos des Michail Chodorkowski versteigert worden war: Yuganskneftegas. Die Firma besaß eine wichtige Ölförderlizenz des Landes.

Kurz darauf wurde der merkwürdige Auktionssieger von Russlands Energie-Staatskonzern Rosneft aufgekauft. Dann begann dessen Aufstieg - und jetzt steht der Riese davor, zum größten börsennotierten Ölkonzern der Welt aufzurücken. Damit wird Russlands Präsident Wladimir Putin, der Stratege im Hintergrund, zum Weltwirtschafts-Player.

Kontrolle durch den Kreml

Das britische Unternehmen BP beriet am Freitag in London darüber, für 28 Milliarden Dollar seinen Anteil am britisch-russischen Joint Venture TNK-BP an Rosneft zu verkaufen. Russische Medien berichteten sogar, Rosneft würde gern auch die andere Hälfte übernehmen, die bisher einem Konsortium aus vier russischen Milliardären gehört. Die russische Ölbranche würde so noch stärker als bisher vom Kreml kontrolliert. BP-Chef Bob Dudley werde dem Aufsichtsrat vorschlagen, die Offerte anzunehmen, berichtete die Zeitung The Guardian. Kremlchef Putin hatte sich ohnehin für den Kauf ausgesprochen.

Rosneft-Chef Igor Setschin ist sein enger Vertrauter. Er gilt als jener Mann, der einst die Zerschlagung von Yukos betrieben hat. Der Strippenzieher ist seit Langem eine Symbolfigur für die russische Energiepolitik. Moskau will beweisen, dass der Staat mindestens so effektiv wirtschaften kann wie private Unternehmen. Und doch gibt es in der politischen Führung auch Skeptiker des britisch-russischen Milliardendeals. Der für Industrie und Energie zuständige Vizepremier Arkadij Dworkowitsch sprach sich gegen einen noch stärkeren Einfluss des Staates in der Energiebranche aus. Doch das liberale Lager scheint sich nicht durchzusetzen.

Anteil des Staates in der Wirtschaft soll verringert werden

Dass die russische Wirtschaft reformiert werden muss und ihre Abhängigkeit von Öl- und Gasexporten zugunsten anderer Branchen gemindert werden soll, ist grundsätzlich unstrittig. Regierungschef Dmitrij Medwedjew bestätigte am Freitag noch einmal die Pläne zur Privatisierung staatlicher Betriebe und den Willen, den Anteil des Staates in der Wirtschaft zu verringern: "Der Gedanke gilt nicht nur dem Auffüllen des Haushalts, wir brauchen auch eine effektive und auf Privateigentum basierende Wirtschaft."

Mit welchem Tempo dies geschehen soll, ist allerdings eine andere Frage. Und dass der Staat seinen Zugriff auf den Energiesektor festigen statt lösen will, ist spätestens mit dem neuen Dominanz-Streben von Rosneft nur zu offensichtlich.

Kooperation so weit wie nötig, Kontrolle so viel wie möglich

Die Ansprüche des Ölkonzerns macht ein Brief klar. Den hat das Management dort im Gespann mit den Verantwortlichen des anderen russischen Weltkonzerns Gazprom an Präsident Putin geschrieben. Die beiden Konzernchefs Setschin und Alexej Miller stellen sich darin deutlich gegen Pläne, Lizenzen zur Ausbeutung riesiger Bodenschätze in der Arktis auch an private Unternehmen zu vergeben, womöglich unter Beteiligung ausländischer Firmen. Dies könne Rosneft, Gazprom und deren Aktionären direkt schaden, heißt es.

Putin reagierte. Er wies die Regierung an, bis Anfang November eine Entscheidung zu treffen. Schon jetzt besitzen die beiden Konzerne zahlreiche Förderlizenzen für die lukrativen Gebiete. Die Zeitung Nesawissimaja Gaseta zitiert den Vizechef des Konkurrenten Lukoil mit den Worten: "Der Kreml wird unweigerlich die Hälfte der Ölförderung in Russland kontrollieren und diesen Zweig faktisch in die Epoche der 1990er-Jahre zurückschicken."

"Der Energiekomplex ist die treibende Kraft für die vaterländische Wirtschaft"

Rund die Hälfte des russischen Staatshaushalts wird aus den Erlösen des Öl- und Gasexports gefüllt. "Der Energiekomplex ist die treibende Kraft für die vaterländische Wirtschaft", schreibt Energieminister Alexander Nowak stolz in einem Grußwort an die Arbeiter und Veteranen der Branche. Solange der Energiepreis hoch bleibt, ist dies für die Regierung das Fundament, um wichtige Projekte wie die anstehende Rentenreform zu finanzieren.

Umgekehrt prophezeite Sergej Gurijew, Leiter der New Economic School in Moskau, dass ein sinkender Ölpreis Putin eines Tages die Präsidentschaft kosten könnte - wenn dieser es nicht schaffe, das Investitionsklima zu verbessern und Korruption einzudämmen. Und da fiel auf, dass kurz vor dem geplanten Milliardendeal ein Manager des Joint Ventures TNK-BP wegen Betrugs festgenommen wurde. Der PR-Chef soll gegen Millionenbeträge hohe Posten in der russischen Präsidialverwaltung angeboten haben.

Groß und stark - mit vielen Milliarden Dollar

Mit dem Kauf von TNK-BP würde Rosneft seine tägliche Ölproduktion auf von 2,4 Millionen auf 3,3 Millionen Barrel steigern und damit vor Petrochina (2,4 Millionen Barrel) und Exxon-Mobil (2,3 Millionen) liegen. Doch auch wenn der russische Staat auf diese Weise zum wichtigsten Spieler des globalen Ölmarkts würde, so ist er doch auf weitreichende Kooperation mit ausländischen Konzernen angewiesen.

Rosneft ist erst vor wenigen Wochen bei einem Förderprojekt von Exxon-Mobil in Kanada eingestiegen; umgekehrt einigten sich die Konzerne auf die gemeinsame Erschließung russischer Ölfelder. Strategische Allianzen gibt es auch mit Großunternehmen aus Italien und Norwegen. Rosneft braucht das technische Wissen aus dem Ausland. Es hat wenig Erfahrung, um Öl aus Meerestiefen zu erschließen.

Kooperation so weit wie nötig, Kontrolle so viel wie möglich - das ist für Konzernchef Setschin das Rosneft-Prinzip. Jüngst verglich der sonst so wortscheue Manager Russlands Ölprimus sogar mit einem Teddybären: "Wir lieben ihn, wir machen ihn sauber, wir schauen nach ihm, und wir sorgen für ihn." Nun wird er mit vielen Milliarden Dollar richtig groß und stark.

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