Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen:Zehn Vorschläge zum Ölsparen

Öl wird immer teurer, die Förderung immer gefährlicher und die Gesellschaft immer abhängiger von dem dreckigen Rohstoff. Die Politik muss Anreize schaffen, damit die Gesellschaft weniger Öl verbraucht. Mehr Elektroautos, weniger Plastiktüten und ein Tempolimit: Die "Süddeutsche Zeitung" hat zehn Vorschläge zusammengetragen.

Silvia Liebrich

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(Foto: REUTERS)

Eine wirkliche Energiewende erfordert nicht nur den Ausstieg aus der nuklearen Stromerzeugung, auch der Erdölverbrauch muss in den nächsten Jahren sinken. Der Rohstoff ist knapp und wird immer teurer, die Abhängigkeit ist groß (im Bild Ölförderung im Irak). Benzin und Diesel sind die wichtigsten Treibstoffe im Straßenverkehr. Auch die verarbeitende Industrie ist stark abhängig von der Ressource Öl. Fest steht: Die diskutierte höhere Pendlerpauschale und geplante Benzinpreiskontrollen werden den Anstieg der Ölpreise nicht aufhalten. Doch ein politisches Konzept, wie sich der Verbrauch schnell und dauerhaft drosseln lässt, gibt es bislang nicht, die Bundesregierung scheint planlos zu sein . Die SZ hat deshalb schon mal zehn Vorschläge zum Ölsparen zusammengetragen. Autofahrer klagen über teures Benzin und Diesel, Immobilienbesitzer über teures Heizöl, und auch die verarbeitende Industrie stöhnt. Verbraucher und Bundesregierung stehen dem Anstieg der Ölpreise machtlos gegenüber. Zwar geht der Verbrauch in Deutschland schon seit Jahren leicht zurück. Doch diese Einsparungen genügen bei weitem nicht, um den drastischen Ölpreisanstieg der vergangenen zehn Jahre auszugleichen. Und die Lage an den internationalen Rohstoffmärkten wird sich weiter zuspitzen. Denn Erdöl ist nicht nur Rohstoff, sondern auch Drohstoff. Weltweite politische Spannungen wie derzeit mit Iran machen die Preisentwicklung auf lange Sicht immer unberechenbarer. Dies bedeutet unwägbare Risiken für die Wirtschaft und die gesamte Gesellschaft. Hinzu kommt, die Förderung des Rohstoffs wird gefährlicher, wie die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko gezeigt hat. Tiefseebohrungen sind hoch riskant. Die Erschließung von Schieferölvorkommen und Teersanden vergiften das Grundwasser und zerstören massiv die Umwelt. Die Abhängigkeit vom fossilen Brennstoff Öl lässt sich nur durch einen sparsameren Umgang mit der Ressource abbauen. Deshalb muss die Politik Anreize schaffen, die helfen, den Energieverbrauch zu senken und alternative Energiequellen fördern. Für den Straßenverkehr sind völlig neue Konzepte notwendig, die ohne den fossilen Brennstoff auskommen. Mit dem Ende des Ölzeitalters werden sich aber auch die Siedlungsstrukturen in Städten und im ländlichen Raum verändern. Steigen die Rohölpreise weiter, werden sich immer weniger Menschen in Zukunft ein eigenes Auto und den Sprit dafür leisten können. Ihr Bewegungsradius wird kleiner. Geschäfte, Ärzte, Kindergärten, Schulen und andere öffentliche Einrichtungen müssen auf kurzen Wegen erreichbar sein.

Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen

Einschnitt für Pendler

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Das Bundesfinanzministerium hat Berufspendler 2011 mit insgesamt 4,4 Milliarden Euro subventioniert. Mit der Pauschale werden jedoch falsche Anreize gesetzt, denn sie leistet Beihilfe zur Energieverschwendung. Vorschlag: Die Pendlerpauschale wird in ihrer jetzigen Form abgeschafft und durch eine Beihilfe für umweltfreundliche Verkehrsmittel ersetzt. Autofahrer sollten eine Entfernungspauschale ohnehin nur in absoluten Härtefällen bekommen, etwa bei Nachtschichtbetrieb. Wenn überhaupt, sollte sie nur Geringverdienern zustehen. Die freiwerdenden Steuermittel können für den Aufbau zukunftsträchtiger Verkehrssysteme genutzt werden.

Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen

Gutes Klima

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Die Ziele für den Klimaschutz liegen viel zu weit in der Zukunft, so dass die jetzige Regierung dafür keine Verantwortung übernehmen muss: 30 Prozent weniger CO2-Ausstoß bis 2020, 80 Prozent weniger bis zum Jahr 2050. Vorschlag: Es müssen jährlich nachprüfbare Ziele festgelegt werden, also etwa zwei Prozent weniger CO2 pro Jahr, damit die langfristigen Ziele sicher erreicht werden. So lässt sich automatisch auch der Verbrauch von fossilen Brennstoffen allgemein senken. Es können auch konkrete Ziele für die Reduktion des Ölverbrauchs festgelegt werden.

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Spurwechsel für den Dienstwagen

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Der Dienstwagen zur privaten Nutzung ist eine der häufigsten Nebenleistungen zum regulären Einkommen in Deutschland. Eine Untersuchung des Bundesumweltministeriums von 2011 hat ergeben, dass mehr als 50 Prozent aller neuen Pkw als Firmenwagen zugelassen werden. Das Dienstwagenprivileg stellt damit in Deutschland die größte Steuervergünstigung dar, die zudem sozial ungerecht ist, weil sie vor allem Besserverdienern zugute kommt. Dies kostet den Staat pro Jahr bis zu 5,5 Milliarden Euro. Das hat gravierende Folgen für den gesamten Fuhrpark. In der Tendenz werden vor allem große Fahrzeuge mit hohem Verbrauch angeschafft. Ohne Steuervergünstigung wären auf Deutschlands Straßen längst nicht so viele Spritfresser unterwegs, und die Autoindustrie würde weniger große Fahrzeuge verkaufen. Sie würde sich stärker auf die Konstruktion kleinerer und sparsamer Fahrzeuge konzentrieren und wäre vermutlich auch bei der Entwicklung von Elektrofahrzeugen schon weiter. Das Dienstwagenprivileg setzt wie die Pendlerpauschale falsche Anreize und fördert die Energieverschwendung. Vorschlag: Der Dienstwagen muss steuerlich "neutralisiert" werden, das heißt, Dienstwagen und Privatauto werden steuerrechtlich gleich behandelt. Dies würde automatisch zu einer stärkeren Nutzung von verbrauchsärmeren kleineren Fahrzeugen führen, weil sich viele Arbeitnehmer nicht mehr so große Autos mit hohem Verbrauch leisten könnten. Positiver Nebeneffekt: Es wären CO2-Einsparungen von 3,2 bis 6,4 Millionen Tonnen möglich. Die Autoindustrie würde sich an den neuen Bedarf automatisch anpassen.

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Neue Technologien braucht das Land

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Elektromotoren und Hybridantriebe sollen Brennstoffmotoren für Benzin und Diesel in Zukunft ersetzen. Doch beide Technologien brauchen eine eigene Infrastruktur. Die Bundesregierung will bis 2020 mindestens eine Million Elektrofahrzeuge auf den Straßen haben. 2030 sollen es bereits sechs Millionen sein. Um Autofahrern den Umstieg schmackhaft zu machen, sollen E-Mobile, die bis 2015 zugelassen werden, zehn Jahre lang von der Kfz-Steuer befreit sein und eventuell kostenlos parken dürfen. Schon jetzt zeigt sich, dass diese Ziele wohl verfehlt werden, wenn nicht mehr Unterstützung kommt. 2011 waren hierzulande 42 Millionen Fahrzeuge zugelassen, darunter laut Öko-Institut nur 37.000 Hybridfahrzeuge und 2300 E-Mobile. Vorschlag: Die Bundesregierung muss ein eindeutiges Signal für den Ausbau der Infrastruktur geben, dazu gehören etwa Ladestationen in Innenstädten. Sie muss verbindliche Ziele für die nächsten Jahre festlegen, zunächst für die Ballungsgebiete und dann auch für Gesamtdeutschland, damit sich Industrie und Verbraucher darauf einstellen können.

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Mehr Platz für Radfahrer

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Im Ruhrgebiet wird die erste "Schnellstraße" für Radfahrer geplant - ein Ausnahmeprojekt. Revierstädte und der Regionalverband Ruhr planen für Berufspendler eine etwa 60 Kilometer lange "Rad-B1" von Duisburg bis Dortmund. Der Fahrrad-Highway soll möglichst wenig Steigungen haben und auch bei Nacht beleuchtet sein. Die Planer rechnen mit zwei Millionen potentiellen Nutzern. Tatsache ist, dass immer mehr Menschen vom Auto aufs E-Bike umsteigen. Doch der Straßenverkehr ist auf das wachsende Verkehrsaufkommen durch Fahrräder nicht eingestellt. Es fehlt der Platz zum Fahren auf der Straße, außerdem mangelt es an Abstellmöglichkeiten. Ende des vergangenen Jahres gab es bereits fast eine Million E-Bikes. In diesem Jahr werden schätzungsweise 300.000 neue dazukommen. Vorschlag: Verkehrsplaner müssen mehr Platz für Radfahrer schaffen, vor allem in den Städten. Auch auf dem Land werden mehr Radwege gebraucht. Vor allem neben Landstraßen und Schnellstraßen in Ballungsräumen fehlen Radwege. Außerdem: auch E-Bikes brauchen Ladestationen.

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Richtig gedämmt

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(Foto: dpa)

Die Beheizung von Gebäuden verbraucht neben dem Straßenverkehr und der Stromerzeugung die meiste Energie. Durch eine gute Isolierung, solare Gewinne und Wärmerückgewinnung lässt sich der Verbrauch laut Umweltbundesamt bei den meisten Gebäuden auf (nicht um!) zehn Prozent ihres jetzigen Bedarfs senken. Die Regierung hat 2011 ein Paket zur Wohnbausanierung auf den Weg gebracht, das noch immer im Bundesrat liegt. Ziel ist es, pro Jahr zwei bis 2,5 Prozent des Gebäudebestandes zu sanieren. Besonders hoch ist der Bedarf bei öffentlichen Gebäuden und Mietobjekten. Vorschlag: Das Programm muss endlich verabschiedet werden. Die KfW muss ihr Angebot an zinsgünstigen Krediten für Hausbesitzer aufstocken, um Eigentümer zu unterstützen.

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Autos für die Zukunft

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(Foto: Getty Images)

VW hat 2011 einen Gewinn von 16 Milliarden Euro eingefahren, das ist mehr, als so mancher Ölproduzent verdient hat. Auch andere Autohersteller verdienen blendend. Doch wie lange noch? Der Autoabsatz wird dramatisch einbrechen, wenn die Spritpreise weiter so steigen sollten. Damit ist auch die Industrie gefährdet. Vorschlag: Autohersteller müssen sich mit Bund und Ländern an einen Tisch setzen und sich auf einheitliche Technologiestandards einigen, was für den Ausbau der E-Mobil/Hybrid-Infrastruktur ein absolutes Muss ist. Gut wäre auch eine freiwillige Selbsterklärung der Industrie, dass sie künftig einen bestimmten Teil ihres Gewinns, zum Beispiel 20 oder 50 Prozent, in die Entwicklung neuer Antriebstechnologien steckt.

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Kreislaufe für Rohstoffe

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(Foto: dapd)

Etwa 20 bis 30 Prozent des Erdöls gehen in die chemische Industrie zur Herstellung von Kleidung, Spielzeug, Verpackungen, Möbel und Geräte aller Art. Vorschlag: Hier gibt es erhebliches Einsparpotential, vor allem im Bereich Verpackungen. Einfach wäre es etwa, Plastiktüten ganz aus dem Alltag zu verbannen. Das geht, wie das Beispiel des afrikanischen Landes Ruanda zeigt. Zugleich muss die Forschung für Ersatzstoffe, die umweltfreundlich und wiederverwertbar sind, ausgebaut werden. Die Industrie muss mehr Verantwortung übernehmen, etwa durch eine grundsätzliche Rücknahmepflicht für die von ihr hergestellten Waren - vom Auto bis zum Handy. Dies verbessert die Wiederverwertung von Rohstoffen und die Ressourceneffizienz.

Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen

Mit dem Zug unterwegs

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(Foto: SEYBOLDTPRESS)

Das deutsche Schienennetz schrumpft. Derzeit umfasst es etwa 34.000 Kilometer. Seit 1994 wurden nach Angaben der Deutsche Bahn AG etwa 5000 Streckenkilometer stillgelegt. Nur der kleinere Teil davon wurde an private Betreiber abgegeben. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr mehr als fünf Milliarden Euro in den Erhalt und den Ausbau des Netzes investiert, ein Drittel davon in neue Strecken. Kritiker werfen der Deutschen Bahn, Bund und Ländern vor, dass sie sich beim Streckenausbau vor allem auf teure Prestigeprojekte wie die ICE-Verbindung Nürnberg-Erfurt, Erfurt-Halle-Leipzig (acht Milliarden Euro) sowie Stuttgart 21 und die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm (7,5 Milliarden Euro) konzentrieren. Ländliche Regionen werden dagegen vernachlässigt. Viele Strecken wurden in den vergangenen Jahren aufgegeben, weil nur nach Rentabilitätsgesichtspunkten entschieden wurde. Hier geht es aber um die Grundversorgung der Bevölkerung, da müssen auch andere Kriterien gelten. Vorschlag: Der öffentliche Verkehr wird in Zukunft wichtiger sein als die individuelle Mobilität. Der Netzausbau der Schiene muss neu strukturiert werden. Der Staat muss hier wieder mehr Verantwortung übernehmen. Welche Strecken wie betrieben und ausgebaut werden, muss transparent und öffentlich diskutiert werden. Der Ausbau eines feinmaschigen Bahnnetzes muss Priorität haben. In Ballungsräumen müssen etwa S-Bahn, Bus-Netze (E-Bus) und der Einsatz moderner Informationstechniken verstärkt werden. Außerdem muss ein Schienennetz für den Güterverkehr aufgebaut werden, das möglichst unabhängig vom Personenverkehr betrieben werden kann. Ländliche Gebiete müssen in Zukunft wieder besser Anschluss finden, es können nicht alle Menschen in größeren Städten leben.

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Schluss mit der Raserei

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(Foto: dpa)

In fast allen europäischen Ländern gilt inzwischen ein Tempolimit, nur in Deutschland nicht - obwohl bekannt ist, dass der Kraftstoffverbrauch von Fahrzeugen bei hohen Geschwindigkeiten überproportional zunimmt, das gilt auch für CO2-Emissionen. Der Kraftstoffverbrauch kann also durch ein Tempolimit deutlich gesenkt werden. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, kurz OECD, hat ausgerechnet, dass ein Auto bei 90 km/h statt 110 km/h konstanter Geschwindigkeit 23 Prozent weniger Kraftstoff verbraucht. Fahren Lastzüge mit 80 statt mit 90 km/h, sinkt der Kraftstoffverbrauch ebenfalls kräftig, um etwa 20 Prozent. Untersuchungen haben außerdem gezeigt, dass mit Tempo 30 in Städten und Ortschaften nicht nur die Unfallgefahr sinkt, sondern auch das Miteinander von Radfahrern, Fußgängern und Autofahrern besser funktioniert. Vorschlag: In Deutschland wird ein allgemein gültiges Tempolimit eingeführt: Tempo 120 km/h auf Autobahnen, 80 km/h auf Landstraßen, 30 km/h in Ortschaften. Dies wäre eine Sofortmaßnahme, mit der sich der gesamte Verbrauch an Benzin und Diesel auf einen Schlag deutlich reduzieren lässt.

© SZ vom 30.4.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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