Ölkatastrophe im Golf von Mexiko:Total außer Kontrolle

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BP will offenbar 50 Milliarden Dollar auftreiben, um die Kosten der Ölkatastrophe zu begleichen. Das Unternehmen versucht eilig, Zweifel an der Finanzkraft zu zerstreuen. Derweil erreichen die Schätzungen über die im Golf austretende Ölmenge irrwitzige Höhen.

Offenbar befürchtet selbst BP mittlerweile das Schlimmste: Der britische Energiekonzern wappnet sich für die explodierenden Kosten der Ölpest im Golf von Mexiko. Laut Sunday Times will der Konzern 50 Milliarden US-Dollar eintreiben. Direktoren des Konzerns hätten dem Plan zugestimmt, um ausreichend Barreserven für mögliche Schadensforderungen zur Verfügung zu haben.

Aus dem defekten Bohrloch im Golf von Mexiko könnte nach BP-Angaben noch deutlich mehr Öl austreten als bislang angenommen. Im schlimmsten Fall müsse von bis zu 100.000 Barrel (15,9 Millionen Litern) pro Tag ausgegangen werden. (Foto: dpa)

Die Summe setzt sich dem Bericht zufolge aus drei Posten zusammen: Zehn Milliarden Dollar soll die Ausgabe einer Anleihe bringen. Zudem wolle sich BP bei den Banken um Kredite über 20 Milliarden Dollar bemühen. Weitere 20 Milliarden Dollar wolle der Ölmulti mit dem Verkauf von Vermögenswerten in den kommenden zwei Jahren erzielen. BP wollte den Bericht nicht kommentieren. Dort hatte man bislang immer wieder betont, dass der Konzern finanziell stark genug sei.

Aufsichtsratschef Carl-Henric Svanberg verwies mehrfach darauf, dass die Firma "einen außergewöhnlich soliden Kassenstand" benötige. BP hatte bereits der Zahlung von 20 Milliarden Dollar in einen Treuhandfonds für die Opfer der Ölpest zugestimmt. Analysten warnten jedoch davor, dass die Kosten der Umweltkatastrophe am Ende auf bis zu 100 Milliarden Dollar anschwellen könnten.

BP-Chef Tony Hayward plant offenbar schon eine Reise nach Russland. Er wolle dabei den russischen Präsidenten Dmitri Medwedew davon überzeugen, dass BP trotz der immensen Folgekosten nicht kollabieren werde, berichtet die Financial Times.

Dass die Lage dramatisch ist, belegen auch die neuesten Schätzungen zur austretenden Ölmenge. Aus dem defekten Bohrloch könnte nach BP-Angaben noch deutlich mehr Öl sprudeln als bislang angenommen: Im schlimmsten Fall müsse von bis zu 100.000 Barrel (15,9 Millionen Litern) pro Tag ausgegangen werden, heißt es in einem undatierten, internen BP-Dokument, das der US-Kongressabgeordnete Ed Markey am Sonntag veröffentlichte. Das wären zwei Drittel mehr als im Worst-Case-Szenario der US-Regierung, das von maximal 60.000 Barrel ausging.

Sollte das Leck tatsächlich so groß sein, wäre in den mehr als 60 Tagen seit Beginn der Katastrophe am 20. April inzwischen fast eine Milliarde Liter Öl ausgetreten. Der Großteil davon ist ins Meer geflossen und hat zur größten Umweltkatastrophe in der Geschichte der USA geführt.

BP erklärte, die Zahlen aus dem Dokument seien nicht relevant. Sie bezögen sich auf den Fall, dass das Absperr-Ventil am Bohrloch (BOP) entfernt worden wäre - was aber nicht geschehen sei.

"Das Dokument wirft die sehr beunruhigenden Fragen auf, was BP gewusst hat und wann sie es gewusst haben", teilte Markey mit. "Es ist klar, dass BP von Anfang an in Bezug auf das wirkliche Ausmaß des Öllecks nicht ehrlich mit der Regierung und dem amerikanischem Volk umgegangen ist."

Anadarko geht auf Distanz

BP geriet am Wochenende auch an anderer Stelle weiter in die Kritik. Das Partnerunternehmen Anadarko ging auf Distanz zu dem Londoner Energie-Multi und warf BP unverantwortliches Verhalten im Vorfeld der Explosion auf der Bohrinsel Deepwater Horizon vor. Anadarko-Chef James Hackett sagte, es gebe immer mehr Beweise dafür, dass die Katastrophe vermeidbar und eine direkte Folge des verantwortungslosen Verhaltens von BP gewesen sei.

Offenbar habe es sich um grobe Fahrlässigkeit und vorsätzliches Fehlverhalten gehandelt, sagte Hackett. Die Briten müssten daher für die Kosten allein aufkommen. Anadarko ist zu 25 Prozent an der Ölquelle beteiligt, der japanische Konzern Mitsui zu zehn Prozent. BP hält 65 Prozent. Bei BP ist man der Ansicht, dass sich die Partner an den Kosten der Ölpest beteiligen müssen.

Neue Kritik wurde auch an BP-Chef Tony Hayward laut, weil er sich Zeit für den Besuch einer Segelregatta vor der englischen Küste nahm. Schon kurz zuvor war Hayward bei seiner Anhörung im US-Kongress massiv angegriffen worden. Die Politiker werfen ihm vor, extreme Risiken zulasten der Sicherheit eingegangen zu sein und nun die Verantwortung für das Öl-Desaster zu scheuen.

© sueddeutsche.de/dpa/Reuters/juwe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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