Debatte um Zukunft des Schuldenlandes:Griechenland muss im Euro bleiben

Lesezeit: 3 min

Werft die Griechen aus dem Euro! Mit einem solchen simplen Schritt wollen manche Beobachter die schwerste Krise der Währungsgemeinschaft lösen. Doch richtig ist vielmehr: Ein Rauswurf Griechenlands wäre eine Katastrophe - nicht nur für Athen, sondern auch für Deutschland und den Rest Europas.

Alexander Hagelüken

So schlimm ist es gekommen mit dem Euro, dass nun die Stunde der Schwadroneure schlägt. Auf seiner rührend anmutenden Suche nach Profil bringt Wirtschaftsminister Philipp Rösler mal eben eine "geordnete" Staatspleite Griechenlands ins Spiel. Was das ist, weiß der Neu-Ökonom nicht so genau. Es gibt ein solches Modell auch gar nicht, wie er einräumt. Aber wenigstens taucht der Name Rösler auf den vorderen Zeitungsseiten auf.

Griechische Taxifahrer bei einer Demonstration gegen die Sparbeschlüsse der Athener Regierung. (Foto: REUTERS)

Da muss natürlich Horst Seehofers CSU nachlegen und den Griechen ganz klar sagen, dass sie bald aus der Währungsunion fliegen könnten - was sie als Regierungspartei in einem der 16 Bundesländer von einem der 17 Euro-Staaten gar nicht zu entscheiden hat.

Werft die Griechen aus dem Euro - das ist die simple Losung, die jetzt gern zur Lösung des schwersten Problems in der Währungsunion ausgegeben wird. Die Antwort darauf kann nur lauten: Ein Rauswurf wäre nicht nur für die Griechen ein Desaster - sondern auch für Deutschland und den Rest Europas. (Abgesehen von dem technischen Argument, dass die europäischen Verträge den Rauswurf als Option nicht vorsehen). Er wäre obendrein teurer als die mühsame Rettung.

Weil das so ist, brechen Rösler und Seehofer mit ihrer Forderung auch keine Tabus, wofür sie sich gerne loben. Vielmehr eskalieren sie lediglich. Die von ihnen angeheizten Spekulationen ließen am Montag die Aktien jener deutschen und französischen Banken abstürzen, die in Athen engagiert sind. Deutschland ist der Anker der Währungsunion. Wenn seine Politiker Chaos verbreiten, investieren Amerikaner und Chinesen ihr Geld lieber woanders.

Ein Rauswurf Griechenlands würde das Land keinesfalls sanieren, wie die Freunde dieses Vorschlags suggerieren. Ja, griechische Firmen könnten ihre Ware billiger exportieren, weil die Drachme nicht viel wert wäre. Griechische Firmen produzieren aber gar nicht so viele Dinge, die im Ausland geschätzt werden, das ist ja eines der Probleme des Landes. Die wertlose Drachme brächte also nur begrenzt Vorteile, aber einen riesigen Nachteil: Athen könnte seine in Euro gemachten Schulden niemals zurückzahlen, weil sich die Verbindlichkeiten durch die Abwertung der Drachme gegenüber dem Euro über Nacht vervielfachen würden. Das Land wäre sofort pleite.

Sobald ein Rauswurf wahrscheinlich ist, werden die Griechen ihre Banken stürmen, um ihre Euro ins Ausland zu bringen; so gingen die Geldhäuser bankrott. Wie eine Staatspleite abläuft, lässt sich an Argentinien sehen, das vor einer Dekade zusammenbrach - und bis heute an den Finanzmärkten keine Kredite bekommt. Argentinien ist aber kein Euro-Mitglied. Der absehbare Kollaps Griechenlands würde auch alle Firmen und Banken anderer EU-Staaten treffen, die dort Geschäfte machen. Und das sind einige.

Griechische Schuldenkrise in Zahlen
:Die Eurozone und ihre Sorgenkinder

Die griechische Zustimmung zum Sparpaket ist ja schön und gut - doch die wirtschaftlichen Rahmendaten sind immer noch beängstigend. Doch in Europa gibt es auch noch größere Defizitsünder als Griechenland.

in Zahlen.

Dazu kommt: Es irren sich alle, die denken, dass Deutschland nach einem Rauswurf Athens nicht mehr zahlen müsste. Vielmehr ist es kaum vorstellbar, dass die Europäische Union Milliardenhilfen verweigern würde, um das Siechtum ihres Mitglieds zu stoppen. Griechenland seinem Elend zu überlassen, würde die EU sprengen - und damit die Basis des deutschen Wohlstands zerstören.

Ein Rauswurf Athens aus dem Euro hätte Weiterungen jenseits des unmittelbaren Problemlandes: Fliegt das erste Mitglied, werden die Finanzmärkte testen, ob sich Portugal, Irland oder gar Italien aus dem Euro spekulieren lassen. Das Ende der Währungsunion aber wäre für Deutschland ein Minusgeschäft. Statt eines grenzenlosen Absatzmarktes mit 500 Millionen Kunden bekäme Deutschland eine viel zu harte Mark, die den Export bremsen und Hunderttausende Arbeitsplätze kosten würde. Auch dafür gibt es historische Beispiele: Als 1992 Pfund und Lira aus dem europäischen Währungssystem fielen und die Mark mehr wert wurde, bezahlten das deutsche Mittelständler und Arbeitnehmer teuer.

Bisher also ist der Rauswurf keine Option. Es bleibt nur die mühsame Rettung. Niemand sollte dabei vergessen, dass die Euro-Staaten Griechenland keineswegs Hunderte Milliarden Euro geschenkt, sondern Kredite vergeben haben. Das Geld kommt mit Zinsen zurück, wenn die Sanierung des Landes gelingt. Die Euro-Regierungen sollten den Märkten klarmachen, dass sie Griechenland flüssig halten, bis es wieder kreditfähig ist. Eine solche Position wirkt nur glaubwürdig, wenn die Politiker vor allem in Deutschland Ruhe und Vernunft bewahren.

Damit das Land durch eigene Wirtschaftskraft von seinen Schulden herunterkommt, braucht es Entlastung. Ein mutigerer Schuldenerlass ist unverzichtbar; das Geld, auf das auch EU-Steuerzahler verzichten müssen, ist aber gut angelegt, wenn das Land wieder auf die Beine kommt.

Was die Griechen betrifft: Sie können keine Milde beanspruchen. Sie müssen endlich die Vorgaben der Helfer erfüllen, obwohl das einen Verzicht an Souveränität bedeutet.

Die Botschaft an die Griechen gilt für alle Euro-Länder: Wer in die Verschuldung schlittert, kann künftig nicht mehr allein über die Politik seines Landes entscheiden, sondern muss Beschlüsse aus Brüssel umsetzen. Die Währungsunion braucht mehr politische Union, wenn sie überleben soll.

© SZ vom 13.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Historische Staatspleiten
:Wenn dem Staat das Geld ausgeht

Griechenland belasten rund 350 Milliarden Euro Schulden, Hellas droht der Staatsbankrott. In der Historie gab es schon so manche Pleite - unter anderem wegen kriegslüsterner Könige, gieriger Spekulanten und zu vielen Korinthen. Ein Blick in die Geschichte der Staatsbankrotte von 1340 bis heute.

Mario Lochner

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: