Kritik an Klinsmann, Völler & Co.:Lahm verletzt die alten Herrscher

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Rudi Völler empört sich über Philipp Lahms Buch, weil er es als Mann der alten Schule nicht duldet, wenn Internes ausgeplaudert wird. Dabei sind Lahms Äußerungen über die Defizite seiner ehemaligen Trainer und Mitspieler keine Enthüllungen, sondern längst bekannte Tatsachen.

Philipp Selldorf

Die Schauspielerin Ruth Maria Kubitschek, die kürzlich 80 Jahre alt wurde, hat schon viele Bücher geschrieben, ihr jüngster Roman handelt von einer Frau, die zwei Brüder liebt. Sie hat auch schon an ihren Memoiren gearbeitet, aber dann hat sie es bleiben lassen. Sie fühle sich "noch zu jung", um ihre Erinnerungen aufzuschreiben, sagte sie.

Dezente Meinungsverschiedenheiten: Rudi Völler und Philipp Lahm werden wohl nicht so bald gemeinsam ein Buch schreiben.  (Foto: dapd)

Es gibt Leute im Fußball, die sich wünschten, dass Philipp Lahm zur gleichen Einsicht gelangt wäre, als er mit der Hilfe eines österreichischen Journalisten daran ging, seine Biographie zu verfassen. Aber Lahm hat seinen Plan verwirklicht, und der Effekt ist jetzt der, dass Autoritäten wie Ottmar Hitzfeld und Rudi Völler sein Werk zerreißen, noch bevor es in den Handel gelangt ist.

Völler hat das Buch, das den eher plätschernden Titel "Der feine Unterschied" trägt, zwar nicht gelesen, aber er kennt die Auszüge, die Bild gedruckt hat. Sie genügen dem Leverkusener Sportdirektor zu einer furiosen Vernichtung von Werk und Autor: "Frechheit ohnegleichen", "erbärmlich und schäbig", "auf dem Platz Weltklasse, außerhalb Kreisklasse" - kein Marcel Reich-Ranicki hätte es schöner sagen können.

Lahm beteuert, sein Buch sei keineswegs eine "Abrechnung", wie es der Medienpartner Bild auf der Titelseite vermeldete. Doch Lahms Problem mit den Kritikern aus der Fußballszene beruht nicht auf der falschen Partnerwahl. Er hat herrschende Gepflogenheiten verletzt, als er die Arbeit seiner früheren Bayern-Trainer Felix Magath, Jürgen Klinsmann und Louis van Gaal sezierte und - nicht ohne Polemik - für untauglich befand.

Auch Völler war verständlicherweise nicht angenehm berührt, als er lesen musste, dass Lahm seine Methoden als DFB-Teamchef bestenfalls "lustig" fand, ansonsten "völlig unsystematisch". Die Berichte über den Zustand des Nationalteams in den Zeiten der EM 2008 ("ein zerstrittener Haufen", "Schräglage in der Mannschaft") haben womöglich auch den aktuellen Bundestrainer nicht erfreut. Joachim Löw, der Konflikte nicht schätzt, dürfte es sehen wie Ottmar Hitzfeld: "Als aktueller Nationalspieler sollte man sich ein wenig zurückhalten."

Völler ist ein Mann der alten Schule, er meint, dass Lahm gegen ein Gesetz der Branche verstoßen hat: das Gesetz des Schweigens. Die Kabinentür zu öffnen, und sei es nur - wie Lahm es getan hat - einen Spalt breit, ist für ihn ein Kulturbruch. In Wahrheit ist es aber keine Enthüllung, wenn Lahm bekanntmacht, dass Klinsmann bei den Bayern keine Taktik lehrte, Magath die Spieler zu sehr unter Druck setzte, und Völler die Mannschaft eher stimulierte als programmatisch unterrichtete.

Das wiederum bedeutet, dass Lahm mit seinen Memoiren durchaus noch hätte warten können, muss ja nicht bis zum 80. Lebensjahr sein.

© SZ vom 25.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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