0:3 in Barcelona:Bayern klappt zusammen

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Im Rückspiel muss Bayern eine 0:3-Niederlage aufholen, das gefällt Xabi Alonso nicht. (Foto: AP)
  • Der FC Bayern verliert beim FC Barcelona mit 3:0 und steht damit womöglich vor dem Aus im Champions-League-Halbfinale.
  • Bis zur 77. Minute kassieren die Münchner kein Gegentor, dann schlägt Lionel Messi zweifach zu.
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Wie kann man Lionel Messi stoppen? Gar nicht, das hatte Pep Guardiola schon vor dem Anpfiff geahnt. Ach was: Gewusst hatte er es - der katalanische Coach des FC Bayern ist ja quasi der Erfinder des kleinen Alleskönners in Diensten des FC Barcelonas gewesen, wie Ziehvater und Ziehsohn waren die beiden. Messi also? "Nicht zu kontrollieren", "nicht zu stoppen", hatte Guardiola am Tag vor dem Spiel zugegeben. "Man kann nur versuchen, ihn nicht an den Ball zu lassen."

Eineinviertel Stunden war das den Spielern des FC Bayern München ganz ordentlich gelungen im Halbfinal-Hinspiel der Champions League am Mittwochabend im Camp Nou. Natürlich: Messi war oft am Ball. Aber er tat keine Wunderdinge damit. Und dafür, dass hier ja in der Wahrnehmung vieler eine Münchner Versehrtenauswahl gegen das gefährlichste Barça seit Jahren antreten musste, war schon das eine kleine Sensation.

Schwarze Maske auf dem Feld, Götze auf der Bank

Aber dann: kam Messi an den Ball, war nicht zu kontrollieren, war nicht zu stoppen, schoss zwei Tore innerhalb von vier Minuten. Und weil dann auch noch Neymar in der Nachspielzeit traf, gehen die Münchner nun mit einem 0:3-Rückstand ins Rückspiel am kommenden Dienstag. Das Finale, das am 6. Juni in Berlin stattfindet - es ist für sie in weite Ferne gerückt. "Das ist sehr ärgerlich", kommentierte Thomas Müller, "aber jetzt müssen wir zusammenstehen und schauen, dass wir uns nicht gegenseitig den schwarzen Peter zuschieben." Denn am Ende war es weniger die kollektive Unterlegenheit der Münchner, die das Spiel entschied, eher individuelle Fehler und Unaufmerksamkeiten in der letzten Viertelstunde. Und eben Messi. Pep Guardiola sagte: "Wir waren lange gut unterwegs, aber dann hat Messi wieder sein Talent gezeigt."

Zwei Fragen waren bis zur Veröffentlichung der Aufstellungen offen geblieben; die erste: Würde Robert Lewandowski mitwirken, trotz frisch gebrochener Nase und frisch gebrochenen Kiefers? Und tatsächlich: Der polnische Nationalstürmer stand mit schwarzer Maske auf dem Feld. Und die zweite Frage: Würde Mario Götze von Anfang an mitwirken, trotz keinerlei gebrochener Körperteile? Götze saß zunächst nur auf der Bank. Was darauf hindeutet, dass der Beziehung zwischen dem Mann, der Deutschland in Brasilien zum WM-Titel schoss, und seinem Klub womöglich noch ein paar Frakturen bevorstehen, zum Beispiel ein paar gebrochene Herzen.

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Aber dass Guardiola eher auf Mentalität als auf feine Füße setzen würde, war ja ebenfalls zu erwarten gewesen - die alten, schlachterprobten Recken Bastian Schweinsteiger, 30, und Xabi Alonso, 33, bildeten die Mittelfeldzentrale. Überraschend war hingegen, dass Rechtsverteidiger Rafinha zunächst als Linksverteidiger in einer Dreierkette agierte; Guardiolas Plan war es offenbar, Barças Taktgeber Messi (1,69 Meter) von zwei phänotypischen Kopien beschatten zu lassen: von Rafinha (1,72) und Juan Bernat (ebenfalls 1,72). Ein Plan, den der Bayern-Coach allerdings recht bald wieder verwerfen sollte.

Und dann war da natürlich noch diese dritte Frage gewesen: Würde Guardiola im Camp Nou, wo sich, wie er vorgerechnet hatte "30 Jahre lang mein komplettes Leben abgespielt hat", vor Ergriffenheit die Fassung verlieren? Nun, er tat zumindest alles, damit es nicht so weit kommt. Erst nach der Champions-League-Hymne huschte er unter das Dach jener Trainerbank, unter dem früher immer die anderen saßen. Und danach sagte er, was zu sagen war: dass es hier ja nicht um ihn gehe, und dass "Niederlagen immer weh tun", egal ob in Barcelona oder anderswo. Er sei ja lediglich in seine Heimatstadt zurückgekehrt, "um meine Arbeit zu tun".

Es war dann überhaupt sehr viel Arbeit zu tun. Bälle wegschlagen, Gegner abräumen, Füße in Passwege stellen - die Bayern, deren Selbstverständnis es ist, das Spiel zu machen, wurden von Beginn an in die eigene Hälfte gedrängt. In der 4. Minute drang der Barça-Stürmer Luis Suárez das erste Mal gefährlich in den Bayern-Strafraum ein, Boateng setzte zum Rempler an - kein Elfmeter. Suárez ärgerte sich furchterregend, aber niemand kam zu Schaden, auch nicht durch Bissverletzungen.

Für die Münchner blieb es in der ersten Halbzeit bei einer guten Gelegenheit: Müller zog drei Gegner auf sich und bediente den freien Lewandowski - dessen Ball rollte aber am Tor des deutschen Barça-Keepers ter Stegen vorbei (18.).

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Zu diesem Zeitpunkt hätten die Gastgeber eigentlich schon führen müssen - Manuel Neuer musste mit dem Fuß gegen den frei heranstürmenden Suárez klären (12.). Für Guardiola war das der Anlass, die Taktik zu ändern: Nach 14 Minuten hielt er vier Finger in die Luft - Umstellen auf Viererkette, Rafinha wechselte nach rechts. Um ein Haar hätte Neymar ausgerechnet diese Phase des Umsortierens zur Führung genutzt - doch seinen Versuch konnte Rafinha zur Ecke klären (15.).

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Nun kamen die Bayern besser ins Spiel, was aber nur bedeutete, dass sie noch konsequenter die Bälle wegschlugen, die Gegner abräumten und ihre Füße in Passwege stellten. Insbesondere den Innenverteidigern Boateng und Benatia gelang das mit fast furchterregender Konsequenz. Das Problem war nur, dass kaum ein Teamkollege mal durch eigene Vorstöße für Entlastung sorgte.

"Ballbesitz", hatte Guardiola als Taktik ausgegeben, gegen Barça könne man nur verteidigen, wenn man ihnen "den Ball wegnimmt". Und den Ball hatten die Bayern durchaus. Sie machten nur nichts draus. Vor allem von Thiago war kaum etwas zu sehen. Und so blieben die Münchner abhängig von ihrem Torhüter: Erst rettete Neuer spektakulär gegen Dani Alves (39.). Und in der zweiten Halbzeit, in der die Bayern nun engagierter den Weg nach vorne suchten, dadurch aber hinten anfälliger wurden, klärte er mit einem Libero-Ausflug gegen Neymar (61.). Jener Szene in der 77. Minute, in der Messi erstmals nicht zu stoppen war, ging eine der wenigen Münchner Drang-Phasen voraus - schneller Abwurf von Neuer, Ballverlust Bernat, Schuss Messi, 1:0.

Kurz darauf verlud Messi dann tatsächlich die Abwehrsäule Boateng (80.) - ein Haken, ein hübscher Lupfer, 2:0 (80.). Noch nie hatte Neuer zuvor von Messi ein Tor kassiert - nun waren es also gleich zwei. Dass dann auch noch Neymar einen letzten Konter zum 3:0 abschloss, sorgte schließlich für die mutmaßliche Entscheidung.

© SZ vom 07.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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