US-Demokratin Nancy Pelosi:Hassfigur für Trump-Anhänger

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Mächtig, erfolgreich - und unbeliebt: Demokratin Nancy Pelosi. (Foto: AFP)
  • Nancy Pelosi vereint all das, womit sich bei Trumps Wählerschaft Stimmung machen lässt: Sie ist liberal, gehört dem politischen Establishment an und sie ist eine Frau mit enormem Einfluss.
  • Als Minderheitsführerin im Repräsentantenhaus schafft es die 78-Jährige, Trump Zugeständnisse abzuringen.
  • Trotzdem hat die Demokratin auch in ihrer eigenen Partei Kritiker: Sie glauben, mit Pelosi ließen sich keine Wahlen gewinnen.

Von Johanna Bruckner, New York

Als Nancy Pelosi im Februar vor dem amerikanischen Repräsentantenhaus eine historische Dauerrede hielt, wiesen ihre Mitarbeiter Reporter auf ein Detail hin. Die damals 77-Jährige stand die vollen acht Stunden auf Zehn-Zentimeter-Absätzen hinter dem Rednerpult. Sie setzte sich für die Belange der "Dreamer" ein, junge Einwanderer, die als Kinder illegal in die USA kamen und denen mit Auslaufen des Daca-Programms eine ungewisse Zukunft bevorsteht. Normalerweise ist die Redezeit im Repräsentantenhaus beschränkt, Pelosi spielte ein demokratisches Privileg aus, das ihr als Minority Leader zusteht, also Minderheitsführerin der demokratischen Opposition.

Acht Stunden, zehn Zentimeter, 77 Jahre. Das ist in Worten: eine Kampfansage an den politischen Gegner. Im November stehen die sogenannten Midterms an, dann wollen sich die Demokraten zumindest die Mehrheit im Abgeordnetenhaus zurückholen. Pelosi, mittlerweile 78, wird sie wohl in die Schlacht führen. Nach der Wahlniederlage von Hillary Clinton 2016 habe sie eigentlich aufhören wollen, sagte sie jüngst auf einer Parteiveranstaltung. Aber: Washington brauche zumindest eine mächtige Frau.

US-Repräsentantenhaus
:Demokratin Pelosi hält achtstündige Rekord-Rede für junge Einwanderer

Die Politikerin fordert ein neues Einwanderungsgesetz. Im Haushaltsentwurf, auf den sich der Senat verständigt hat, kommt ein solches Gesetz allerdings nicht vor. Die Demokraten müssen sich auf mündliche Zusagen der Republikaner verlassen.

Nancy Pelosi war 47, als sie sich das erste Mal um ein politisches Amt bewarb. Erst als das letzte ihrer fünf Kinder das College besuchte, startete sie ihre Karriere. Pelosis allererster Wahlkampf in ihrer Heimat San Francisco dauerte nur 60 Tage, sie besuchte 120 Haus-Partys und sammelte eine Million Dollar an Wahlspenden ein. Mit Erfolg: Seit 1987 sitzt sie ununterbrochen für den zwölften Distrikt in Kalifornien im Kongress. 2002 wurde Pelosi erstmals Minderheitsführerin im Repräsentantenhaus. Als erste Frau überhaupt. Als ihre Partei bei den Midterms 2006 dann die Mehrheit im Repräsentantenhaus zurückgewann, wurde Pelosi zum Speaker of the House gewählt - abermals war sie die erste Frau, die diese Position innehatte. Hinter dem damaligen Präsidenten Bush und dessen Vize Cheney bekleidete sie damit das drittwichtigste Amt im Staat.

Dass Pelosis Mitarbeiter Reporter am Rande der "Dreamer"-Rede auf die Sache mit den High Heels aufmerksam machten, war also keine oberflächliche Randnotiz. Es war ein ehrfürchtiger Hinweis auf die Willensstärke und Unbeirrbarkeit der Chefin.

Unter Trump muss Pelosi mehr denn je als kollektive Hassfigur herhalten

Nancy Pelosi ist seit Jahren das Lieblingsfeindbild der Republikaner, die sie als "dämonische Großmutter" verunglimpfen (Pelosi hat neun Enkel). Nach dem Platzen der Immobilienblase in den USA gab es Wahlplakate, die sie als überlebensgroßes Monster darstellten, das mit seinen riesigen Regierungsfüßen Häuser zertrampelt. Seit Donald Trump Präsident ist, muss Pelosi mehr denn je als kollektive Hassfigur herhalten.

Ein Beispiel aus dem vergangenen Sommer: In Georgia stand der Sitz des Republikaners Tom Price zur Disposition, Trump hatte den Abgeordneten als Gesundheitsminister nominiert (Price gab den Posten nach einem Skandal um exorbitante Reisekosten wieder ab). Als der Demokrat Jon Ossoff in Umfragen überraschend gut abschnitt, lancierten die in Georgia traditionell siegesgewissen Republikaner eine Defamierungskampagne. Ihr Hebel: Nancy Pelosi. Ossoff wurde als "Pelosis Jasager" porträtiert, als Marionette der Parteispitze in Washington. Fünf Millionen Dollar gaben die Republikaner aus. Am Ende gewann die republikanische Kandidatin knapp gegen den Demokraten Ossoff.

Die 78-jährige Pelosi vereint all das, womit sich bei Trumps Wählerschaft Stimmung machen lässt: Sie ist liberal, aus San Francisco (für Erzkonservative der Sündenpfuhl Amerikas), gehört dem politischen Establishment an. Und sie ist eine Frau, mehr noch, sie ist die mächtigste Frau, die Amerika derzeit hat.

An die Anfeindungen von republikanischer Seite dürfte sich die Demokratin inzwischen gewöhnt haben - ein rauer Umgangston ist in den USA nicht nur im Präsidentschaftswahlkampf gang und gäbe. Doch Pelosi hat mittlerweile auch innerhalb ihrer eigenen Partei ein Imageproblem.

Demokraten wie Kathleen Rice, Abgeordnete aus New York, bestreiten nicht, dass Pelosi gut ist. Ein legislatives Genie, eine exzellente Verhandlerin, die es auch unter Trump schafft, demokratische Anliegen in Gesetze einzubringen, wie jüngst im Rahmen des Haushaltsdeals (eine Regelung für die "Dreamer" schaffte es allerdings nicht ins Paket). Eine erfahrene Fraktionschefin, die ihre Leute besser im Griff hat als der republikanische Mehrheitsführer Paul Ryan. Wenn Pelosi Stimmen verspricht, liefert sie. Wenn sie mit Gegenstimmen droht, hat sie auch die sicher. Pelosi ist ein Hauptgrund dafür, dass Trump eines seiner größten Wahlversprechen nicht einlösen konnten: die Abschaffung von Obamacare. Nicht zuletzt ist Pelosi eine unermüdliche Spendensammlerin - mehr als 500 Millionen Dollar hat sie seit 2002 für die Demokraten akquiriert.

Pelosi-Kritiker wie Kathleen Rice sehen ihre Verdienste. Aber sie sehen in Pelosi auch: Wahlgift.

"Die republikanische Strategie der vergangenen vier Wahlperioden war sehr fokussiert, sehr klar: Es war ein Angriff auf unsere Vorsitzende", sagt Rice. "Ist das fair? Nein. Ist an den Attacken etwas dran? Nein. Aber raten Sie mal? Sie erzielen den gewünschten Effekt. Die Republikaner gewinnen und wir verlieren."

Pelosi hat das gleiche Problem wie Hillary Clinton: Sie ist eine Frau

Die Abgeordnete aus New York ist nicht das einzige Parteimitglied, das so denkt. Nach dem Ossoff-Debakel sind demokratische Kandidaten vorsichtig geworden, wenn es darum geht, sich öffentlich mit Pelosi zu zeigen. Die Schmutzkampagnen der Gegenseite haben Pelosi nicht nur bei der republikanischen Wählerschaft unbeliebt gemacht - auch das unentschiedene Klientel könnte von Pelosi abgeschreckt werden, befürchten manche Parteikollegen.

Aber sind wirklich allein die Republikaner verantwortlich für Pelosis mangelnde Popularität? Es gibt Zahlen, die nahelegen: Pelosi hat das gleiche Problem, das Hillary Clinton im Präsidentschaftswahlkampf hatte. Sie hat ein Problem, weil sie eine Frau ist. Pelosis Konterpart, Mehrheitsführer Paul Ryan, ist genauso unbeliebt wie Pelosi. Etwa jeder fünfte Amerikaner lehnt die beiden Politiker dem Atlantic zufolge ab. Aber: Ryans Wert decke sich etwa mit der Ablehnung, die seiner Partei entgegengebracht werde. Pelosi aber sei fast doppelt so unbeliebt wie die Demokratische Partei insgesamt.

2010 wiesen zwei Wissenschaftlerinnen der Uni Yale nach: Bewirbt man einen männlichen Politiker mit den Attributen "ehrgeizig" und "willensstark", steigen seine Zustimmungswerte. Assoziiert man die gleichen Charaktereigenschaften mit einer Politikerin, sorgt das für moralische Entrüstung. Pelosi, das schreiben politische Beobachter, habe sich trotz drei Jahrzehnten in Washington ihren Idealismus bewahrt. Sie setzte sich früh und leidenschaftlich für die Rechte von Lesben und Schwulen ein. Sie befürwortet liberale Abtreibungsgesetze und strenge Waffengesetze. Aber: Pelosi ist auch eine knallharte Pragmatikerin.

Ihren Leitsatz hat sie von ihrem Vater übernommen, der zwölf Jahre lang Bürgermeister in Baltimore war: "Practicality is more important than ideology." Was frei übersetzt so viel heißt wie: Zweckmäßigkeit vor Ideologie. Auch wenn Pelosi dem linken Flügel ihrer Partei angehört - die Herzen der Bernie-Sanders-Anhänger gewinnt man als Realpolitikerin eher nicht.

1990 bewarb sich Pelosis Freundin, die heutige kalifornische Senatorin Dianne Feinstein, als demokratische Spitzenkandidatin für das Gouverneursamt. Sie war die einzige Kandidatin im Rennen, die sich für die Todesstrafe aussprach. Eine Position, mit der man sich in der Demokratischen Partei keine Freunde macht. Doch Pelosi, selbst eine entschiedene Gegnerin der Todesstrafe, ermutigte Feinstein, ihr inhaltliches Alleinstellungsmerkmal selbstbewusst zu vertreten. Auch intern. Am Ende gewannt Feinstein den innerdemokratischen Vorentscheid klar und musste sich in der General Election nur knapp ihrem republikanischen Kontrahenten geschlagen geben.

Müsste Pelosi nicht zurücktreten?

Doch was bedeutet dieses pragmatische Politikverständnis für Pelosis eigene Zukunft? Müsste sie nicht zurücktreten, wenn sie merkt, dass sie dem Erfolg ihrer eigenen Partei im Weg steht? "Ich denke, ich bin die Scherereien wert", sagte sie nach der Ossoff-Niederlage im vergangenen Sommer. Der New York Times erklärte sie: "Alle wünschen sich Führungspersönlichkeiten, aber nicht viele Leute wollen sich führen lassen."

Manchen demokratischen Kritiker konnte Pelosi inzwischen überzeugen, dass sie nach wie vor, vielleicht mehr denn je gebraucht wird. Sean Maloney, Abgeordneter aus New York, gehörte nach der verlorenen Präsidentschaftswahl noch zu einer Gruppe, die versuchte, gegen Pelosi zu rebellieren. Heute sagt er: "Ich weiß nicht, was die Zukunft bringt. Was ich weiß, ist: Sie ist jetzt im Moment unsere Anführerin und sie tritt Trump in den Hintern."

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