US-Repräsentantenhaus:Demokratin Pelosi hält achtstündige Rekord-Rede für junge Einwanderer

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Die Demokratin Nany Pelosi, 77, hat mit mehr als acht Stunden die längste Rede im US-Repräsentantenhaus seit mindestens 1909 gehalten. (Foto: REUTERS)
  • Pelosi fordert von den Republikanern die Zusicherung, dass im Repräsentantenhaus über ein Einwanderungsgesetz verhandelt wird.
  • Während ihres Rede-Marathons liest sie Briefe von jungen Migranten vor, denen mit Auslaufen des Daca-Programms die Abschiebung droht, sollte es bis dahin keine Alternative geben.
  • Im Senat einigen sich Republikaner und Demokraten am Mittwoch auf ein Haushaltspaket für die kommenden zwei Jahre - ein neues Einwanderungsgesetz ist darin allerdings nicht vorgesehen.

Um kurz vor acht am Mittwochmorgen ruft Nancy Pelosi enge Mitarbeiter mit einer Bitte an: Sie mögen eine Rundmail rausschicken mit dem Aufruf, Geschichten von "Dreamern" und ausgewählte Bibelverse einzuschicken. Pelosi ist da noch auf dem Weg zur Arbeit. Um exakt 10.04 Uhr beginnt sie ihre Rede vor dem Kongress, sie hat einen Plan. Pelosi darf als Minderheitsführerin - Fraktionschefin - der Demokraten im Repräsentantenhaus so lange sprechen, wie sie möchte - sie will versuchen, es so lange zu tun, wie es ihr möglich ist.

Zwar ist ein "Filibuster" - also eine lange Rede am Stück, um eine Abstimmung hinauszuzögern oder ganz zu verhindern - nur im Senat möglich. Doch die Chefin der demokratischen Minderheit im Repräsentantenhaus möchte mit ihrem Marathon die Republikaner unter Druck setzen, ein Einwanderungsgesetz auf den Weg zu bringen, das den sogenannten Dreamern langfristig Schutz vor Abschiebung gewährt. Pelosis Befürchtung: Republikaner und Demokraten im Senat könnten sich auf einen Haushaltplan einigen, der ein solches Gesetz nicht explizit vorsieht. Nur um einen weiteren "Shutdown" zu verhindern.

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Also beginnt die 77-Jährige zu erzählen, und sie erzählt und erzählt. Geschichten wie die des jungen Einwanderers Al Okere, der in die USA kam, nachdem die nigerianische Polizei seinen Vater umgebracht hatte, weil dieser sich in einem Zeitungsartikel kritisch über die Regierung geäußert hatte. Gegen 15 Uhr erkundigt sich Pelosi, was für heute noch auf der Agenda stehe und warnt: "Ich habe nicht vor, aufzugeben." Als ihr die Geschichten ausgehen, geht sie dazu über, Bibelverse vorzulesen. Scherzhaft bedauert Pelosi, dass sie nicht daran gedacht habe, ihren Rosenkranz mitzubringen. Daraufhin reicht ihr die demokratische Kollegin Rosa DeLauro ihren eigenen Rosenkranz ans Rednerpult. Unterbrechen darf Pelosi nicht, auch nicht, um zur Toilette zu gehen.

Während Pelosi spricht, einigt sich der Senat auf ein Haushaltspaket

Während Pelosi spricht, tritt das ein, was die Demokratin befürchtet hatte: Im Senat verständigen sich Demokraten und Republikaner auf ein Haushaltspaket für die kommenden zwei Jahre. Dieses sieht aber keine Gesetzgebung zum Thema Einwanderung vor. Dafür einen deutlichen Anstieg unter anderem der Ausgaben für Verteidigung. Präsident Donald Trump zeigt sich auf Twitter erfreut: Die Einigung sei wichtig für die Streitkräfte. Republikaner und Demokraten müssten das Gesetz unterstützen.

Beide Parteien hatten über Monate über das Budget gestritten und mehrfach Übergangsfinanzierungen verabschiedet, damit der Regierung nicht das Geld ausgeht. Am Donnerstagabend läuft eine weitere Frist aus, bis zu der der Kongress ein Haushaltsgesetz durchbringen muss.

Der jetzt im Senat ausgehandelte Kompromiss soll in eine Vorlage des Repräsentantenhauses eingearbeitet werden und geht dann noch einmal dorthin zurück. Beide Kammern müssen einen identischen Entwurf verabschieden. Die Republikaner haben dort zwar eine komfortable Mehrheit - doch vorher könnte es zum offenen Schlagabtausch kommmen.

Zwar hat der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, den Demokraten zugesagt, dass sich der Senat in einem eigenen Gesetzentwurf mit dem Daca-Programm beschäftigen werde. Doch Pelosi und anderen Demokraten reicht das nicht. Sie fordern eine ähnliche Zusicherung von Paul Ryan, dem republikanischen Sprecher des Repräsentantenhauses. Andernfalls werde sie dem Haushaltspaket nicht zustimmen, droht Pelosi. Neben dem Konflikt mit den Demokraten in der "Dreamer"-Frage droht den Republikanern eine Debatte in den eigenen Reihen: Der Freedom Caucus, eine ultrakonservative Gruppierung innerhalb der republikanischen Fraktion im Repräsentantenhaus, ist zwar für einen hohen Verteidigungsetat, pocht aber in anderen Bereichen auf eine strikte Deckelung der Ausgaben.

Als "Dreamer" werden Menschen bezeichnet, die als unter 16-Jährige größtenteils aus Lateinamerika illegal in die USA gebracht wurden. Trumps Vorgänger Barack Obama hatte mit einem Dekret das Daca-Programm ins Leben gerufen, das diese Menschen vor Abschiebung schützt und ihnen eine Arbeitserlaubnis gibt. Derzeit stehen noch etwa 700 000 Menschen unter dem Schutz von Daca. Trump hatte das Programm im Herbst von seinem Justizminister Jeff Sessions mit Wirkung zum März dieses Jahres beenden lassen. Zuletzt hatte der Präsident den Demokraten das Angebot gemacht, bis zu 1,8 Millionen jungen Migranten eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis zu geben - allerdings besteht er im Gegenzug unter anderem auf einem seiner kontroversesten Wahlversprechen: einer Mauer zum Nachbarn Mexiko.

Acht Stunden auf Zehn-Zentimeter-Absätzen

Nancy Pelosi ist am Mittwoch nicht allein mit ihrem Protest. Vor dem Kapitol fordern Dutzende Dreamer ein Gesetz, dass ihnen eine Zukunft in den USA sichert. Um 18.11 beendet Pelosi schließlich ihren Rede-Marathon unter dem Applaus von Parteikollegen. Mit acht Stunden und sieben Minuten hat sie die längste Rede im Repräsentantenhaus seit mindestens 1909 gehalten. (Und das über Stunden in Pumps mit Zehn-Zentimeter-Absätzen, wie Mitarbeiter berichten.) Ob ihre Bemühungen auch auf Paul Ryan und die Republikaner Eindruck gemacht haben, bleibt abzuwarten.

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