Ursula von der Leyen unter Druck:In eigener Sache

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Die Verteidigungsministerin verschafft sich Luft in der Affäre um rechtsextreme Umtriebe in der Bundeswehr: Ihre harte Kritik an der Truppe tue ihr leid, sagt sie. Und entspannt damit auch ihr Verhältnis zur CDU.

Von Christoph Hickmann und Robert Roßmann, Berlin

Die Soldaten leisten "einen unverzichtbaren Dienst für Deutschland" - das sagt Ursula von der Leyen jetzt. (Foto: Maurizio Gambarini/dpa)

Es war an einem Vormittag im Februar 2016, als ein Soldat der Bundeswehr einen erschreckenden Einblick in seine Gedankenwelt offenbarte. Er riet einem anderen Soldaten, Hitlers "Mein Kampf" zu lesen, "um zu verstehen, wie das System Bundeswehr und Bundesrepublik funktionieren würden" - so hat es das Verteidigungsministerium auf Anfrage der Linken-Bundestagsfraktion in seiner Zusammenfassung der "Rechtsextremen Vorkommnisse in der Bundeswehr im Jahr 2016" formuliert. Außerdem äußerte der Soldat demnach, "dass unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel jüdischen Glaubens wäre". Und er forderte seinen Kameraden "energisch auf, darüber nachzudenken, ob das für ihn nicht auch alles im Zusammenhang stünde und dem einzigen Ziel dienen würde, ,die deutsche Rasse zu kastrieren'".

Der Fall ist einer jener 63 Vorfälle, die der Wehrbeauftragte in seinem Bericht über das Jahr 2016 unter der Rubrik "Extremismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit" erwähnt. Der Militärische Abschirmdienst (MAD) wiederum bearbeitet derzeit 280 Verdachtsfälle aus dem Bereich Rechtsextremismus. Das Phänomen hat es in der Truppe immer gegeben - doch seit eineinhalb Wochen, seit der Festnahme eines terrorverdächtigen Oberleutnants, dessen rechtsextremistische Gesinnung bereits vor Jahren hätte auffallen müssen, steht es wieder im Blickpunkt.

Von der Leyen hatte der Bundeswehr pauschal ein "Haltungsproblem" attestiert

Um den Inhaftierten herum gab es offenbar eine Gruppe von Soldaten, die seine Gesinnung teilten. Doch auch hier gibt es noch viele offene Fragen - etwa danach, wie fest die Verbindungen waren und was genau die Soldaten miteinander teilten. Ebenso offen ist bislang die Frage, was genau der inhaftierte Oberleutnant eigentlich unternehmen wollte. Seit Donnerstag ist bekannt, dass der Großteil jener Munition, die bei einem ebenfalls inhaftierten mutmaßlichen Komplizen gefunden wurde, von der Bundeswehr stammt, gut 1000 Schuss. Und es gibt, neben einer Liste mit möglichen Anschlagszielen, die Zeugenaussage eines Soldaten aus einem Panzergrenadierbataillon in Augustdorf. Er gibt an, ein Offizier der Einheit habe sich wiederholt fremdenfeindlich geäußert und angegeben, dass er von einer Gruppe von Soldaten wisse, die Waffen und Munition beiseiteschaffen würden, um im Fall eines Bürgerkriegs auf der vermeintlich richtigen Seite zu kämpfen. Hierbei bezog er sich auf den Standort Illkirch. Aus Ermittlerkreisen verlautet zudem, dass bei dem festgenommenen Oberleutnant einschlägige Literatur gefunden wurde, mit Titeln wie "Der totale Widerstand". Aber gegen wen und was eigentlich genau?

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Die Führung der Union blieb im Bundeswehr-Skandal auffällig stumm. Von der Leyens Entschuldigung ist deshalb nicht nur eine Verneigung vor den Generälen - sondern auch ein Kotau vor der CDU.

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Ebenfalls im Blickpunkt steht Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), die der Bundeswehr zunächst pauschal ein "Haltungsproblem" und "Führungsschwäche" attestierte - eine Aussage, die sie seither mehrfach relativiert hat. Zugleich gibt sie nun die Kämpferin gegen rechtsextreme Umtriebe in der Truppe.

Am Freitag erklärte sie, das Thema bislang unterschätzt zu haben. "Die drastisch verschärfte Sicherheitslage von der Krim über den IS bis Mali und die großen Reformen der Legislatur beim Personal, im Rüstungsbereich, bei den Finanzen, bei Cyber haben von Tag eins an viel Kraft und Aufmerksamkeit gekostet", sagte sie dem Spiegel. "Heute wünsche ich mir, wir hätten uns ebenso früh und systematisch um verdeckte rechtsextreme Tendenzen gekümmert." Am Tag zuvor hatte sie in einer Versammlung von etwa 100 Spitzenkräften der Bundeswehr bereits Abbitte für ihre Pauschalaussagen geleistet: Die Soldaten und zivilen Beschäftigten leisteten "einen unverzichtbaren Dienst" für Deutschland, sagte sie laut Teilnehmern. Sie wünschte, sie hätte diese Sätze am Wochenende zuvor in ihrem umstrittenen Interview vorweg geschickt. Es tue ihr leid, dass sie dies nicht getan habe. Das bedaure sie.

Für die Generäle genügte das offenbar - über offen geäußerten Unmut in der Veranstaltung am Donnerstag wurde zunächst nichts bekannt. Auch in ihrer Partei verschaffte von der Leyen sich mit ihrer Abbitte erst einmal Luft.

In der Spitze der Unionsfraktion und in der CDU-Zentrale war man am Freitag jedenfalls erleichtert über die Entschuldigung. Die Distanz der Union zu ihrer Ministerin war in der vergangenen Woche augenfällig. Weder Unionsfraktionschef Volker Kauder noch CDU-Generalsekretär Peter Tauber hatten sich bemüßigt gefühlt, der Ministerin öffentlich beizuspringen. Höchstrangiger Unterstützer von der Leyens aus der Fraktion war der Verteidigungspolitische Sprecher Henning Otte - irgendeiner musste ja etwas sagen. Einzig die Kanzlerin stand zu ihrer Ministerin. Regierungssprecher Steffen Seibert bekräftigte am Freitag erneut, von der Leyen habe die "volle Unterstützung" Merkels und der gesamten Bundesregierung. Es sei "schon befremdlich, dass diejenige, die ihrer Verantwortung entsprechend alles daransetzt, zum Wohle der Truppe Fehler und Versäumnisse aufzuklären, sich jetzt von mancher Seite Vorwürfen ausgesetzt sieht, statt unterstützt zu werden".

Vorbei ist die Sache für die Ministerin damit allerdings wohl noch lange nicht. Sie selbst sagte am Donnerstag in der Versammlung des Führungspersonals laut Teilnehmern, der Fall sei "mit Sicherheit" noch nicht zu Ende. Der festgenommene Offizier sei kein "einsamer Wolf".

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Beim Besuch der Deutsch-Französischen Brigade, in der der terrorverdächtige Franco A. gedient hat, wird der Ministerin ein Raum mit Weltkriegs-Devotionalien gezeigt. Sie reagiert mit deutlicher Kritik.

Von Robert Roßmann

Und auch auf machtpolitischer Ebene dürfte von der Leyen noch einige Abwehrkämpfe führen müssen. Der Koalitionspartner SPD zumindest hat ebenso wie die Opposition offenbar nicht vor, sie so schnell wieder in Ruhe zu lassen. Außenminister Sigmar Gabriel, ein Meister des gepflegten Tritts in die Kniekehle, stellte sich am Freitag noch einmal demonstrativ hinter die Truppe: Man dürfe nun "nicht aus Gründen berechtigter Empörung pauschale Verurteilungen vornehmen", sagte er der Bild. Die Bundeswehr gehöre "zu den Erfolgsgeschichten des demokratischen Deutschland".

© SZ vom 06.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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