Der Solidaritätszuschlag ist nach Einschätzung des früheren Verfassungsgerichtspräsidenten Hans-Jürgen Papier in wenigen Jahren verfassungswidrig. "Spätestens 2019, wenn auch der Solidarpakt II endet, lässt sich der jetzige Solidaritätszuschlag verfassungsrechtlich nicht mehr begründen", sagte der Jurist der Zeitung Die Welt. "Als Instrument der dauerhaften Erhöhung des Steuerniveaus darf eine Ergänzungsabgabe nicht eingesetzt werden."
Eine Abgabe wie der "Soli" könne nur erhoben werden, "wenn ein konkreter Finanzierungsbedarf entsteht, der ausschließlich den Bund trifft", sagte Papier. "Das konnte man in Bezug auf die Einigung Deutschlands sagen. Irgendwann entfällt dieser besondere Finanzierungsbedarf aber zwangsläufig."
Damit unterstützte Papier im Grundsatz die Position der FDP. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte im Gegensatz dazu kürzlich erklärt, am Solidaritätszuschlag festhalten zu wollen. Auch CSU-Chef Horst Seehofer sagt in einem Interview mit dem Magazin Focus: "Der Soli bleibt." Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte bereits in der vergangenen Woche den FDP-Plänen eine Abfuhr erteilt.
Auch die FDP ringt um eine einheitliche Linie beim Soli
Doch auch innerhalb der FDP wird um eine einheitliche Linie gerungen. Spitzenkandidat Rainer Brüderle forderte am Wochenende, dass der bis 2019 laufende Soli bereits in der kommenden Legislaturperiode gesenkt werden soll. Dies solle beginnen, wenn der Haushalt "strukturell ausgeglichen sei", sagte er der Welt . Zuvor hatte FDP-Chef Philipp Rösler betont, die Liberalen strebten eine Steuerentlastung erst an, wenn im Bundeshaushalt Überschüsse erzielt würden. "Eine Entlastung auf Pump wollen wir nicht", unterstrich auch Generalsekretär Patrick Döring in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Hintergrund ist, dass es auch bei einem strukturell ausgeglichenen Haushalt noch ein Defizit geben kann.
Damit setzt sich die Parteiführung von den Brüderle-Forderungen ab. Anders als der Spitzenkandidat der Liberalen hatte Parteichef Rösler auch offengelassen, ob eine Entlastung durch eine Reform bei der sogenannten kalten Progression in der Einkommenssteuer, durch den Soli oder beides kommen soll. Brüderle sagte dagegen, er wolle eine "Abmilderung der kalten Progression und die Abschmelzung des Solidaritätszuschlages". Dies solle bis Ende der nächsten Legislaturperiode in drei Schritten geschehen, forderte Brüderle.
Auch ein Mittelweg zwischen Abschaffen und Beibehalten findet Anhänger. Die thüringische Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) hat vorgeschlagen, den Solidarpakt II nach 2019 in einen Fonds für bedürftige Regionen in ganz Deutschland zu verwandeln. Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) fordert: "Der Einsatz der Finanzmittel muss in strukturschwachen Gebieten und nicht länger nach Himmelsrichtung erfolgen." Ex-Verfassungsrichter Papier kann dieser Idee jedoch nichts abgewinnen: "Ich halte es für sinnvoller, diesen Finanzbedarf über einen Ausgleich des allgemeinen Steueraufkommens zu regeln als über einen weiteren Sonderfonds", sagte Papier.