Reise in den Nahen Osten:Papst auf großer Mission

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Papst Franziskus besucht das Heilige Land. (Foto: dpa)

Er möchte im offenen Wagen fahren, Flüchtlinge besuchen und gemeinsam mit Vertretern anderer Religionen beten: Papst Franziskus will im Heiligen Land ein Zeichen der Versöhnung setzen. Dafür nimmt er zwei besondere Gäste mit auf seine Reise.

Von Andrea Bachstein, Rom

Zwei alte Freunde wird der Papst mit auf seine dreitägige Reise ins Heilige Land nehmen, nach Jordanien, Israel und in die Palästinensergebiete. Wieder eine der Neuerungen, die Franziskus nicht auszugehen scheinen. Zu denen zählt wohl auch das Gottvertrauen, sich trotz der besonderen Sicherheitsrisiken der Region in ungepanzerten und sogar offenen Wagen zu bewegen - sofern der Zeitplan nicht den Helikopter erfordert. Es wird nicht das einzig Neue sein beim Besuch an Orten, wo sich Konflikte und Berührungspunkte zwischen den Religionen konzentrieren wie sonst nirgendwo.

Der Anlass der päpstlichen Pilgerfahrt von Samstag bis Montag liegt indes 50 Jahre zurück. Sie soll erinnern an das Treffen zwischen Papst Paul VI. und dem Oberhaupt der orthodoxen Christen, dem Ökumenischen Patriarchen Athenagoras, 1964 in Jerusalem. Es gilt als entscheidender Schritt zum Beginn einer Versöhnung der seit 1054 gespaltenen Kirchen Roms und Konstantinopels. Mehrere Begegnungen und eine gemeinsame Erklärung mit dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. sollen das nun vertiefen.

Franziskus geht es um den Dialog zwischen den Religionen

"Ich fahre auch, um für den Frieden zu beten in dieser Weltgegend, die sehr viel zu erleiden hat", sagte der Papst am Mittwoch auf dem Petersplatz bei der letzten Generalaudienz vor der Reise. Deren Zweck sei "strikt religiös". Er will der unter Druck stehenden Minderheit der Christen in der Region den Rücken stärken. "Die Gemeinden sollen keine Museen werden", sagt Monsignore Norbert Hofmann, der im "Päpstlichen Rat für die Einheit der Christen" den Dialog mit dem Judentum betreut.

Einen besonderen Akzent aber legt der Papst unübersehbar auf die Verständigung der Religionen. Dazu muss man nur auf die Freunde des Papstes aus Buenos Aires schauen, die ihn begleiten: den Rabbiner Abraham Skorka und den Muslim Omar Abboud, Ex-Generalsekretär des Islamischen Zentrums von Argentinien. Noch nie sind Vertreter anderer Religionen in der Entourage eines Papsts gereist.

An die wichtigsten, die symbolträchtigen Stätten der Christen, Juden und Muslime begibt er sich: am ersten Tag gleich zum Jordan, wo Johannes Jesus getauft haben soll. Dass Jordanien am Anfang steht, liegt daran, dass in Israel an diesem Tag Sabbat herrscht. Am Sonntag geht er in die Geburtsgrotte in Bethlehem, das liegt in den Palästinensergebieten. Abends dann kommt er nach Jerusalem, besucht dort Grabeskirche, Ölberg, Klagemauer, die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem und den Herzlberg. Bei der Moschee am Tempelberg trifft der Papst den Großmufti.

Der Papst soll im Nahostkonflikt vermitteln

In der Grabeskirche wird Franziskus gemeinsam mit dem Ökumenischen Patriarchen, dem orthodoxen Patriarchen von Jerusalem und dem armenischen Patriarchen und Vertretern anderer Kirchen an einem öffentlichen Gebet der verschiedenen Konfessionen teilnehmen. Das gab es noch nie. "Historisch", nennt Papst-Sprecher Federico Lombardi das. Dort, wo Jesus ins Grab gelegt worden und wiederauferstanden sein soll, beten die verschiedenen Kirchen sonst getrennt nach Zeitplan; gelegentlich muss sogar die Polizei einschreiten bei Streitereien zwischen Gläubigen.

Höher noch als die Erwartungen an den Dialog mit anderen Religionen sind die Erwartungen an Franziskus, dass er zur aktuellen Situation im Heiligen Land und im Nahen Osten deutliche Worte findet. So, wie er sich bisher nicht vor Botschaften an die Mächtigen der Welt gescheut hat. Diplomatische Kunst wird das erfordern in diesem leicht entflammbaren System.

Dass dieser Papst, der in Europa den unmenschlichen Umgang mit Flüchtlingen anprangert, nicht schweigt zur Lage der Palästinenser und anderer Vertriebener, davon ist auszugehen. Zweimal sind bei der zweiten Auslandsreise von Franziskus Termine Flüchtlingen gewidmet. Das ist ihm, der sich überall Kindern, Kranken und Armen zuwendet, offenkundig eine Herzensangelegenheit. In Jordanien trifft er Flüchtlinge und junge Behinderte. In Israel erwarten ihn im Camp Dheisheh Kinder aus mehreren Flüchtlingslagern.

Allen Religionen will Franziskus offen begegnen bei dieser Reise, allen muss er aber auch gerecht werden. Was das Judentum betrifft, mischt viel Persönliches mit bei Jorge Bergoglio. Franziskus hat gerade der Jesuitenzeitschrift Civiltà Cattolica bekannt, er und sein Freund Rabbi Skorka hätten lange schon davon geträumt, sich einmal vor der Klagemauer zu umarmen, er sehe das Judentum als "Mutter seines Glauben".

Das persönliche Verhältnis des Papstes zu Juden und ihrem Glauben beobachtet auch der im Vatikan für den Dialog mit dem Judentum zuständige Pater Hofmann. Ohne die üblichen formalen Prozeduren empfange Franziskus privat jüdische Besuchergruppen, zum Beispiel aus seiner Heimat Argentinien. Der Kontakt zu Juden dort habe ihn tief geprägt. Allein in Buenos Aires leben 200 000 Juden. So sei für Bergoglio der Umgang mit ihnen immer selbstverständlich gewesen.

Die Beziehungen zwischen Vatikan und dem Staat Israel könnten besser sein

"Franziskus geht es um mehr Freundschaft mit dem Judentum", sagt Pater Hofmann, "wenn die besteht, dann kann man auch zusammenarbeiten." Die Religionen hätten ihre großen Ziele gemein: Frieden, Gerechtigkeit, Aussöhnung. Die zwölf Jahre, in denen Hofmann bereits den Dialog mit dem Oberrabbinat in Jerusalem führt, nennt er eine "Erfolgsgeschichte". Gleiche soziale Werte, die Bedeutung der Familie, der Schutz des Lebens gehörten zu den Themen, da lasse sich "aus dem Gemeinsamen schöpfen".

Aber auch die Probleme ähnelten sich, sagt Hofmann - die Säkularisierung betreffe die Kirche wie das Judentum, "Religion verdünnt sich". Umso wichtiger sei es, "dezidiert zusammenzustehen". Dazu zähle auch, dem Antisemitismus entschlossen entgegenzutreten. Dass die Kirche da als zuverlässiger Partner auftrete, sei der jüdischen Seite sehr wichtig. In den Beziehungen zwischen Vatikan und Kirche einer- und dem Staat Israel andererseits hakt es indes noch. Da will Hofmann auch vor der Papstvisite nichts beschönigen.

Zwar gibt seit 1994 einen Nuntius in Israel, der als Botschafter den Vatikan vertritt. Doch die Verhandlungen über die rechtliche Stellung der katholischen Kirche und ihrer Vertreter in Israel dauern an. Visa für Geistliche und Seminaristen sind dabei ein Thema, weil sie sich nicht frei bewegen können zwischen den auf verschiedene Länder verstreuten Gemeinden. "Einen positiven Impuls" erhofft sich Hofmann nun vom Papstbesuch. Wie Franziskus den gibt? Auch diese Frage macht seine Reise spannend.

© SZ vom 23.05.2014/uga - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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