Nuklearabkommen:Was sich hinter Trumps Drohungen gegen Iran verbirgt

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Gespanntes Verhältnis zwischen Iran und USA: Studentinnen in Teheran (Foto: dpa)
  • Das Abkommen über das iranische Atomprogramm gilt als Musterbeispiel dafür, wie komplizierte Konflikte gelöst werden können. Diplomaten hatten den Vertrag jahrelang verhandelt.
  • Donald Trump will sich offenbar gegen das Abkommen stellen - trotz vieler Warnungen.
  • Der US-Präsident will damit die Europäer zum Nachverhandeln zwingen und den Druck auf Teheran erhöhen.

Von Paul-Anton Krüger und Georg Mascolo

Es war ein deprimierender Moment, als eine Gruppe deutscher Diplomaten im Februar 2003 aus New York zurück nach Europa flog. Gemeinsam mit dem damaligen Außenminister Joschka Fischer hatten sie im UN-Sicherheitsrat zugehört, als die USA ihre angeblichen Beweise für irakische Massenvernichtungswaffen präsentierten. Krieg lag in der Luft.

Auf der Reise über den Atlantik entstand ein kühner Gedanke: Wenn man schon den Waffengang zwischen den USA und dem Irak nicht mehr verhindern könne, so müsse man zumindest eine weitere Konfrontation verhindern - mit Iran, einem anderen Land, das US-Präsident George W. Bush in der "Achse des Bösen" zum Feind Amerikas erklärt hatte.

Die nächtliche Runde im Flugzeug gilt als Geburtsstunde des Atomabkommens mit Iran, geschlossen im Sommer 2015 unter Barack Obama nach Jahren mühsamer Verhandlungen. Auf wenig sind deutsche und europäische Diplomaten so stolz, wie auf diese Vereinbarung. Sie sehen sie als Beleg, dass sich komplizierte und scheinbar unlösbare Konflikte friedlich lösen lassen, wenn die Weltgemeinschaft es nur entschieden und geduldig genug versucht. Dass Diplomatie Kriege verhindern kann. Nicht ohne Grund empfahl Kanzlerin Angela Merkel jüngst, die Krise mit Nordkorea nach dem Vorbild der Iran-Verhandlungen zu lösen - und bot deutsche Hilfe an.

Nun ist in Berlin die Sorge groß, dass Donald Trump weitermacht, wo Bush in seiner ersten Amtszeit war. Der Präsident sei dabei, einen wirklich schweren Fehler zu begehen, heißt es in Berlin, eine Einschätzung, die Paris teilt - und selbst London.

Das Abkommen ist auch für die Kanzlerin von höchster Bedeutung: Nach der Einigung im Juli 2015 segnete Merkel selbst ein 14-seitiges sogenanntes Argumentaire zur Wiener Vereinbarung ab, mit der der zweifelnde US-Kongress überzeugt werden sollte. Die Sprachregelung für deutsche Diplomaten enthielt gleich fünf Zitate, mit denen sie für den Deal warb.

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Dass Trump nach Wegen sucht, seine Ankündigung einzulösen, den "schlechtesten Deal aller Zeiten zu zerreißen", zeichnet sich seit Wochen ab. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel geht davon aus, dass Trump das Abkommen gekündigt sehen will. Bei einem Treffen in New York hatte ihn sein US-Kollege Rex Tillerson beiseitegenommen.

Trumps Außenminister bat Sigmar Gabriel um Unterstützung

Trump interessiere sich nicht so sehr für das technische Kleingedruckte und die Frage, ob Iran nun buchstabengetreu seine Uran-Anreicherung zurückgefahren habe, lautete die Botschaft. Ihm gehe es darum, dass das Mullah-Regime gegen den Geist der Vereinbarung verstoße und nicht wie in der Präambel versprochen "positiv zu regionalem und internationalem Frieden und Sicherheit" beitrage.

Tillerson bat um Unterstützung, Merkel und andere europäische Regierungschefs sollten doch bitte direkt mit Trump sprechen. Es war zugleich ein Eingeständnis: Der Präsident gibt offenbar nicht sonderlich viel darauf, was sein Chef-Diplomat denkt.

Die Anrufe haben inzwischen stattgefunden, auch die Kanzlerin sprach mit Trump. Frankreich, Großbritannien und Deutschland haben ihre gemeinsame Linie in Washington vorgebracht - eine Warnung, verbunden mit einem Angebot: Amerika könne nicht wollen, dass Europa gemeinsam mit China und Russland gegen die USA stehe. Man sei bereit, über Irans Verhalten zu reden und auch über mögliche gemeinsame Schritte. Aber das Abkommen dürfe nicht gekündigt werden.

In allen Gesprächen, so schildern es europäische Diplomaten, habe sich Trump die Argumente für das Abkommen geduldig angehört. Überzeugt aber schien er nicht zu sein. In der Nacht zu Freitag verdichtete sich die Ahnung. Trump, so berichten führende US-Medien, werde, anders als mehrmals zuvor, dem Kongress nicht bestätigen, dass Iran seine Verpflichtungen einhält und das Abkommen im Interesse der nationalen Sicherheit der USA ist. Die Frist dafür läuft am 15. Oktober aus.

Das ändert zunächst an dem Abkommen nichts und hat auch noch keine Folgen wie die Wiedereinsetzung der US-Sanktionen. Der Kongress hat dann 60 Tage Zeit, über sein Vorgehen zu befinden.

Daraus aber dürfte der Versuch erwachsen, die Europäer und Iran zu zwingen, das Abkommen nachzuverhandeln, zu verschärfen. Und wenn das nicht gelingt: mit einseitigen Sanktionen oder gar mit gezielten Militärschlägen gegen Irans Atomanlagen zu reagieren. Diese Strategie legte der einflussreiche republikanische Senator Tom Cotton vor dem Council on Foreign Relations dar. Am Donnerstag traf er erneut Trump, der bei Iran mehr auf ihn zu hören scheint als auf Verteidigungsminister James Mattis, Sicherheitsberater HR McMaster und Außenminister Rex Tillerson, die offiziell mit der Überarbeitung der Iran-Strategie der USA beauftragt sind - und an dem Abkommen festhalten wollen.

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Cotton dagegen will Trumps mögliche Entscheidung als Zeichen verstanden wissen, dass die USA es ernst meinen. Dann müssten Präsident und Kongress gemeinsam Forderungen an Iran aufstellen, die als Grundlage neuer Verhandlungen dienen sollen.

In Washington glauben einige, dass ein solcher Ansatz funktionieren werde, nachdem China die Gangart gegenüber Nordkorea verschärft hat wie in acht Jahren Obama nicht. Sie sehen Trumps drastische Drohungen dafür als ausschlaggebend, nicht Chinas Eigeninteresse, keinen weiteren Atomwaffenstaat zum Nachbarn zu haben. Zudem käme ein solches Vorgehen Trumps Verständnis von Politik entgegen, dass alles ein Deal ist - und er der beste, wagemutigste Verhandler von allen.

Auch Berlin sieht Irans Gebaren mit Sorge

Cotton fordert, die Klausel des Abkommens zu streichen, nach der alle Beschränkungen des Atomprogramms sukzessive bis 2030 auslaufen. Die Inspektionen der Internationalen Atomenergiebehörde sollten verstärkt, Militäranlagen ohne Ankündigung kontrolliert werden. Überdies müsse Iran Beschränkungen bei ballistischen Raketen akzeptieren, potenzielle Trägersysteme für Atomwaffen. Schließlich müsse Teheran mit der Androhung neuer Sanktionen dazu gebracht werden, sein destabilisierendes Verhalten aufzugeben, von Irak über Syrien bis Libanon und Jemen.

Da gäbe es durchaus Gemeinsamkeiten mit Europa: Auch Berlin sieht Irans Gebaren mit Sorge. Jüngste Raketentests etwa seien unvereinbar mit einer UN-Resolution. Nur argumentieren die Europäer, Regionales und Raketen seien bewusst ausgeklammert worden, sonst hätte es gar kein Abkommen gegeben - und die nuklearen Beschränkungen erfüllten ja ihr Ziel. Zudem habe auch Iran Grund zur Enttäuschung: Die erhoffte schnelle Erholung der Wirtschaftsbeziehungen sei trotz der Sanktionsaufhebung ausgeblieben.

Trump aber glaubt offenbar, er könne Iran zu Konzessionen zwingen. Die Europäer sind da skeptisch. Wenn Amerika mit dem Ausstieg drohe, werde das den Konflikt nur anheizen. Und wenn Amerika die Drohung in die Tat umsetze, werde die Krisenregion Nahost weiter destabilisiert.

Trump könnte seine Entscheidung auch noch wieder revidieren

Die Botschafter der am Abkommen beteiligten europäischen Staaten, unter ihnen der Deutsche Peter Wittig, haben in Gesprächen mit Dutzenden Senatoren klargestellt: Europa werde Amerika nicht folgen. Es gab die Überlegung, Außenminister könnten vor der Entscheidung nach Washington reisen, um mit Kongressmitgliedern zu sprechen. Aus Sorge, dies könne den ohnehin unberechenbaren Trump provozieren, wurde der Plan aufgegeben.

In der Unberechenbarkeit aber sieht Trump seine Stärke. Weder Kanzlerin Merkel noch anderen europäischen Regierungschefs hat er bislang mitgeteilt, wie er sich entscheiden wird - und er könnte seine Entscheidung auch noch wieder revidieren, wie die Washington Post schreibt. Am 12. Oktober soll Trump eine Rede zur Iran-Strategie der USA halten. Diese, so befürchten Diplomaten nach Trumps Auftritt bei der UN-Generalversammlung, könnte sie an den Punkt zurückwerfen, an dem sich vor 14 Jahren schon Joschka Fischer sah.

© SZ vom 07.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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