Koalitionsverhandlungen:Die Wahlversprechen kippen

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Union und FDP werden ihr Ziel verfehlen, gleichzeitig die Steuern zu senken und den Haushalt zu sanieren.

C. Hulverscheidt, S. Braun, P. Blechschmidt, G. Bohsem

CDU, CSU und FDP werden einen Teil ihrer Wahlversprechen wohl nicht einhalten können. Wie Teilnehmer der Koalitionsverhandlungen am Wochenende berichteten, gelang es trotz stundenlanger Debatten erneut nicht, die drei zentralen Ziele - Steuersenkungen, Haushaltssanierung und Bildungsinvestitionen - miteinander in Einklang zu bringen. Auch der Grundsatzstreit über den Gesundheitsfonds blieb ungelöst. Im Bereich der Energiepolitik wurde zumindest eine Rahmenvereinbarung getroffen.

Die Parteichefs Angela Merkel, Horst Seehofer und Guido Westerwelle hatten die Beratungen am Freitag an sich gezogen, weil ihre Unterhändler in zentralen Fragen keine gemeinsamen Positionen gefunden hatten. Hauptproblem ist, dass die Ziele der künftigen Koalition im Widerspruch zueinander stehen: So fordern etwa FDP und CSU umfangreiche Steuersenkungen, was den schwierigen Abbau des Haushaltsdefizits weiter erschwert. Die CDU wiederum will mehr für Bildung ausgeben. Das aber beschränkt den Spielraum für Steuernachlässe.

Auch Beitragserhöhungen und Ausgabenkürzungen sind umstritten, weil sie den Effekt von Steuerermäßigungen konterkarieren würden und dem Bündnis den Vorwurf sozialer Kälte einbringen könnten. Die FDP brachte deshalb als einzige Finanzierungsmaßnahme die Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs ins Gespräch.

Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Christian Wulff und FDP-Chef Guido Westerwelle gerieten am Samstag wegen der ungelösten Finanzprobleme heftig aneinander. Wulff bezeichnete die Steuersenkungspläne als "unverantwortlich" und als "Unfug", Westerwelle konterte, wenn dies die Meinung der gesamten CDU sei, dann sei man "durch". Zwar bemühten sich am Sonntag alle Beteiligten, den Vorfall herunterzuspielen. Einen echten Durchbruch aber konnten die Parteien am Nachmittag erneut nicht verkünden. Die Gespräche seien aber auf gutem Wege, hieß es. Um ihre Zuversicht zu demonstrieren, beriefen nach der CSU auch die FDP und die CDU für den kommenden Sonntag beziehungsweise den darauffolgenden Montag Parteitage ein. Dort soll über den fertigen Koalitionsvertrag abgestimmt werden.

Bis dahin ist allerdings noch viel zu tun, denn auch in der Gesundheitspolitik zeichnet sich bislang keine Lösung ab. Vielmehr geriet CDU-Verhandlungsführerin Ursula von der Leyen sowohl bei der CSU als auch bei der FDP in die Kritik, weil sie erklärt hatte, der Gesundheitsfonds bleibe bestehen. Um das erwartete Krankenversicherungsdefizit von 7,4 Milliarden Euro auszugleichen, wird nach SZ-Informationen unter anderem geprüft, den Bundeszuschuss an den Fonds für das Jahr 2010 einmalig von 11,8 auf gut 19 Milliarden Euro aufzustocken. Dagegen wehren sich indes die Haushälter von Union und FDP. Bisher war so etwas erst für 2012 vorgesehen.

Einig sind sich die künftigen Partner darüber, dass alternative Energien ausgebaut werden und viele Atomkraftwerke länger am Netz bleiben sollen. Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) sagte, man benötige die Atomkraft als Brückentechnologie "mit dem Ziel, dass sie auch irgendwann verzichtbar ist". Doch bleiben auch hier zentrale Details offen. So wies Westerwelle Forderungen aus den Reihen von Union und Liberalen zurück, zunächst ein energiepolitisches Gesamtkonzept zu entwickeln. Der FDP-Vorsitzende will die Änderungen beim Atomausstieg rasch festschreiben, damit Klarheit herrscht. Auch sollen SPD und Grüne keine Gelegenheit erhalten , die nordrhein-westfälische Landtagswahl im Mai 2010 zu einem Plebiszit über die Kernkraft zu machen.

© SZ vom 19.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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