Jerusalem-Konflikt:Tote und Verletzte bei israelischen Luftangriffen

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  • Aus dem Gazastreifen werden mehrere Raketen auf Israel abgefeuert. Eine davon trifft die Stadt Sderot, verletzt aber niemanden. Israel reagiert mit Luftangriffen im Gazastreifen, bei denen zwei Menschen sterben.
  • Insgesamt forderten die jüngsten Unruhen in der Region damit bereits vier Todesopfer und mehr als 700 Verletzte - mehr als 260 davon erlitten Schusswunden.
  • Bei einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats verurteilen die übrigen Mitglieder des Gremiums die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen.

Bei israelischen Luftangriffen im Gazastreifen sind laut palästinensischem Gesundheitsministerium zwei weitere Menschen getötet worden. Die Getöteten gehörten den Kassam-Brigaden an, also dem bewaffneten Arm der Hamas, wie die radikalislamische Organisation bestätigte. Insgesamt forderten die jüngsten Unruhen in der Region damit bereits vier Todesopfer.

Die israelische Armee hatte als Reaktion auf Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen vier Standorte der Hamas angegriffen, wie die israelische Armee in der Nacht zum Samstag mitteilte. Zwei Waffenfabriken, ein Waffenlager und ein Militärstützpunkt seien getroffen worden.

Von den drei zuvor auf Israel gerichtete Raketen schlug eine noch im Gazastreifen ein, eine weitere wurde vom Raketenabwehrsystem Iron Dome abgefangen. Die dritte erreichte die 20 000-Einwohner-Stadt Sderot. Mehrere parkende Fahrzeuge wurden beschädigt. Bereits die zweite Nacht in Folge wurde im Süden Israels Raketenalarm ausgelöst. Der seit 2014 mehr oder weniger gültige Waffenstillstand scheint damit aufgekündigt.

Jerusalem nach Trumps Entscheidung
:Tage des Zorns

Tausende Palästinenser protestieren gegen die Nahost-Politik von US-Präsident Donald Trump. In Jerusalem und im Westjordanland kommt es zu gewaltsamen Ausschreitungen. In Gaza stirbt ein Demonstrant.

Von Alexandra Föderl-Schmid

Die von Palästinensergruppen ausgerufenen "Tage des Zorns" sollten am Freitag enden, aber am Samstag gingen sie mit großer Heftigkeit weiter. Insbesondere in Bethlehem und Ostjerusalem kam es zu Zusammenstößen. In Bethlehem warfen Palästinenser beim "Grab der Rachel" Steine, die israelischen Soldaten antworteten mit Hartgummigeschossen und schmissen Tränengas in die Menge.

In Ostjerusalem versuchten Demonstranten eine Straße zu blockieren, berittene Polizei trieb die Menge auseinander, dann kam es zu Straßenschlachten. Nach Angaben der israelischen Streitkräfte nahmen gut 600 Palästinenser an Protestaktionen an etwa 20 Orten im Westjordanland teil. Im Gazastreifen waren mehrere hundert Menschen zum Begräbnis eines am Tag zuvor bei einer Demonstration getöteten Palästinensers gekommen, Rufe nach Rache wurden laut. Zuvor hatte Hamas-Chef Hanija seinen Aufruf nach einer erneuten Intifada erneuert: "Der Funke ist gezündet, jetzt wird ein Feuer daraus."

Die Proteste schwappten am Samstag vom Westjordanland und Ostjerusalem auch auf Israel über. Etwa 200 Demonstranten hielten im Norden Israels einen Bus auf, der nach Tel Aviv unterwegs war. Sie bewarfen ihn mit Steinen, drei Israelis wurden verletzt. In mehreren israelischen Orten im ganzen Land gab es Demonstrationen. Zusammenstöße gab es unter anderem in Hebron, Bethlehem und rund um Nablus.

Die Bilanz des heutigen Tages: Etwa 80 verletzte Palästinenser, davon 20 im Gazastreifen - und sieben verletzte Israelis, davon drei Einsatzkräfte. Insgesamt sind bei den Unruhen inzwischen mehr als 700 Menschen verletzt worden.

Tausende Palästinenser waren bereits nach den Freitagsgebeten in Jerusalem und den Palästinensergebieten auf die Straße gegangen. Nach der Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels durch US-Präsident Donald Trump hatten Palästinensergruppen Widerstand angekündigt.

Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats

Bei einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats mussten die USA am Freitag massive Kritik aller 14 anderen Mitglieder des Gremiums einstecken. Die Entscheidung, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, stelle einen "gefährlichen Präzedenzfall" dar, sagte Ägyptens UN-Botschafter Amr Abdellatif Aboulatta in New York. Die Botschafter der beiden UN-Vetomächte Frankreich und Großbritannien sowie Deutschlands, Italiens und Schwedens erklärten nach der Sitzung, dass Trumps Entscheidung "nicht mit den Resolutionen des UN-Sicherheitsrats übereinstimmt" und die "Friedensperspektive in der Region nicht fördert".

US-Botschafterin Nikki Haley sagte hingegen während der Sitzung des Sicherheitsrats, Trump bleibe "dem Friedensprozess verpflichtet". Trump habe lediglich der Tatsache Rechnung getragen, dass Israels Regierung und Parlament in Jerusalem angesiedelt seien.

Trump rief angesichts der Unruhen zu Mäßigung auf. Das sagte sein Sprecher Raj Shah zu Journalisten an Bord der Präsidentenmaschine Air Force One, die der US-Präsident am Freitagabend (Ortszeit) zu einer Veranstaltung nach Florida brachte. "Der Präsident hat Ruhe und Mäßigung geforderte, und wir hoffen, dass die Stimmen der Toleranz die des Hasses übertönen", sagte Shah. Er betonte, dass Trump weiterhin eine "dauerhafte Friedensvereinbarung zwischen Israelis und Palästinensern" anstrebe.

Palästinensische Führung berät in Ramallah

Die palästinensische Führung in Ramallah trifft sich am Samstagabend zu Gesprächen. Auch die Arabische Liga befasst sich in einer Dringlichkeitssitzung mit der umstrittenen Entscheidung von Trump. Es wird erwartet, dass die Staatengemeinschaft bei ihrem Treffen in Kairo scharfe Kritik übt.

Aus Protest gegen die Kehrtwende in der Jerusalem-Politik der USA hat Palästinenserpräsident Mahmud Abbas ein Treffen mit US-Vizepräsident Mike Pence bei dessen demnächst bevorstehender Nahost-Reise abgesagt. Die USA hätten mit der einseitigen Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels "alle roten Linien überschritten", sagte Abbas' diplomatischer Berater Madschdi al-Chalidi der Nachrichtenagentur AFP in Ramallah.

Ein führender Vertreter von Abbas' Fatah-Partei, Dschibril Radschub, sagte, der US-Vizepräsident sei "in Palästina nicht willkommen". Pence plant noch vor Weihnachten einen Besuch in Israel, auch eine Visite in den Palästinensergebieten war zunächst geplant.

Der Status Jerusalems ist einer der größten Streitpunkte im Nahostkonflikt. 1948 war Ostjerusalem von Jordanien besetzt worden, bis es im Sechstagekrieg 1967 von Israel erobert wurde. Die 1980 durch das Jerusalemgesetz erfolgte Annexion des Gebiets wurde von der internationalen Staatengemeinschaft ebenso wenig anerkannt wie die vorangegangene Annexion Ostjerusalems durch Jordanien im Jahr 1950.

Die Palästinenser beanspruchen den Ostteil als künftige Hauptstadt ihres angestrebten eigenen Staates. Die radikalislamische Hamas hat nach der Entscheidung Trumps zu einem neuen Volksaufstand der Palästinenser, einer dritten Intifada aufgerufen.

© SZ.de/AFP/AP/dpa/afs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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