Israel, die Hamas und Gilad Schalit:Undichte Stelle Kairo

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Mubaraks lose Zunge: Was Ägyptens Präsident über die geheime Hilfe deutscher Agenten im Nahen Osten ausplauderte.

Thorsten Schmitz, Tel Aviv

Alle halten sich an das Schweigegebot: die Hamas, der Bundesnachrichtendienst (BND), die israelische Regierung, Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier und seine US-Kollegin Hillary Clinton.

Gilad Schalit in Uniform vor seiner Verschleppung (Foto: Foto: AP)

Kein Wort zu viel kommt ihnen über die Lippen, wenn es um das Schicksal Gilad Schalits geht, jenes israelischen Soldaten, der vor drei Jahren in den Gazastreifen verschleppt wurde.

Ausgerechnet einer der dienstältesten Staatschefs der Welt, der seit 1981 regierende ägyptische Präsident Hosni Mubarak, plauderte nun während seines Besuchs in den USA Details zu den geheimen Gesprächen über einen Gefangenenaustausch aus, worüber man sich in Berlin und Jerusalem wundert.

In einem Interview mit dem Fernsehsender Public Broadcasting Service verriet er, ein Gefangenenaustausch sei unter Dach und Fach gewesen. Deutschland habe dabei eine entscheidende Rolle gespielt.

Dann habe eine "Intervention von außen" diesen platzen lassen, sagte Mubarak, ließ aber offen, wer intervenierte. Ägypten, das die Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas moderiert, sei "kurz davor" gewesen, den 23 Jahre alten Schalit in einer ersten Phase des Austauschs nach Kairo zu bringen, sagte Mubarak.

Von dort habe er dann nach Israel zurückkehren sollen - als Gegenleistung für die Freilassung von Palästinensern aus israelischer Haft.

Kairo arbeite intensiv mit Berlin zusammen, um ein Ende des Geiseldramas zu erzielen, das den jüngsten Gaza-Krieg mit verursacht und zur Blockade des Gebiets geführt hat, in dem 1,5 Millionen Palästinenser leben. Bei den Gesprächen über einen Austausch habe Deutschland seine Hilfe angeboten, "und wir begrüßen das sehr", sagte Mubarak.

Beim BND und im Auswärtigen Amt behält man trotz Mubaraks Auftritt an der Praxis fest, auf Anfragen zum Schicksal Schalits und zur Rolle Berlins keine Angaben zu machen. Auch Steinmeier hat auf seinen Reisen nach Israel jedes Mal den Mund gehalten, wenn man ihn auf Schalit ansprach. Andererseits: Es wird auch nicht dementiert.

Israelische Geheimdienstexperten, unter ihnen Jossi Melman von der Tageszeitung Haaretz, halten es für "durchaus möglich", dass der BND ähnlich wie beim Gefangenenaustausch im Sommer 2008 aktiv in den Schalit-Fall involviert ist.

Lob für Logistik des BND

Damals hatte BND-Mitarbeiter Gerhard Conrad in einer 18-monatigen Pendeldiplomatie und nach 700.000 absolvierten Flugkilometern erreicht, dass Israel die Leichen von zwei israelischen Soldaten erhielt, die die Hisbollah-Miliz getötet hatte. Im Gegenzug überführte Israel die Überreste von 200 toten Hisbollah-Mitgliedern nach Libanon und ließ den berüchtigten Terroristen Samir Kuntar frei.

Melman schätzt, dass der BND vielleicht weniger in die Verhandlungen mit der Hamas verwickelt sei, "denn Israel verfügt ja mit Ägypten über einen Gesprächskanal zur Hamas". Der BND sei von Ägypten aber womöglich als "Experte in der Logistik eines Gefangenenaustauschs" um Hilfe gebeten worden.

Es gehe ja jetzt nur noch um die Frage, ob Israel bereit sei, wie von der Hamas verlangt 450 Palästinenser freizulassen, unter ihnen solche, die blutige Anschläge verübt haben, und ob diese in die Palästinensergebiete zurückkehren oder ins Ausland deportiert werden. Wenn das stimmt, dann stünde einem Deal nicht mehr viel im Weg. Dafür spricht Mubaraks lose Zunge.

In einem Hintergrundgespräch mit Führern jüdischer Institutionen in den USA soll Ägyptens Staatschef gesagt haben: "Ein Gefangenenaustausch ist in Sichtweite."

© SZ vom 19. August 2009/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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