Ende von Schwarz-Rot:Das letzte Abendmahl der großen Koalition

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Ende der Groko: Sigmar Gabriel (SPD), Angela Merkel (CDU) und Horst Seehofer (CSU) (v.l.n.r.). (Foto: dpa)

Zum Ende der schwarz-roten Regierung lädt Angela Merkel das Kabinett zum Abschiedsessen ins Kanzleramt ein. Selbst Sigmar Gabriel ist erkennbar bewegt.

Von Nico Fried, Berlin

Am Ende gibt's immer ein Essen. So wie am Dienstagabend im achten Stock des Kanzleramts. Das ganze schwarz-rote Kabinett ist anwesend, die Regierung Merkel III, die von nächster Woche an nur noch geschäftsführend im Amt sein wird. Das ganze Kabinett? Sogar mehr als das, auch Andrea Nahles, jüngst vom Posten der Arbeitsministerin in den Vorsitz der SPD-Fraktion gewechselt, speist mit. Die Kanzlerin und Nahles kommen schon lange bestens miteinander aus, auch am Dienstag ratschen sie wieder so intensiv, dass sich Beobachter fragen, wie das gehen soll, wenn es bald "auf die Fresse" gibt, wie Nahles der Union angekündigt hat. Im Spaß.

Merkels erstes Abschiedsessen für eine schwarz-rote Regierung fand am 8. Oktober 2009 statt. Die Kanzlerin sprach freundlich über den Koalitionspartner, der sich anfangs so geziert hatte. Die Regierung sei "institutionell schwierig" gewesen, habe aber "individuell funktioniert", so Merkel 2009. Zwei SPD-Ressortchefs fehlten an jenem Abend: Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul und Umweltminister Sigmar Gabriel. Die Abwesenheiten spiegelten auch die Präsenz im Kabinett wider, scherzte Merkel: Wieczorek-Zeul fehlte oft, Gabriel sogar sehr oft, genau 45-mal, wie nachgerechnet wurde.

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Am Dienstagabend ist der Vizekanzler zugegen - und, wie Teilnehmer später berichten, auch erkennbar bewegt. Das Essen beginnt um 19.30 Uhr, und alsbald hat die Runde Gesprächsstoff, weil die Kunde vom Besuch Horst Seehofers bei den Grünen eintrifft. Merkel war vorab informiert, aber manchen CSU-Minister scheint die Nachricht zu überraschen. Dass zwischen Abschied und Neubeginn am selben Abend nur ein paar 100 Meter liegen können, war schon 2009 zu beobachten: Im Kanzleramt sagte damals Frank-Walter Steinmeier, die große Koalition sei eine Vernunftehe gewesen, worauf Merkel rief, auch da könne es Emotionen geben. Auf einem Empfang der Bundespressekonferenz erläuterte zur selben Zeit FDP-Chef Guido Westerwelle staunenden Journalisten die schwarz-gelbe Zukunft in schönsten Tönen. Es kam dann ein wenig anders, vor allem für die FDP.

Die Kanzlerin verkneift sich einen Hinweis darauf, dass die SPD partout in die Opposition will

Beim Abschied 2017 würdigt zunächst Merkel die Arbeit der Regierung, spricht fast jedes Kabinettsmitglied persönlich an, erinnert an wichtige Projekte. Sie verkneift sich Hinweise auf die harte Haltung der SPD, nicht mehr in eine große Koalition zu ziehen. Dann spricht Gabriel und dankt allen für eine faire und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Die Kanzlerin habe die SPD nie spüren lassen, dass die Union bei der Wahl 2013 weit vor der SPD gelegen habe. Sie sei immer am Ausgleich und am gemeinsamen Erfolg interessiert gewesen. Die Koalition habe Deutschland in einem vor allem außenpolitisch schwierigen Umfeld auf Kurs gehalten. Noch nicht geschafft habe sie aber eine ausreichende Stabilisierung Europas und die Bewältigung der Flüchtlingskrise. Und beide Parteien hätten den Zuwachs an äußerer Liberalität mit dem Verlust der inneren bitter bezahlt. Dies wieder zu ändern verbinde Union und SPD auch nach der gemeinsamen Regierungszeit.

Für die CSU im Kabinett spricht Noch-Verkehrsminister Alexander Dobrindt. Wie zuvor Gabriel verweist auch der neue CSU-Landesgruppenchef darauf, dass trotz politischer Unterschiede Freundschaften entstanden seien. Da kommt wieder Nahles in Spiel, wenn auch von Dobrindt nicht namentlich erwähnt. Aber 2013 waren es am Beginn der zweiten großen Koalition unter Merkel gerade auch die beiden Jüngsten von SPD und CSU, die zur beiderseitigen Überraschung einen Draht zueinander fanden und halfen, die Atmosphäre insgesamt aufzulockern.

Zum Nachtisch gibt es am Dienstagabend passenderweise Waffeln in Herzchenform. Die letzten Gäste verlassen das Kanzleramt um 0.30 Uhr.

© SZ vom 19.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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