Betreuungsgeld-Finanzierung:Sag mir, wo die Streichlisten sind

Betreuungsgeld Ministerien Finanzierung

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei einer Kabinettssitzung im Bundeskanzleramt in Berlin.

(Foto: dpa)

In weniger als vier Wochen können Eltern, die ihre Kinder nicht in die Kita geben wollen, das erste Mal Betreuungsgeld erhalten. Weil die Idee schon 2014 mehr als eine Milliarde Euro kosten wird, müssen alle Bundesministerien bei ihren Investitionen knapsen. Doch wenn es um Details geht, gibt sich Berlin schweigsam.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Am 1. August startet das umstrittene Betreuungsgeld für Familien, die ihre Kinder nicht in Kitas geben wollen. Bereits im Jahr 2014 will der Bund für die neue Familienleistung etwas mehr als eine Milliarde Euro bereitstellen. Woher das Geld allerdings genau kommen soll, weiß im Moment offenbar nicht einmal die Bundesregierung so genau. Es wird also langsam Zeit, sich Gedanken über die genaue Finanzierung zu machen.

Neue Schulden will die Bundesregierung für das Betreuungsgeld nicht machen. Darum soll das Geld in den Ministerien eingespart werden. Aufgeteilt werden die Kosten nach dem sogenannten "Afghanistan-Schlüssel". Damit werden die Kosten von Sonderbelastungen durch Auslandseinsätze der Bundeswehr aufgeteilt. Das soll sicherstellen, dass die Ministerien ihrer Leistungsfähigkeit entsprechend Geld locker machen. Es betrifft dann jene Häuser am stärksten, die am wenigsten gesetzliche gebundene Mittel verwalten. Dazu gehören vor allem freiwillige Förderprojekte und Investitionen.

Nach diesem Schlüssel werden also auch die Kosten für das Betreuungsgeld verteilt - doch wo genau die einzelnen Ressorts sparen, wollen sie nicht verraten. Das Verteidigungsministerium etwa muss 147 Millionen Euro aus seinem Budget streichen und trägt damit die größte Last für das Betreuungsgeld.

Sparen, ja - aber wo genau?

Nun wäre es interessant zu wissen, welche Projekte oder Beschaffungen wegen des Betreuungsgeldes eingeschränkt werden müssen. Doch dazu heißt es auf Nachfrage lediglich: "Eine auf einzelne Titel beziehungsweise auf konkrete Projekte, Vorhaben oder Beschaffungen bezogene Angabe diesbezüglicher Einsparbeträge ist nicht möglich."

Das Verkehrsressort, das immerhin 100 Millionen Euro aufbringen muss, will ebenfalls nichts zu den Details verraten. Aber ein Eindruck dessen, was sich mit dem Geld theoretisch alles hätte machen lassen, lässt sich schon beim Blick auf die Seite eines Straßenbauamts gewinnen.

Das Bildungs- und Forschungsministerium (BMBF), das 51,1 Millionen Euro beisteuern muss, wird ebenfalls nicht konkret. Ein Sprecher versichert stattdessen, der Betrag sei "so flächendeckend auf die Projektförderung des BMBF verteilt, dass hieraus keine Beeinträchtigungen laufender Projekte zu erwarten sind und ausreichend Spielräume für die Programmarbeit des BMBF gesichert bleiben".

Manch einer klingt auch nur konkret

Die anderen Ministerien tragen Summen zwischen 2,2 (Gesundheit) und 28,4 Millionen Euro (Entwicklung) zum Betreuungsgeld bei. Welches Projekt deswegen keine Finanzierung mehr erhält, welche Straße nicht asphaltiert werden kann, welche Reparatur ausbleibt, welche Förderung gestrichen wird, welcher Brunnen in Afrika nicht gegraben wird - das alles bleibt unklar.

Etwas konkreter äußert sich nur das von FDP-Chef Philipp Rösler geführte Wirtschaftsministerium. Der Ressort-Anteil von 27,3 Millionen werde "in den Bereichen Verkehrstechnologien, Zinsausgleichssysteme auf CIRR-Basis und Abwicklung von Altprogrammen erbracht". Aber vielleicht soll das auch nur konkret klingen.

Über die Details werden auch die Haushälter des Bundestages nicht informiert. In einem Schreiben von CDU-Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter an den SPD-Haushaltsexperten Carsten Schneider vom 27. Juni 2013, das Süddeutsche.de vorliegt, heißt es in feinstem Beamtendeutsch: "Eine genaue Auflistung von Titeln (...) ist nicht möglich, da (...) die Einsparvorgaben im Rahmen der Schichtungsfreiheit der Ressorts auf der Basis des bisherigen Finanzplans vorgenommen werden."

"Das ist keine ehrliche Haushaltspolitik"

SPD-Mann Schneider kritisiert vor allem, dass das Betreuungsgeld zu Lasten der Investitionen des Bundes gehe. "Damit richtet es sich in doppelter Hinsicht gegen die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Die schwarz-gelbe Regierung versucht zu verschleiern, wie sie das sozial- und familienpolitisch unsinnige Betreuungsgeld finanzieren will."

Mit anderen Worten: Die Ministerien sollen das Geld einfach irgendwie heranschaffen. Der Grünen-Haushaltspolitiker Sven Kindler wird noch deutlicher: "Die Regierung verschleiert die Finanzierung des Betreuungsgeldes. Es werden sicher einzelne Projekte und Investitionen dafür gestrichen werden müssen. Dass wir immer noch nicht wissen, welche das sind, hat mit Haushaltsklarheit nichts zu tun. Das ist keine ehrliche Haushaltspolitik."

Theoretisch sollte die Finanzierung eigentlich kein Problem sein, die Steuereinnahmen sprudeln. Doch trotz der Mehreinnahmen nimmt der Bund noch immer neue Schulden auf. Immerhin 6,4 Milliarden Euro sind für 2014 geplant. Wirklich Geld übrig für das Betreuungsgeld hat die Bundesregierung also nicht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: