Gesetzentwurf zum Betreuungsgeld:Erzogen wird zuhause

Das Betreuungsgeld ist eines der umstrittensten Projekte der schwarz-gelben Koalition - jetzt ist der Gesetzentwurf fertig. Unter welchen Bedingungen sollen Eltern die neue Leistung erhalten, was kostet sie den Staat - und wird der Krippenausbau darunter leiden? Antworten auf die wichtigsten Fragen zur neuen Familienleistung.

Robert Roßmann, Berlin

Nach monatelangen Debatten ist der Gesetzentwurf des Bundesfamilienministeriums für das Betreuungsgeld fertig. Er soll an diesem Dienstag zur Ressortabstimmung an die anderen Ministerien versandt werden. Das Kabinett will den Entwurf am 6. Juni beschließen, der Bundestag soll ihn noch vor der Sommerpause verabschieden. Die Süddeutsche Zeitung beantwortet die wichtigsten Fragen zu der neuen Familienleistung.

Betreuungsgeld

Wer sein Kind zu Hause aufzieht, bekommt Geld vom Staat - außer Hartz-IV-Empfänger.

(Foto: dpa)

Wann startet das Betreuungsgeld?

Das Betreuungsgeld soll zum 1. Januar 2013 eingeführt werden.

Wer bekommt es?

Im ersten Jahr werden nur die Eltern von einjährigen Kindern unterstützt, sie sollen monatlich 100 Euro erhalten. Von 2014 an gibt es auch für Zweijährige Geld. Außerdem soll das Betreuungsgeld dann auf 150 Euro erhöht werden.

Welche Bedingungen gibt es?

Das Geld sollen alle Eltern bekommen, die ihr Kind nicht von einer staatlich bezuschussten Krippe oder einer öffentlich bezuschussten Tagesmutter betreuen lassen. Anders als häufig dargestellt müssen Eltern aber nicht ihren Beruf aufgeben, um die Leistung zu erhalten. Eltern, die ihr Kind in eine private Krippe geben oder es von anderen Familienmitgliedern betreuen lassen, während sie arbeiten, haben also ebenfalls Anspruch auf das Geld.

Profitieren auch Hartz-IV-Empfänger?

Nein. Hartz-IV-Empfängern soll das Betreuungsgeld zwar ausgezahlt werden. Anschließend wird der Betrag aber in voller Höhe vom Arbeitslosengeld II abgezogen. Nach Ansicht der Regierung muss so verfahren werden. Zum einen könne Eltern, die Hilfe-Empfänger seien, das Betreuungsgeld nicht verweigert werden, da sie die Betreuungsleistung ja auch erbrächten. Zum anderen sei Hartz IV aber eine reine Mindestsicherung.

Wenn sich das Einkommen um die 100 oder 150 Euro Betreuungsgeld erhöhe, müsse die Hartz-Leistung deshalb entsprechend sinken. Andernfalls käme es zu einer nicht gewollten Addition von Hilfen. Deswegen gebe es die Anrechnungsregel auch beim Elterngeld.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband hält diese Begründung für "Nonsens". Er verweist darauf, dass das Pflegegeld nicht angerechnet wird. Der Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider sagt, die Regierung traue sich einfach nicht zuzugeben, dass sie Hartz-IV-Beziehern das Betreuungsgeld "schlicht nicht gönnt".

Muss das Kind zur Vorsorge?

In einem ersten Entwurf des Familienministeriums war der Erhalt des Betreuungsgeldes noch an den Besuch der Vorsorgeuntersuchungen beim Kinderarzt gekoppelt. Damit wollte Ministerin Kristina Schröder auch den Kritikern der Leistung entgegenkommen. Diese befürchten, dass sich wegen des Geldes vor allem Familien in prekären Verhältnissen dafür entscheiden, ihr Kind nicht in eine Krippe zu geben, obwohl genau diese Kinder vom Besuch einer solchen Einrichtung besonders profitieren würden.

Durch die Pflicht zum Besuch der Vorsorgeuntersuchungen wäre zumindest sichergestellt, dass auch diese Kinder regelmäßig kontrolliert werden. Die CSU lehnt die Bedingung jedoch entschieden ab. Zum einen sieht sie dadurch die überwältigende Mehrheit der Eltern ungerechtfertigt unter einen Generalverdacht gestellt. Zum anderen befürchtet die CSU, dass das Gesetz durch eine solche Regelung im Bundesrat zustimmungspflichtig werden könnte - bei den Vorsorgeuntersuchungen sind Landesbehörden involviert.

Im Bundesrat haben Union und FDP aber keine Mehrheit mehr, die Opposition könnte das Gesetz also stoppen. Auf Druck der CSU wurde deshalb die Koppelung an die Vorsorgeuntersuchungen in der vergangenen Woche aus dem Gesetzentwurf gestrichen.

Kosten könnten 2014 auf 1,2 Milliarden Euro steigen

Wie teuer ist die neue Leistung

Die Bundesregierung rechnet für das Jahr 2013 mit einem Aufwand von insgesamt 400 Millionen Euro. 2014 steigen die Kosten wegen der Einbeziehung der Zweijährigen und der Erhöhung auf 150 Euro drastisch. Im Haushalt sind dann 1,2 Milliarden Euro vorgesehen. Die Opposition hält diese Zahlen für zu niedrig angesetzt, sie glaubt, dass das Betreuungsgeld bis zu zwei Milliarden Euro jährlich kosten wird.

Gibt es einen Stichtag?

Das Betreuungsgeld wird nur für Kinder gezahlt, die seit dem 1. Januar 2012 geboren wurden. Dadurch soll der Verwaltungsaufwand deutlich reduziert werden. Ohne diesen Stichtag müsste beispielsweise für ein am 1. Februar 2011 geborenes Kind vom 1. bis 31. Januar 2013 und dann wieder vom 1. bis 31. Januar 2014 Betreuungsgeld gezahlt werden.

Kann das Gesetz noch gestoppt werden?

Jeder Gesetzentwurf kann im parlamentarischen Verfahren gestoppt werden. Dies geschieht aber außerordentlich selten. In der Debatte über das Betreuungsgeld hat es jedoch einen bemerkenswerten Aufstand gegeben. Ende März kündigten 23 CDU-Bundestagsabgeordnete in einem Brief an ihren Fraktionschef Volker Kauder an, im Bundestag gegen die neue Familienleistung stimmen zu wollen. Die schwarz-gelbe Koalition hätte dann keine Mehrheit mehr.

Nach vielen Gesprächen erwägt jetzt aber angeblich nur noch ein Teil der 23 Abgeordneten, mit Nein zu stimmen. Die Regierung glaubt deshalb, im Bundestag eine ausreichende Mehrheit zu erhalten. Ansonsten hätte sie den Entwurf jetzt auch nicht auf den Weg gebracht.

Was ist mit dem Krippenausbau?

Familienministerin Schröder wird am Mittwoch ein 10-Punkte-Programm zur Beschleunigung des Krippenausbaus präsentieren. Damit will die Bundesregierung dem Eindruck entgegentreten, sie kümmere sich zu wenig um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und setze stattdessen allein auf das Betreuungsgeld.

Im Kanzleramt glaubt man, dass das Misstrauen vor allem der Unionsfrauen gegen die neue Leistung nicht nur am Betreuungsgeld selbst liegt. Die Frauen würden außerdem erleben, dass der Krippenausbau immer noch nicht in allen Teilen der Union geschätzt werde und der Ausbau der Plätze viel zu langsam vorankomme. Sie hätten deshalb Angst, dass durch das Betreuungsgeld in der Familienpolitik der CDU etwas zurückgedreht werden könnte.

Um den Widerstand gegen die neue Leistung zu brechen, will die Regierung mit dem 10-Punkte-Programm zeigen, dass der Krippenausbau weiter Priorität hat.

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