Prozesse - Kassel:Homosexuelle beleidigt: Professor zu Geldstrafe verurteilt

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Statue der Justitia mit einer Waage und einem Schwert in der Hand. Foto: Arne Dedert/dpa/Symbolbild (Foto: dpa)

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Kassel (dpa/lhe) - Das Amtsgericht Kassel hat den Biologie-Professor Ulrich Kutschera wegen der Beleidigung von Homosexuellen verurteilt. Es verhängte am Montag eine Geldstrafe von 6000 Euro. Den Vorwurf der Volksverhetzung sah das Gericht nicht als stichhaltig an. Allerdings seien Kutscheras Äußerungen auch nicht durch die Freiheit der Wissenschaft gedeckt, sagte der Richter: "Es kommt auch auf den Zusammenhang an." So habe sich der Evolutionsbiologe in einem Interview geäußert und nicht in einer Vorlesung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Angezeigt worden war der Evolutionsbiologe wegen eines Interviews, das 2017 auf dem Portal kath.net erschien. Darin äußerte sich Kutschera zum Thema "Ehe für alle", also Eheschließungen unter Personen gleichen Geschlechts. Unter anderem hatte der Professor der Uni Kassel das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare mit Pädophilie und Kindesmissbrauch in Verbindung gebracht. Die Staatsanwaltschaft warf ihm vor, unter dem Vorwand angeblich "biowissenschaftlicher Fakten" Homosexuellen eine grundsätzliche Neigung zum sexuellen Missbrauch von Kindern zuzuschreiben.

Kutschera stand zu seinen Zitaten. Allerdings warf er Kritikern und der Staatsanwaltschaft vor, Aussagen falsch zu verstehen und aus dem Kontext zu reißen: "Die gesamte Anklage geht komplett an dem vorbei, was in dem Interview steht", sagte er. Die Staatsanwaltschaft verkenne, dass er sich im Text auf ein Experiment zur Geschlechtsidentität beziehe und den Begriff Pädophilie im Sinne von dessen Autor als "einvernehmliche liebevolle Handlungen" verwende - abgegrenzt von sexuellem Kindesmissbrauch. Im Grunde gehe es Kutschera um eines, sagte sein Anwalt: "Er hegt Befürchtungen hinsichtlich psychischer Probleme bei Kindern aus gleichgeschlechtlichen Partnerschaften."

Den Verweis auf die Verwendung fachsprachlicher Begriffe ließ der Richter nicht gelten: "Das allgemeine Publikum versteht es so, wie es im allgemeinen Sprachgebrauch ist."

So sahen es auch Homosexuelle, die vor Gericht als Zeugen auftraten. Unter anderem sagte ein 53 Jahre alter Berliner Arzt vor dem Amtsgericht aus, der Kutschera angezeigt hatte. Er habe dies getan, "weil ich mich in meiner Menschenwürde verletzt fühle." Kutschera habe mit seinen Äußerungen die Grenzen der Freiheit von Meinungsäußerung und Wissenschaft überschritten.

Kutscheras Arbeitgeber, die Universität Kassel, erklärte nach der Verhandlung: "Die Äußerungen von Ulrich Kutschera empören." Doch das erstinstanzliche Urteil sei noch nicht rechtskräftig. Für verbeamtete Hochschullehrer gelte das Hessische Disziplinargesetz, nach dem ein mögliches Disziplinarverfahren solange ruht, bis in einem Strafverfahren in gleicher Sache ein rechtskräftiges Urteil vorliege. Ein Verfahren für die Nachfolge von Kutschera sei aber "auf einem sehr guten Weg".

Hessens Wissenschaftsministerin Angela Dorn (Grüne) erklärte, das Urteil zeige, dass die Meinungsfreiheit in Deutschland funktioniere. "Sie findet ihre Grenzen dort, wo Menschen und ganze Menschengruppen beleidigt und verunglimpft werden." Wenn das Urteil rechtskräftig werde, werde die Uni Kassel "als Dienstbehörde zu prüfen haben, ob sich daraus disziplinarische Folgen ergeben", so Dorn. "Ich bin sicher, dass sie dies sorgfältig tun wird."

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