Starnberg:MS Seeshaupt auf dem Prüfstand

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Nach dem kurios anmutenden Unfall am Undosa-Steg hat die Staatsanwaltschaft München ein technisches Gutachten über das nagelneue Schiff angefordert.

Gerhard Summer

StarnbergAm Tag nach dem Unglück kursierten schon Einparkwitze auf Leserforen im Internet. Am Steuer der neuen MS Seeshaupt müsse wohl eine Frau gewesen sein, hieß es. Oder: Das Schiff sei offenbar schludrig montiert, außerdem wäre es besser gewesen, wenn die Kapitäne erstmal ein paar Dutzend Fahrten zum Kennenlernen des Dampfers ohne Passagiere absolviert hätten. Was Leute eben so schreiben. Walter Stürzl, Geschäftsführer der Bayerischen Seenschifffahrt, wundert sich ohnehin schon über gar nichts mehr. Da sei im Rundfunk von 10 000 Euro Schaden am neuen Luxusliner die Rede gewesen, sagt er, obwohl sich die MS Seeshaupt nur eine Delle am Heck einfing. Am Samstag machte sich Stürzl nach Starnberg auf, um sich den ramponierten Steg des Lokals "Orange Beach" am Undosa anzuschauen und die Stimmung an der Dampferanlegestelle zu erkunden. Und er konstatierte: "Die Schiffe waren ziemlich voll, die Leute haben schon Vertrauen in die Schifffahrt."

Und rums! Die MS Seeshaupt ist am Starnberger See gegen einen Restaurantsteg gekracht - es gab fünf Verletzte. (Foto: Peter Schropp/DPA)

Fest steht aber auch: Am Freitagabend gegen 18.15 Uhr war passiert, was nach einem gemütlichen Ausflug auf einem oberbayerischen See nicht hätte passieren sollen: Als die Seeshaupt ohne Passagiere in den Hafen zurückkehren wollte und eine Schleife drehte, rammte sie mit dem Heck mehrmals den vollbesetzten Restaurantsteg des Lokals "Orange Beach". Unter den Gästen brach Panik aus, laut Polizei ist es "nur glücklichen Umständen zu verdanken", dass nicht mehr als fünf Menschen verletzt wurden. Vier von ihnen wurden ins Krankenhaus Starnberg gebracht, laut Stürzl konnten sie die Klinik noch am gleichen Abend verlassen. Die Rettungskräfte waren mit einem Großaufgebot im Einsatz. Den Schaden am Schiff beziffern die Ermittler mit 2000 bis 5000 Euro. Ob die Statik des nun gesperrten Stegs in Mitleidenschaft gezogen ist, steht noch nicht fest, wie Christian Sterr, Geschäftsführer von "Orange Beach", sagte. Klarheit werde es erst am Montag oder Dienstag geben. Auch die Ursache des Unglücks ist noch ungewiss. Laut Polizei und Stürzl ließ sich der Vorwärtsgang der 6,5 Millionen Euro teuren Seeshaupt nicht mehr einlegen. Nach der Havarie, bei der Rückfahrt in den Hafen, funktionierten die Systeme wieder. Die Ermittler nehmen deshalb an, "dass dem Unfall ein technischer Defekt zugrunde liegen könnte". Die Staatsanwaltschaft München II ordnete ein technisches Gutachten an. Wann die sichergestellte Seeshaupt wieder in Betrieb genommen werden kann, steht in den Sternen. Klar ist hingegen: Der Kapitän und seine Besatzung "waren alle absolut fahrtüchtig", so die Wasserschutzpolizei. Stürzl zufolge war am Freitag ein sehr erfahrener Kapitän am Steuer, der wie die anderen Schiffsführer der Seeshaupt eine Woche lang auf dem neuen Luxusliner eingewiesen worden war. Den Dampfer nun Pannenschiff zu nennen, hält Stürzl für absurd. Denn "jedes Schiff ist ein Prototyp, jede Technik ist anfällig". Mit der Seeshaupt hatte es schon drei Tage nach der Jungfernfahrt ein erstes Problem gegeben. Bei einem Anlegemanöver in Berg spielte die Elektronik nicht mit. Ursache: ein defektes Relais.

Wie Stürzl in einer Presseerklärung schreibt, entschuldigt sich die Seenschifffahrt bei den Verletzten, beim Wirt des "Orange Beach" und den Gästen, die mit dem Schrecken davongekommen sind. Ihre Versicherung werde selbstverständlich die Schäden ersetzen. Er nehme den jetzigen Zwischenfall zum Anlass, nochmals die Steuerung des neuen Schiffes komplett zu überprüfen, so Stürzl. Den Schaden am Schiff taxiert er selbst auf "nur wenige hundert Euro". Und der Linienverkehr auf dem Starnberger See werde mit anderen Schiffen "uneingeschränkt aufrechterhalten".

© SZ vom 30.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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