Starnberg:Das Berufsleben - eine Prüfung

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Beim "Tag der Ausbildung" erhalten Schüler aus dem Landkreis erste Einblicke ins Berufsleben; 70 Betriebe stellen sich vor.

Benedikt Warmbrunn

Abwechslung von all den Powerpoint-Präsentationen: Bei der Firma WSW Software in Krailling dürfen sich die Schüler das Innenleben eines Computers anschauen (links), außerdem werden sie in die Vorgänge in einem Serverraum eingeführt.Foto: Franz Xaver Fuchs (Foto: STA Franz X. Fuchs)

- Mathematik, am Ende kommt es also tatsächlich auf Mathematik an. Englisch, gut, das war zu erwarten. Aber Mathe? Muss das sein? Ja, sagt Kurt Schmid. Zehn Schüler schauen sich an, etwas verzweifelt. Ja, sagt später auch Andrea Bodner. Zehn Schüler schauen sich an, etwas verunsichert. Aber Frau Bodner hat auch eine beruhigende Nachricht. Ein Schüler, das ist der Bewertungsmaßstab bei Einstellungsgesprächen, verfüge bereits über grundlegende Mathematik-Kenntnisse, wenn er am Ende des Schuljahrs eine Drei im Zeugnis stehen hat.

Es sind diese kleinen Informationen, die für die Gruppe den Mittwoch so ergiebig werden lassen. Obwohl sie aufgrund der Buß- und Bettagregelung nicht in die Schule müssen, haben sie sich um 9 Uhr am Gautinger Bahnhof getroffen, wie viele andere Jugendliche im Landkreis auch. 334 Schülerinnen und Schüler hatten sich zum zweiten "Tag der Ausbildung" angemeldet, um Einblicke in das Berufsleben zu erhalten. Sie konnten wählen zwischen 18 verschiedenen Busrouten, die zu je vier Betrieben und Einrichtungen gefahren sind. Die zehn Schüler am Gautinger Bahnhof haben sich für die Route 10 entschieden, für "technisch, kaufmännisch".

Auf der Fahrt zum ersten Unternehmen sitzen die Schüler - ausschließlich Jungs - noch etwas verschlafen da, vielleicht war es doch keine gute Idee, freiwillig so früh aufzustehen. Im Besprechungszimmer der Firma Schmid Alarm in Stockdorf hat eine der beiden Betreuungspersonen, der Tutzinger Unternehmer Michael Willberg, die erste desillusionierende Botschaft. "Das Berufsleben besteht nicht aus drei Prüfungen im Jahr", sagt Willberg, "das Berufsleben ist an jedem Tag eine Prüfung." Ursula Kobes-Hellwagner von der Agentur für Arbeit in Fürstenfeldbruck nickt.

Das Berufsleben kann aber auch spannend sein, das vermitteln die Referenten der teilnehmenden Betriebe auf dieser Route. Alle Betriebe, neben Schmid Alarm sind das Webasto, WSW Software sowie Electro Optical Systems, präsentieren überwiegend Ausbildungsberufe im Feld der Informationstechnologie, sie bieten eine Vielzahl an Möglichkeiten. Kurt Schmid, technischer Leiter bei Schmid Alarm, erzählt etwa vom größten Goldwarenhändler Deutschlands, für den Schmid Alarm das Sicherheitssystem installiert haben. Als er sagt, dass handwerkliches Können genauso wichtig sei wie technisches Verständnis und Mathematik, ist aus der letzten Reihe laut ein "Halt's Maul!" zu hören. Es ist aber nur der SMS-Ton eines Schülers.

Auf der Fahrt zum zweiten Unternehmen wird es lauter im Bus, gerade in der letzten Reihe, in der es sich die Realschüler aus Tutzing bequem gemacht haben. Es ist überhaupt eine bunt gemischte Besetzung, auch die Realschulen aus Gauting und Herrsching sind vertreten, dazu das Gymnasium Starnberg. Von Webasto, der zweiten Station, ist die Gruppe besonders begeistert. Im "Vorstands-Casino" genannten Besprechungszimmer erklärt Andrea Bodner, die Ausbildungsleiterin, das Azubi-Konzept des Herstellers für Autodach- und Thermosysteme. "Wolke 7" heißt das Konzept, sieben Prozent aller Angestellten der deutschen Standorte sollen Auszubildende sein. Aktuell sind es 228, davon 64 in Stockdorf und Gilching. 80 bis 90 Prozent, sagt Bodner, werden übernommen. Die eigentliche Hürde ist daher das Bewerbungsverfahren, in diesem Jahr konnten sie für die 20 Stellen aus 200 Kandidaten wählen. In einem Einstellungstest müssen die Interessenten ihr Wissen in Politik und Wirtschaft, es gibt Übungen zu logischem Denken genauso wie zu Mathematik. Auch ein Referat müssen sie halten, in diesem Jahr konnten die Bewerber wählen zwischen "Elektromobilität" und "Eurokrise".

Im Foyer beantwortet Bodner dann die Fragen der Jungen. Sie empfiehlt allen, sich für ein Praktikum zu bewerben, egal wo, gerne auch bei Webasto. Ganz besonders interessiert die Schüler, wie wichtig denn nun das Zeugnis sei. Einer fragt, ob er mit einer Fünf in Mathe überhaupt keine Chance habe. Bodner überlegt kurz, dann sagt sie: "Vielleicht drücke ich in dem Fall ein Auge zu. Wenn du dich schon an einem freien Tag hierher bemühst."

© SZ vom 22.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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