Unterhaching:Mit der Grenze verschwindet das Grün

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Grün kaputt: Der Neubau an der Ecke Fasangarten-/ Kapellenfeldstraße. (Foto: unk)

Eine Führung des Bundes Naturschutz zeigt auf, wie sich das Areal zwischen Fasangarten und Unterhaching verändert.

Von Christina Jackson, Unterhaching/München

Herbert Gerhard Schön ist ein aufmerksamer Beobachter. Mit kritischem Blick verfolgt er den raschen Wandel der Landeshauptstadt München, die immer mehr Menschen beheimatet und stetig wächst. Der Umwelt-Aktivist engagiert sich in der örtlichen Bund-Naturschutz-Kreisgruppe und veranstaltet seit 2005 Rundgänge zur Stadtplanung. Jetzt nahm er mit einer Gruppe aus rund zehn Teilnehmern die Grenze zwischen München und Unterhaching genauer unter die Lupe.

Bei dieser Besichtigung legt Schön viel Wert aufs Detail. Direkt am Treffpunkt an der S-Bahnstation Fasangarten empfiehlt Schön eine Kostprobe des üppig sprießenden Staudenknöterichs, der unmittelbar am Fußweg zum Bahnsteig gedeiht: "Wie Sauerampfer kann man das gut essen", sagt Schön. Insgesamt verläuft der Rundgang nach diesem Prinzip: Wie zufällig stoppt die Gruppe an Neu- und Altbauten, einzelnen Bäumen und Wegkreuzungen. Dabei kommt Schön sehr schnell mit Anwohnern und Passanten ins Gespräch, die ebenfalls von Sünden und Segen des Baubooms in und um München berichten. Vorausschauend hatte der BN-Experte schon zu Beginn des Rundgangs auf die flexible Zeitplanung ("zwischen drei und vier Stunden") hingewiesen. Eine Prognose, die deutlich untertrieben war.

Der Naturschützer wünscht sich autofreies Wohnen

Überall greifen die Teilnehmer die Ausführungen des Naturschutzexperten auf und berichten von eigenen Erlebnissen. Auch am ersten Besichtigungsstopp in Nähe des ehemaligen Parkplatzes, der zu dem abgerissenen Hit-Supermarkt gehörte, fallen den Gruppenmitgliedern Assoziationen zum Vortrag ein. Zuvor hatte Schön auf ein Phänomen hingewiesen, das in München immer seltener zu beobachten ist. "Hier in unmittelbarer Nähe zum S-Bahnhof Fasangarten sehen wir ein Beispiel für Platzverschwendung." Denn wo einst der Hit-Markt mitsamt Parkplatz stand, werden nun ein neuer Supermarkt und ein Ärztehaus entstehen. "Warum nicht mehr Wohnungen?" fragt Schön in die Runde. Er wünscht sich umfassende, ökologische Konzepte: "Hier hätte es das autofreie Wohnen geben können. Die S-Bahn ist vor der Tür, bis zum Marienplatz sind es gerade einmal acht Kilometer, die auch mit dem Rad gut zu schaffen sind."

Engangiert für das Grün unterwegs: Herbert Gerhard Schön. (Foto: Robert Haas)

Für die gelungene Umsetzung eines solchen Konzepts hat Schön ein Beispiel parat: das Quartier Domagk-Park. Dort gibt es kaum Anwohnerparkplätze, dafür aber eine Car-Sharing-Station, einen Fahrradservice mit Verleih sowie einen MVG-Service. Die Verkehrsgesellschaft plant an dem Standort das Pilotprojekt "Mobilität Neubauquartiere". Insgesamt sollen dort bis 2018 rund 1600 Wohnungen für alle Einkommensgruppen entstehen. 50 Prozent davon gefördert. Ein Modell, das sich Schön auch am Fasangarten gewünscht hätte. "Offenbar ist der Druck hier noch nicht so groß."

Freie Grundstücke sind knapp

Dabei sind die Spuren von Expansion und Wohnungsnot am Stadtrand unübersehbar. Kein Wunder: Jedes Jahr melden sich rund 30 000 Neubürger im Kreisverwaltungsreferat der Stadt an. Bis zum Jahr 2030 erwartet München ein Bevölkerungszuwachs von derzeit eineinhalb Millionen Einwohner auf 1,8 Millionen. Parallel dazu kommen Bauprojekte nur zögerlich dem Bedarf entsprechend nach. Schön: "Lediglich 8000 Neubauwohnungen entstehen pro Jahr." Freie Grundstücke sind knapp, Mietwohnungen ebenfalls.

Auf dem Weg zur Stadtgrenze in Richtung Unterhaching präsentiert Schön Beispiele für die maximale Flächennutzung auf den Grundstücken. An der Ecke Fasangarten-/Kapellenfeldstraße deutet Schön auf einen Neubau. Das Plakat zur Baustelle preist "drei schicke Neubauwohnungen" an. "Hier stand früher einmal ein einziges Haus mit Garten und Garage." Jetzt befinden sich auf dem Gelände fünf Wohneinheiten, von denen offenbar noch drei zu vergeben sind. Unter den expansiven Bauarbeiten haben auch die Bäume und das Grün auf dem Grundstück gelitten.

Bäume sterben ab oder werden ausgetauscht

Schön zeigt auf freigelegte Wurzeln, vertrocknete Blätter und die verkümmerte Baumkrone. "Dieser Baum wird absterben", resümiert der BN-Aktivist und redet sich in Rage. Es macht ihm sichtlich Kummer, dass selbst die Ersatzpflanzungen keine Garantie für den Erhalt der Pflanzen ist. Er vermutet vielmehr Betrug von Seiten der Bauträger: "Die Ersatzbäume werden bis zu 30 Meter hoch und beschatten irgendwann das Haus. Deshalb zeigen die Baufirmen den Verwaltungsmitarbeitern der Umweltämter einen eilig gepflanzten Baum, der im Anschluss an den Prüftermin wieder ausgegraben und gegen eine kleinere Pflanze ausgetauscht wird."

Mit seinem leidenschaftlichen Plädoyer für den Erhalt des Grüns hat Schön auch Anwohner und Nachbarn angelockt. Ein Eigentümer berichtet von der langwierigen Suche nach Wohnraum. "Ich habe mindestens 50 Makler kennen gelernt. Der Immobilienmarkt in München und Umgebung ist krank. Auf eine Wohnung kommen 100 Bewerber." Als gebürtiger Unterhachinger habe er schon von vielen Maklern vor Ort gehört, die bereits nach Hausgrundstücken suchen, um die Gebäude abzureißen und gegen mehrere Wohneinheiten zu ersetzen. Er ist sich sicher: "In 20 Jahren wird die Stadtgrenze zu Unterhaching geschlossen."

© SZ vom 31.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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