Hochschulen:Afghanischer Beamter bekommt kein Visum, weil er Asyl beantragen könnte

Lesezeit: 2 min

Er sollte eine Zusammenarbeit mit der LMU München organisieren. Doch das glaubt ihm die deutsche Botschaft nicht.

Von Jakob Wetzel

Es klingt nur konsequent: Bildung ist ein offizieller Schwerpunkt der deutschen Entwicklungspolitik, und wer ist auf diesem Feld kompetenter als eine Universität? Zwei Professoren der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) wollten nun der Universität Herat in Afghanistan dabei helfen, Ärzte zu Fachärzten weiterzubilden.

Und jetzt sollten die Pläne konkret werden: Mohammad Asef Kabir, ein leitender Beamter des afghanischen Gesundheitsministeriums, wollte nach München reisen, um Details zu klären. Doch gekommen ist der Mann nur bis Kabul, in die deutsche Botschaft: Diese argwöhnte, er wolle in Deutschland womöglich Asyl beantragen, und verweigerte ihm das Visum. Und so muss der Politiker jetzt erst einmal draußen bleiben.

Entwicklungshilfe, die droht, an einem Visum zu scheitern? Luitgard Wiest ist empört. "Irrsinn", sagt sie, "eine Ungeheuerlichkeit". Die Münchner Hautärztin hat den Kontakt nach Afghanistan vermittelt; sie war mit der Hilfsorganisation Cap Anamur mehrmals dort und steht in Verbindung mit Asef Kabir. "Wir reden in Deutschland von Willkommenskultur", sagt sie. Doch ausgerechnet einem, der in seinem Land etwas bewegen könne, dem verwehre man den Besuch?

"Das ist ein wiederkehrendes Problem"

Matthias Siebeck bleibt dagegen gelassen - freilich nicht, weil er keinen Grund zu klagen hätte, im Gegenteil. Es ist nur: Ihm passiert das nicht zum ersten Mal. Der Proktologe ist einer der Gründer des "Center for International Health" (CIH) an der LMU. Mit Thomas Ruzicka, dem Direktor der LMU-Dermatologie an der Frauenlobstraße und des städtischen Klinikums an der Thalkirchner Straße, hat er Asef Kabir eingeladen.

Bildung
:Bayerische und russische Hochschulen sollen enger zusammenarbeiten

Ministerpräsident Horst Seehofer will die Kooperation institutionalisieren. Die Universitäten beider Ländern sind da schon einen Schritt weiter.

Von Anne Kostrzewa

Das CIH ist ein Leuchtturmprojekt; es unterhält ein großes Netzwerk mit ausländischen Universitäten und wird zu diesem Zweck unter anderem vom Bundesentwicklungsministerium finanziert. Einer Universität böten sich hier einfach spezielle Möglichkeiten, sagt Siebeck. Doch die Kooperation mit Entwicklungsländern sei schwierig: Immer wieder habe er es leidvoll erlebt, dass Partner keine Visa bekamen. "Das ist ein wiederkehrendes Problem. Man braucht einfach viel Geduld."

Doch was genau ist das Problem? Das Auswärtige Amt äußert sich nicht zu Einzelfällen, verweist aber auf den Visa-Kodex der EU-Länder. Demnach muss jeder Antragsteller unter anderem Belege einreichen, "anhand deren seine Absicht, das Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des beantragten Visums zu verlassen, beurteilt werden kann".

Zwei Belege fehlen

Welche Belege in Frage kommen, ist aufgelistet: ein Rückreise- oder Rundreiseticket etwa, der Nachweis von Vermögen im Herkunftsland oder ein Beleg für den Job oder für enge Familienbindungen an die Heimat.

Reform
:Hochschule für Politik: Lieb gewonnen, bald zerronnen

Im Juli zieht die Einrichtung zur TU. Vom Wandel fühlen sich manche Studenten überrollt, wie ein anonymes Schreiben zeigt.

Von Jakob Wetzel

Wiest sagt, Asef Kabir hätten zwei Belege gefehlt: Einmal hätte er auf dem Formular angekreuzt, dass er schon einmal ein Schengen-Visum gehabt habe; der Afghane sei vor Jahren in Frankreich gewesen. Das aber hätte er mit seinem alten Pass belegen müssen, und das habe ihm niemand gesagt. Und beim zweiten fehlenden Beleg sei es um Nebeneinkünfte gegangen. Asef Kabir sei Arzt und praktiziere nebenher, um über die Runden zu kommen, sagt Wiest. "Das machen dort alle." Aber auch diese Einkünfte habe er aus Unkenntnis nicht nachgewiesen.

Asef Kabir selbst trägt es offenbar mit Fassung. In Afghanistan sei man im Umgang mit Behörden gewohnt, dass nicht alles klappe, sagt Wiest. Und obwohl es für ihn nicht einfach sei, die deutsche Botschaft in Kabul zu erreichen, wolle er es erneut versuchen. Die beiden Fragen auf dem Formular wolle er dann einfach gar nicht mehr beantworten. Denn dann, habe sie gehört, gehe das mit dem Visum leichter.

© SZ vom 23.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: