Moosburger Isar Akademie:Eigenes Erfolgskonzept gegen den Fachkräftemangel

Lesezeit: 2 min

Ernst Pracher hat 2009 die Moosburger Isar Akademie gegründet, um dort nach eigenem Konzept Schüler auszubilden. 13 junge Flüchtlinge haben hier im Sommer 2017 die entscheidende Schweißprüfung bestanden (Symbolbild). (Foto: Patrick Pleul/dpa)

Viel riskiert hat der Unternehmer Ernst Pracher, als er 13 Flüchtlingen eine Metallhelfer-Ausbildung ermöglichte, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Für die Gebete der jungen Muslime hat er eine Nische in den Werkhallen frei räumen lassen.

Von Clara Lipkowski, Moosburg

Vielerorts im Landkreis bemühen sich Ausbildungsbetriebe darum, Flüchtlinge anzulernen und ihnen Arbeit zu geben. Ernst Pracher hatte denselben Gedanken und hat 13 Flüchtlingen eine Ausbildung ermöglicht - zum Metallhelfer in der Fachrichtung Schweißen. Vergangene Woche haben alle Schüler die zweite, entscheidende Schweißprüfung bestanden. Zwar endet die Fortbildung erst im September, jetzt aber können sie sich schon auf dem Arbeitsmarkt bewerben.

Auf dem Gelände der Pracher Mechanik GmbH hat sich seitdem vieles verändert. Einige deutsche Mitarbeiter seien schon skeptisch gewesen, berichtet Pracher. Ganz gewöhnlich sei es ja nicht, schließlich gebe es mittlerweile eine Ecke zum Beten in einer der Werkhallen. Eine kleine Nische ist für die jungen muslimischen Männer freigeräumt, damit sie ihren mitgebrachten Teppich gen Mekka ausrichten können.

Nach einer Gewöhnungsphase lief der Lehrgang an der Moosburger Isar Akademie gut an

1 / 3
(Foto: CLLI/Fotos: M. Einfeldt)

Deutsch zu sprechen fällt ihm noch ein wenig schwer, an der Maschine aber lernt Mehari Tesfay, 27, schon andere Kollegen an. "Am liebsten arbeite ich an der Dreh- oder Bohrmaschine", sagt der Vater einer Tochter. "In seiner Heimat Eritrea hat er zwölf Jahre die Schule besucht, in Mathe ist er da natürlich super", sagt Ausbilder Süß. Nach Ende des Lehrgangs möchte er am Flughafen in einem Maschinenbaubetrieb anfangen. Die Bewerbung ist schon raus.

2 / 3
(Foto: Marco Einfeldt)

Der Afghane Kefayat Sediqi, 37, lebt mit seiner Frau und den drei Kindern seit zwei Jahren in Deutschland. "Ich habe schon sieben Jahre in Iran als Schweißer gearbeitet", erzählt er. Die Schweißerprüfungen waren ein Leichtes für ihn. "Aber auch so", sagt Ausbilder Süß, "er ist ein Naturtalent. Er stellt sich an die Maschine und macht alles einfach genauso, wie es sein muss." Er wird nach dem Lehrgang, wie auch Lawand Youssef, von Pracher Mechanik übernommen.

3 / 3
(Foto: Marco Einfeldt)

Lawand Youssef, 21, stammt aus Syrien. Er ist seit fast zwei Jahren in Deutschland. "Ich bin froh, dass ich mit meinem Meister und den Kollegen gut auskomme", sagt er. "Das sind gute Männer. Für mich ist das Wichtigste: Ich will lernen." Sein Ausbilder Bernhard Süß sagt: "Egal, was er macht, er sieht nichts als Strafarbeit an und ist motiviert dabei." Wo andere im Stress schon mal vergessen, Werkzeug zu verräumen, bringe ihn nichts aus der Ruhe. CLLI/Fotos: M. Einfeldt

Nach einer Eingewöhnung aber lief der Lehrgang gut. 2009 hatte Ernst Pracher die Moosburger Isar Akademie gegründet, um dort nach eigenem Konzept Schüler auszubilden. Gewissermaßen aus der Not geboren. "Wir wollten dem Fachkräftemangel begegnen, da haben wir es erst mit Langzeitarbeitslosen und behinderten Menschen probiert", berichtet der Maschinenbaumeister und Kopf des Unternehmens.

"Das Besondere ist, dass alle einen europäischen Schweißpass bekommen"

2016 startete der erste Jahrgang als Pilotprojekt mit Flüchtlingen aus Moosburg und Mauern, also eigentlich aus Syrien, Togo, Afghanistan, der Türkei, Eritrea und dem Irak. Von den 18 vom Jobcenter und der Arbeitsagentur vermittelten Männern haben 15 die Lehre durchgezogen, davon zwei Langzeitarbeitslose und der Rest Flüchtlinge. Für sie steht auf dem Programm: vormittags Deutschunterricht, nachmittags praktische Arbeit. Drehen, Feilen und Schweißen etwa, hin und wieder EDV. Gar nicht so einfach, schildert Pracher, auf Deutsch die Skalierung einer Schieblehre zu erklären. Es habe sich aber gelohnt. "Das Besondere ist, dass alle einen europäischen Schweißpass bekommen. Will jemand in ein anderes europäisches Land, meinetwegen ein Iraker, der Familie in Schweden hat, kann er damit sofort das Arbeiten anfangen." Jetzt, da die Männer die Prüfungen bestanden haben, atmet er etwas auf. "Am Anfang war es schon ein bisschen ein Kampf, wir kannten ja die Leute nicht, wussten nicht, was auf uns zukommt." Ein Mann etwa war Analphabet. Und da waren die teils ungeklärten Aufenthaltsgenehmigungen. Der Status eines Afghanen war keineswegs geklärt, bis jetzt durfte er bleiben.

"Du hast Infos bekommen, die sich nach drei, vier Wochen geändert haben", sagt Pracher, "da musste man einigen Papieren hinterher telefonieren." Dass irgendwann einfach ein Mitarbeiter aufhören müsste, wäre geschäftsschädigend gewesen. "Wir müssen trotzdem liefern. Sonst sagen die Kunden: Schleich di!" Gezittert, dass einer gehen muss, habe er deswegen schon.

Dass es soweit nicht kam, habe wohl auch mit Glück zu tun. Immerhin habe er sich ein wenig aus dem Fenster gelehnt, damals, als er mit der Idee auf die Arbeitsagentur und die Bürgermeisterin zukam. Für zwei haben sich Pracher und der Ausbilder und Werkstattleiter Bernard Süß nun entschieden. Sie werden übernommen. Und: Der neue Kurs ab September ist so gut wie ausgebucht.

© SZ vom 05.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: