"Preisträger-Gipfel" in Bad Tölz:Auf Quartett-Safari

Lesezeit: 2 min

Sie frönen einem besonderen "Ganztagshobby": Christoph und Susanne Kessler haben die Reihe "quartettissimo!" ins Leben gerufen und 2023 erstmals auch einen internationalen Streichquartett-Wettbewerb. (Foto: Sonja Beck)

Mit ihrer Reihe "quartettissimo!" und einem hochkarätigen Wettbewerb haben Christoph und Susanne Kessler Bad Tölz zu einem internationalen Streichquartett-Hotspot gemacht. Auf der Suche nach herausragenden jungen Ensembles touren die beiden durch halb Europa.

Von Paul Schäufele, Bad Tölz

"Keinesfalls aber auf Des schließen!", heißt es auf der letzten Seite von Alban Bergs "Lyrischer Suite". Mit diesem fahlen Schluss geht ein einmaliges Kammermusikfestival zu Ende. Er markiert das Ende des Bad Tölzer "Preisträger-Gipfels", bei dem sich auf Einladung des Vereins "Klangerlebnis" sechs unlängst ausgezeichnete Streichquartette zeigten.

Das australische Affinity Quartet begeisterte mit Haydn, Beethoven und einer Komposition ihres Landsmanns Brett Dean ("Hidden Agendas"), in der die vier ihre Lust am konkret-präzisen Gestalten musikalischer Texturen zeigen konnten. Zwei Tage darauf folgte das Barbican Quartet , verdienter Gewinner des ARD-Wettbewerbs 2022. Noch am Anfang seiner Karriere steht nach einem ersten Preis in Osaka das Mailänder Quartetto Indaco. In Bad Tölz überzeugte es mit Musik von Germaine Tailleferre und einer Schubert-Hommage ihres Cellisten Cosimo Carovani.

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Neue Musik zeigte auch das Konzert des Isidore Quartet aus New York. Dessen prägnant Grautöne differenzierende Interpretation von "Umbra" der iranischen Komponistin Aida Shirazi begeisterte ebenso wie die halbszenische Aufführung von "The Disappearance of Lisa Gherardini", mit dem Dinuk Wijeratne der 1911 stattgefundenen Entführung der Mona Lisa eine musikalische Gestalt gab. Schon Publikumsliebling ist das Leonkoro Quartet, das Schubert, Janáček und Beethoven spielte. Das Wiener Chaos String Quartet machte den atonal adäquaten Abschluss.

Spannend zu hören, wie sie aus ihrem Namen ein kreatives Prinzip machen: das Wiener Chaos String Quartet beim "Preisträger-Gipfel" in Bad Tölz. (Foto: Manfred Neubauer)

"Wird das angenommen?", fragte sich der Organisator Christoph Kessler. Es wurde angenommen, beinahe tausend Karten wurden verkauft. Kessler und seine Frau Susanne reisen auf Quartett-Safari durch halb Europa. "Manchmal schauen wir uns nach zwei Takten an und wissen: Die müssen wir einladen!", sagt Christoph Kessler. Einen Vertrag hat er immer in der Tasche. So ist es gelungen, die Kurstadt als Streichquartett-Hotspot zu etablieren mit der 2018 ins Leben gerufenen Reihe "quartettissimo!".

Feine Akustik: Die Streichkonzerte im schönen Kurhaus-Saal finden ihr Publikum, es kommen Kenner und Ersthörer, so soll es sein. (Foto: Manfred Neubauer)

Die Idee entstand während eines Konzerts in München. Das Schicksal wollte, dass für das ausverkaufte Konzert des Quatuor Ebène mit Menahem Pressler in München plötzlich doch Karten frei wurden. "Das müssen wir auch machen", sagten sich Kesslers, überwältigt von der Musik. Die Idee blieb, auch junge Quartette zu fördern. Der hochkarätig besetzte Wettbewerb 2023 entstand so, wobei die Planungen für den nächsten im Jahr 2026 bereits laufen. Ein Auftragswerk soll Pflichtstück sein, auch je ein Quartett von Bartók und Beethoven. Der "Preisträger-Gipfel" ist als dessen Bruder-Veranstaltung zu sehen - ein konzertantes Forum für exzellente Quartette am Karrierebeginn.

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All das zu organisieren, ist für Kessler ein "Ganztagshobby". Mit diesem Hobby beugt er Entzugserscheinungen beim Publikum nach dem Festival vor: Am Sonntag, 3. März, spielt das finnische Meta4 Quartet in Bad Tölz, ehe das Kopenhagener Novo Quartet die neue "quartettissimo"-Saison im Herbst einläutet (Sonntag, 27. Oktober). Daran schließen sich ein Sonderkonzert zum 50. Todestag Schostakowitschs am Sonntag, 19. Januar 2025, und Konzerte zum Tölzer Thomas-Mann-Festival.

Und doch: Der Preisträger-Gipfel war etwas Besonderes. Ihn mit Bergs Lyrischer Suite zu beenden, passt, weil das Stück selbst darüber verwundert zu sein scheint, aufzuhören. "Keinesfalls auf Des schließen", möchte man rufen - am besten überhaupt nicht aufhören. Daran ist glücklicherweise nicht zu denken.

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