Altstadt:Der Andechser am Dom wird abgerissen

  • Das Traditionslokal Andechser am Dom in der Münchner Altstadt muss zum 30. Juni schließen.
  • Damit dürfte hinter dem Rathaus bald eine weitere Großbaustelle entstehen.
  • Nach dem Abriss des Andechser und eines Nachbargebäudes will die Nymphenburg Immobilien-AG die Grundstücke lukrativ verwerten.

Von Franz Kotteder

Sepp Krätz wirkt erstaunlich kampfeslustig: "Wir sind zuversichtlich und stark genug, um neu anzufangen", sagt er. Dabei ist jetzt klar, dass er sein Traditionslokal Andechser am Dom, das er 23 Jahre lang zusammen mit seiner Familie geführt hat, zum 30. Juni schließen muss.

Der Grund: Die Nymphenburg Immobilien AG, die zum Vermögen des Milliardärs August von Finck gehört, plant einen Neubau auf den Grundstücken Weinstraße 7 und Weinstraße 7 a, auf dem sich unter anderem auch der Andechser am Dom befindet. Deshalb wurde der eigentlich bis 2019 laufende Pachtvertrag mit der Andechser Brauerei und Krätz nun doch nicht verlängert. Das war der Brauerei vor einem halben Jahr noch in Aussicht gestellt worden.

Damit dürfte hinter dem Rathaus bald eine weitere Großbaustelle entstehen. Erst 2016 hatte die Nymphenburg Immobilien-AG das benachbarte Haus Weinstraße 6 neu gebaut. Im jüngsten Geschäftsbericht hieß es aber bereits, man besitze mit den drei Grundstücken an der Weinstraße "ein zusammenhängendes Immobilienportfolio, das nach übereinstimmender Überzeugung von Vorstand und Aufsichtsrat grundlegend neue Entwicklungsmöglichkeiten eröffnet und nachhaltig zur Stärkung der Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft beitragen wird".

Tatsächlich hat die nur 969 Quadratmeter große Grundstücksfläche einen Buchwert von gut 135 Millionen Euro. Der soll nun wohl noch steigen. Die beiden Anwesen Weinstraße 7 und 7 a werden komplett abgerissen, wie Nymphenburg-Immobilien-Vorstand Werner Schätzler bestätigt: "Eine Renovierung wäre zu aufwendig, das rechnet sich ökonomisch nicht." Der Bauantrag ist bereits eingereicht. Dem Vernehmen nach soll nach der Fertigstellung "eine große Kette" dort einziehen.

Schätzler will das freilich nicht bestätigen: "Wir sind in Gesprächen mit einem Unternehmen, das den gesamten Komplex übernimmt." Ähnliche Pläne waren vor einigen Jahren gerüchteweise auch für das Areal des Franziskaners an der Residenzstraße im Gespräch. Der Pachtvertrag dort läuft noch bis zum Jahr 2022.

Bekannt wurden die Pläne der Finckschen Vermögensverwaltung für das Areal an der Weinstraße jetzt durch die Klosterbrauerei Andechs. "Wir hätten den Andechser am Dom am bisherigen Standort in unmittelbarer Nachbarschaft zum Münchner Liebfrauendom sehr gerne weitergeführt", heißt es in einer Pressemitteilung der Brauerei. Aber: "Der Eigentümer der Weinstraße 7 a hat vor, die Immobilien in der Weinstraße 7 und 7 a komplett neu zu gestalten." Man habe auch weiterhin "großes Interesse an einer gastronomischen Präsenz in München".

Das deckt sich mit den Interessen von Andechser-Wirt Krätz und seinen Angestellten. "Wir haben hier mehr als 50 Beschäftigte", sagt Krätz, "das ist für diese Betriebsgröße schon außergewöhnlich." Viele von ihnen sind schon mehr als zehn Jahre im Andechser, was in der Gastronomie eher ungewöhnlich ist. "Der Roland, unser Sous-Chef, ist schon 16 Jahre hier", berichtet Krätz, "und Maric, unser Entremetier, von Anfang an."

Zehn Millionen Halbe Bier

Von Anfang an, das bedeutet: seit 1995. Damals bekam Sepp Krätz, der seit 1981 die Waldwirtschaft in Großhesselohe führte, die Gelegenheit, in der Innenstadt ein Lokal zu eröffnen. Anselm Bilgri, der damals noch als Pater Anselm das Sagen hatte im Kloster Andechs, machte ihn zum Wirt in der Dependance der Klosterbrauerei, direkt an der Frauenkirche.

Und Krätz machte aus den gut 140 Plätzen im Inneren sowie weiteren 70 auf der Sommerterrasse ein gut funktionierendes Wirtshaus, in dem auch hohe Prominenz wie der damalige Kardinal Joseph Ratzinger, Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) und Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) ebenso einkehrten wie heute, während der Sicherheitskonferenz, regelmäßig der russische Außenminister Sergej Lawrow. Auch wirtschaftlich war der Erfolg beachtlich. "Gestern Nacht hab' ich's mal ausgerechnet", erzählt Krätz, "in diesen 23 Jahren haben wir hier zehn Millionen Halbe Bier ausgeschenkt, und die kälbernen Fleischpflanzl, die wir verkauft haben, wären übereinandergelegt so hoch wie die Zugspitze."

Klingt ein bisschen so, als habe er doch eine schlaflose Nacht hinter sich. "Nein, es war ja keine große Überraschung mehr", sagt Krätz am Dienstag. Nachdem das Anwesen 2015 an die Finck-eigene Gesellschaft verkauft worden war, deutete sich schon an, dass die das Areal nutzbringender verwerten wollte: "Wir haben uns bereits umgesehen." Der Wirt möchte in der Nähe des Doms bleiben, klar, denn den Namen Andechser am Dom hat er sich schützen lassen. Noch aber sei nichts spruchreif, sagt Krätz.

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