China über die Unmöglichkeit von Zeitreisen:Ursache, Wirkung, Steuererklärung

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Aus, vorbei, nie wieder: Schon lange ärgert sich die chinesische Regierung über Science-Fiction-Filme, die "ernste Historie auf frivole Art und Weise" verdrehen. Nun legen Hongkonger Wissenschaftler nach - und beweisen die Unmöglichkeit von Zeitreisen.

Alex Rühle

Was für elende Spielverderber solche Naturwissenschaftler aber auch sein können. Bisher waren viele gutgemachte Science-Fiction-Filme - mal ganz abgesehen vom Augenschmaus der Special Effects - doch vor allem deshalb interessant, weil man jemandem dabei zuschaute, wie er ein physikalisches Gedankenspiel durchdeklinierte: Was, wenn es Paralleluniversen wirklich gibt und man durch schwarze Löcher dorthin gelangen könnte ("Star Trek")? Was, wenn man den Effekt der Zeitdilatation tatsächlich ausnutzen und mit annähernder Lichtgeschwindigkeit in die Zukunft reisen könnte ("Planet der Affen")? Und hat das nicht was, so eine lässig hingeschlenkerte "Zeitdilatation"? Vor dem Kauf der Kinokarte noch physikalischer Legastheniker, zwei Stunden später spaziert man dank Charlton Hestons relativitätstheoretischen Ausführungen lässig parlierend auf der Zeitachse auf und ab.

Die Besatzung des "(T) Raumschiff Surprise" durfte noch per Zeitreise die Besiedlung des Mars rückgängig machen - Verantwortliche in China sehen solche Filme nun gar nicht mehr gerne. (Foto: dpa)

Nach dem Film trat man zwar blinzelnd zurück in die graue Realität: drei Dimensionen, Ursache, Wirkung, Schwerkraft, Steuererklärung, all der erdenschwere Mist, trotzdem blieb da für kurze Zeit diese winzige Hoffnung, dass man eines Tages doch ein paar Stellschrauben an diesem stahlharten Gehäuse namens Wirklichkeit würde ändern können und dann nix wie weg hier, auf in ferne Zeiten.

Aus, vorbei, nie wieder: All die Zeitreisen werden für immer Fiktion bleiben. Wie das Magazin Telepolis meldet, haben Physiker der Hong Kong University of Science and Technology unter der Leitung von Du Shengwang nachgewiesen, dass ein einzelnes Photon niemals schneller sein kann als das Licht. Du fasst die Konsequenzen dieser Messung in den Physical Review Letters kühl zusammen: "Vereinfacht ausgedrückt behauptete Einstein, dass sich nichts schneller fortbewegen kann als das Licht. Unsere Studie bestätigt Einsteins Kausalität: Ein Effekt kann niemals vor seiner Ursache stattfinden."

Weshalb, so Du weiter, alle Hypothesen über Zeitreisen vom Bereich der Science ins Reich der Fiction abgeschoben werden könnten: Keine supraluminalen Reisen mehr, keine schwarzen Löcher als Schleichwege, keine Paralleluniversen, in denen es aus irgendwelchen Gründen ein paar Millionen Jahre früher ist als hierzulande.

Zwei unterschiedliche Sachen sind an Dus Text interessant. Zum einen kann man mehr und mehr zu der Überzeugung kommen, dass dieser Albert Einstein sich aus naher Zukunft in das Jahr 1905 gebeamt haben muss (die Frisur deutet auf eine heftige Reise durch ein Schwarzes Loch hin): Wie kann einer nur so visionär sein, dass die Physiker, die nach ihm kamen, ein ganzes Jahrhundert lang nichts anderes zu tun haben, als immer neue Teilaspekte seiner Theorie zu beweisen?

Der andere Aspekt, der interessant ist, erschließt sich Europäern nicht auf Anhieb. Es ist die Tatsache, dass es chinesische Wissenschaftler sind, die hier dem Konzept der Zeitreise den wissenschaftlichen Garaus machen. Schließlich hat im April diesen Jahres die chinesische Regierung zwar nicht, wie der New Yorker damals behauptete, Zeitreisefilme kategorisch verboten, aber doch: Das Komitee der Fernsehdirektoren zeigte sich damals besorgt darüber, dass immer mehr Serien auf dem Gedankenspiel einer Zeitreise fußen. Viele der Geschichten, so das Komitee in seiner Verlautbarung, "sind völlig erfunden. Die Produzenten und Drehbuchautoren behandeln die ernste Historie auf frivole Art und Weise, die man unter keinen Umständen weiterhin unterstützen sollte."

Wenn man das weiß, klingen die Hongkonger Ergebnisse plötzlich wie eine ernste Unterfütterung frivoler chinesischer Politik. Wie sagte doch Einstein: "Gleichungen sind wichtiger als Politik, weil die Politik für die Gegenwart ist, aber eine Gleichung etwas für die Ewigkeit."

© SZ vom 28.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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