Tattoos und Krebs:Stiche mit Risiko

Was sich die Fans von Tätowierungen genau in die Haut stechen lassen, ist weitgehend unbekannt. Dermatologe Michael Landthaler über die Krebsgefahr von Tattoofarben und ungeahnte Komplikationen durch die Körperzeichnungen.

Berit Uhlmann

Bis 2009 konnte alles mögliche in Tattoofarben landen: Farben, die eigentlich für Autolacke vorgesehen waren, wurden so in die Haut gestochen. Seither sind besonders kritisch eingestufte Farbpigmente verboten.Doch wirklich sicher sind Tätowierte damit noch lange nicht. Über die Gesundheitsgefahren von Tattoos spricht Prof. Michael Landthaler. Er leitet die Klinik und Poliklinik für Dermatologie an der Universität Regensburg und forscht seit Jahren auf diesem Gebiet.

International Tattoo Convention Ahoy Rotterdam 2012

Tattoos sind weitverbreitet. Doch über die Farben der Körperzeichnungen weiß man noch sehr wenig.

(Foto: dpa)

Süddeutsche.de: Wie sicher sind die heute verfügbaren Tattoofarben?

Michael Landthaler: Die Farben - vor allem die schwarzen - sind schwer zu bewerten. Diese Tuschen sind sehr komplex. Ihre Bestandteile und möglichen Reaktionen sind noch gar nicht komplett erfasst. Wir haben in schwarzen Farben viele sogenannte polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe entdeckt, die als krebserregend gelten. In welchen Konzentrationen sie wie im Körper wirken oder reagieren, ist allerdings unbekannt.

Süddeutsche.de: Was weiß man denn über das Krebsrisiko von Tätowierten?

Landthaler: Leider haben wir kaum mehr als Fallbeschreibungen: Es gibt seit einigen Jahren zunehmend Berichte, wonach Hauttumore in tätowierten Arealen gewachsen sind. Es ist aber nicht klar, ob dies Zufall oder Folge der Tätowierung ist.

Wir selbst hatten einen interessanten Fall in der Klinik: Ein Mann hatte einen weißen Hautkrebs am Daumen; dies ist eine höchst ungewöhnliche Stelle. Auf Nachfragen bekamen wir heraus, dass der Mann Sportfischer ist und seine Köder mit einem bestimmten roten Farbstoff markiert, der an seinen Daumen hängen blieb. Dieser Farbstoff wird sehr häufig auch in Tätowierfarben verwendet. Ein Beweis für die krebsauslösende Wirkung ist das nicht, aber man sollte sich schon Gedanken über eine solche Entdeckung machen.

Wenn die Farbe durch den Körper wandert

Süddeutsche.de: Bleiben mögliche Risiken auf die Haut beschränkt?

Landthaler: Auch dies ist schwer zu beantworten. Wir haben in Untersuchungen festgestellt, dass die Farbstoffe nicht komplett in der Haut bleiben. Etwa ein Drittel der Farbmenge gelangt über die Lymphe in den Körper. Was die Farben dort anrichten, wissen wir nicht. Wir brauchen große Studien, um herauszufinden, ob es beispielsweise vermehrt Leber- oder Blasenerkrankungen unter Tätowierten gibt.

Süddeutsche.de: Gesetzt den Fall, die Farben wären zweifelsfrei nicht toxisch und die Hygiene beim Stechen des Tattoos einwandfrei. Wären Tätowierungen dann in jedem Fall unbedenklich?

Landthaler: Sofern der Betreffende keine Allergien gegen die Farbstoffe hat, würde ich unter diesen Bedingungen nicht pauschal abraten. Wer unbedingt eine Tätowierung will, soll sie sich machen lassen.

Es gibt allerdings einige wenige Fälle, in denen Tätowierungen unabhängig von den verwendeten Farben Komplikationen verursachen können. So ist unklar, wie sicher es ist, Menschen mit Tätowierungen in den Spinalkanal zu stechen. Dies wird zu Untersuchungszwecken oder zur Schmerzbetäubung etwa während der Geburt getan. Die Nadel gelangt durch das Tattoo hindurch in den Rückenmarkskanal und in das Nervenwasser, das Hirn und Rückenmark umgibt. Es ist nicht klar, welche Auswirkungen die Farbpigmente an dieser sensiblen Stelle haben. So weigern sich Anästhesisten in den USA, diese Methode bei tätowierten Menschen anzuwenden. In Deutschland wird dies von Fall zu Fall entschieden.

Eine seltene Komplikation kann auftreten, wenn Tätowierte an schwarzem Hautkrebs erkranken. Bei ihnen kann sich Tattoo-Farbe in den Lymphknoten sammeln. Das erschwert die genaue Diagnose, denn es sieht so aus, als hätte der Krebs bereits die Lymphknoten befallen.

Süddeutsche.de: Wie sicher ist die Entfernung von Tattoos?

Landthaler: Wenn die Tätowierungen fachmännisch per Laser entfernt werden, sind kaum Nebenwirkungen zu befürchten. Werden Tätowierungen unprofessionell entfernt, kann es zu Narben und Pigmentstörungen kommen. Ein gewisses Risiko aber bleibt in jedem Fall, denn durch die Laserbehandlung können die Farbstoffe gespalten werden und diese Spaltstoffe könnten gesundheitsschädlich sein.

Kosmetisch gesehen gelingt die Entfernung nur bei schwarzen Farben zufriedenstellend. Vielfarbige Tätowierungen sind schwieriger zu entfernen. Man bräuchte eigentlich für jede Farbe einen eigenen Laser, die gibt es aber nicht.

Mehr darüber, was Ihrer Haut schadet oder nützt, lesen Sie in unserem Ratgeber.

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