Lady Gaga hat ein Rilke-Poem auf dem Arm, und seit einem halben Jahr trägt selbst Barbie, die stets adrette Puppe, ein permanentes Tattoo. Spätestens damit ist klar: Tätowierungen, einst die Domäne von Seefahrern, Gangs und Gefängnisinsassen, sind längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. In den USA ist jeder Vierte tätowiert, in Deutschland etwa jeder Zehnte. Männer häufiger als Frauen. Doch die Tattoos sind nicht ganz frei von Risiken. Nicht nur Dermatologen haben Bedenkliches herausgefunden. Auch Psychologen gewannen so manche Erkenntnis, die Menschen sich klar machen sollten, ehe sie ihre Haut auf Dauer verzieren lassen. Erkenntnisse über Tattoo-Träger.
Warum lassen sich Menschen überhaupt ein Tattoo stechen? In verschiedenen Befragungen - darunter in Deutschland - gaben Menschen an, mit der Zeichnung vor allem ihre Individualität und Einzigartigkeit herausstreichen zu wollen.
US-Amerikaner, Brasilianer und Polen glauben verschiedenen Erhebungen zufolge außerdem besonders häufig, dass die Tätowierung sie sexuell anziehender macht. Jeder dritte Amerikaner mit Tattoo hegt diese Erwartung.
Mehrere Studien offenbaren zugleich zweischneidige Erkenntnisse über die Psyche von Tätowierten. Menschen, die das Stechen über sich ergehen lassen, sind experimentierfreudiger und abenteuerlustiger, neigen dabei aber zu einem riskanteren Lebensstil. Im Durchschnitt rauchen Tätowierte häufiger, trinken mehr Alkohol, konsumieren häufiger Cannabis und wechseln ihre Sexualpartner öfter als Menschen ohne Hautbilder.
Ebenso werden sie auch von ihren Mitmenschen beurteilt. Obwohl Tattoos längst im Mainstream angekommen sind, haben etliche Befragungen und Experimente - auch in Deutschland - gezeigt, dass Tätowierte mit einem eher unsteten Lebensstil in Verbindung gebracht werden. Sie werden als weniger vertrauenserweckend beurteilt. Vor allem bei Frauen wird zudem die Erwartung, durch das Tattoo anziehender zu sein, häufig nicht erfüllt. In Studien fanden Teilnehmer Frauen ohne Körperschmuck attraktiver als als tätowierte Frauen.
Vorsicht sollten Menschen bei der Auswahl ihres Motivs walten lassen, wenn sie nicht unter falschen Verdacht geraten wollen: Noch immer sind Tattoos unter Gefängnisinsassen stark verbreitet, bestimmte Bilder kommen gehäuft vor. US-Forscher fanden unter Strafgefangenen vor allem Abbildungen von Gittern, Uhren und Spinnenweben. Sie gehen davon aus, dass diese Motive Symbole für die Gefängnisstrafe sind. Manche Tattoo-Studios warnen ihre Kunden zudem vor Stacheldraht-Tattoos und davor, sich drei, vier oder fünf Punkte auf die Hand stechen zu lassen. Auch diese Bilder symbolisieren ihren Angaben nach häufig, dass der Träger Zeit im Gefängnis verbracht hat.
Besonders berüchtigt sind Tränen, die am Augenrand tätowiert sind. Manche Mörder symbolisieren damit die Anzahl ihrer Opfer. Auch sehr aggressive Tattoos werden mit Gewaltdelikten des Trägers in Verbindung gebracht. Dieser Mann wurde Jahre nach einem Mordfall gefasst, weil sein Tattoo den Tatort und Details des Deliktes darstellte.
Nicht immer sind Tätowierte ein Leben lang glücklich über den Namenszug der längst Verflossenen oder die Bekundung einer schon lange aufgegebenen Vorliebe. Fünf Prozent aller tätowierten Deutschen gaben 2009 an, das Tattoo gerne wieder loswerden zu wollen. Auslöser waren vor allem berufliche Gründe, allgemeiner Sinneswandel oder die Tatsache, dass der eingestochene Name einem inzwischen nichts mehr bedeutet. Laut einer US-Studie lassen sich Frauen häufiger als Männer die Tätowierung wieder entfernen. Anlass ist in vielen Fällen der Wunsch, sich von einer früheren Lebensphase zu distanzieren. Auch negative Äußerungen über die Tätowierung, die Frauen häufiger erleben als Männer, tragen zur Entfernung der Zeichnung bei.
Unklar ist, ob das Stechen eines Tattoos einen Wendepunkt im Leben markiert. Angesichts der Tatsache, dass sich vor allem Menschen an der Schwelle zum Erwachsenenalter eine Tätowierung setzen lassen, halten einige Psychologen den Vorgang für eine Art Übergangs- oder Initiationsritus. Befragungen in den USA und Brasilien konnten allerdings bei den meisten Tätowierten keinen besonderen Anlass für den Besuch des Tattoo-Studios ausmachen.