Europas Börsen taumeln:Angst vor spanischer Grippe

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Kein Tag ohne neue Ängste: Nach dem Griechenland-Schock sorgen sich die Finanzmärkte nun vor allem um Spanien: Der Dax verliert mehr als drei Prozent, der Euro knickt erneut ein.

Kaum sind die Hilfen für Griechenland unter Dach und Fach und der gigantische Rettungsschirm für den Euro aufgezogen, da werden die Märkte von neuen Ängsten heimgesucht.

Sorgenvolle Gesichter an der Wall Street: Die desolate Lage des spanischen Immobilienmarktes sorgt für Unruhe an den Börsen. (Foto: dpa)

Die Furcht, dass die Schuldenkrise nun auch in Spanien immer mehr Banken ins Straucheln bringt, drückte die Märkte tief ins Minus. Zusätzlich sorgte das Säbelrasseln im Korea-Konflikt für Nervosität.

Sowohl in Europa als auch in Asien brachen die Aktienkurse - vor allem der Finanzwerte - ein. Der Dax fiel bis zum Mittag um knapp drei Prozent auf 5635 Punkte. Einige Börsianer befürchten nun, dass der Dax bis auf 5400 Punkte fallen könnte. Das bisherige Jahrestief von Anfang Februar liegt bei 5433 Punkten.

Der spanische Leitindex Ibex-35 in Madrid büßte zeitweise 4,4 Prozent ein. Der Euro ging erneut auf Talfahrt und pendelte um 1,22 Dollar. Am Freitag hatte er noch deutlich über 1,26 Dollar notiert. Schon am Vortag war auch der Dow Jones schwächer aus dem Handel gegangen - der Weltleitindex büßte an der New Yorker Börse 1,24 Prozent auf 10.066,60 Punkte ein.

Öl immer billiger

Die Risikoaufschläge für spanische Staatsanleihen zogen dagegen deutlich an. Am Rohstoffmarkt sank der Preis für ein Fass US-Öl um mehr als zwei Dollar unter 68 Dollar.

Auslöser der Abschläge waren die Nachrichten vom Wochenende, dass die spanische Sparkasse CajaSur durch eine Intervention der Zentralbank gerettet werden musste. Der geplante Zusammenschluss mit dem Rivalen Unicaja sei gescheitert und das Überleben des Instituts gefährdet gewesen, hatte die Bank von Spanien mitgeteilt.

Durch die Intervention der Zentralbank werde sichergestellt, dass die Sparkasse den Betrieb aufrecht erhalten und ihren Verpflichtungen weiter nachkommen könne. CajaSur habe nun Zugang zu einem milliardenschweren staatlichen Rekapitalisierungsfonds für die Bankenbranche. Nach der Intervention der spanischen Zentralbank hatte sich der IWF zu Wort gemeldet und von Spanien weitreichende Reformen gefordert.

Immobilienkrise in Spanien noch nicht ausgestanden

Der südeuropäische Staat leidet vor allem unter den Folgen einer geplatzten Immobilienblase."Mit weiteren Rettungsmaßnahmen innerhalb des spanischen Bankensektors muss man wohl rechnen", sagte Marktstratege Heino Ruland von Ruland Research.

Madrid hatte zuletzt die Sparmaßnahmen noch einmal verschärft. Der 99 Milliarden Euro schwere Fonds für die Bankenbranche war im Juni 2009 aufgelegt worden. Zuvor hatte die Zentralbank die Sparkasse Caja Castilla de la Mancha mit neun Milliarden Euro unter die Arme greifen müssen. Eine mit dem CajaSur-Eingriff vertraute Person sagte, der Fonds werde für das Geldhaus aus Cordoba mindestens 500 Millionen Euro bereitstellen. Zudem werde sie der Sparkasse neue Liquidität verfügbar machen.

Von CajaSur kommen etwa 0,6 Prozent Einlagen des gesamten spanischen Finanzsystems. Nach früheren Angaben gehört sie zu den 20 größten Sparkassen des Mittelmeerlandes und konzentriert ihre Aktivitäten hauptsächlich auf die andalusischen Provinzen rund um Cordoba und Jaen.

Die spanischen Sparkassen sind traditionell stark im Hypothekengeschäft engagiert und leiden daher unter dem Anstieg fauler Kredite, nachdem der jahrelange Immobilienboom geplatzt ist. Die Finanzkrise hat ihre Notlage verschärft und den Konsolidierungsdruck erhöht. Die Zentralbank will die Zahl der Sparkassen bis Mitte des Jahres auf rund 15 von 45 verringern.

Neben den Sparkassen könnten auch Großbanken wegen ihres Engagements im Immobiliensektor Probleme haben. "In dem aktuellen Umfeld, in dem wild darüber spekuliert wird, welche Bank als nächstes Ärger haben wird, will jeder nur noch raus aus Aktien", sagte ein Händler. "Alle Werte leiden heute, es gibt keine Einzelgeschichten. Der Markt straft alle ab", brachte ein anderer die Stimmung auf den Punkt.

Auch Deutsche Bank deutlich im Minus

Unter besonderem Verkaufsdruck blieben daher europaweit die Bankwerte. Der Branchenindex brach um 4,2 Prozent ein. Unter den spanischen Instituten fielen die Titel der Banco Santander und der BBVA um jeweils mehr als fünf Prozent.

Die Titel der italienischen Banco Popolare verloren 3,6 Prozent. Der hiesige Branchenprimus Deutsche Bank verzeichnete einen Kursabschlag von 3,5 Prozent.

Neben der Schuldenkrise ließen auch politische Entwicklungen den Nervositätsgrad der Investoren deutlich steigen. "Die Schlagzeilen zu Korea lösen noch ganz neue Ängste aus, die den Aktienmarkt merklich belasten", merkte Ruland an.

"Da ist die Angst vor einem neuen Krieg, der viel Geld kosten könnte." Im Streit um den Verlauf der Seegrenze im Gelben Meer hat Nordkorea dem Süden inzwischen mit einem Militärschlag gedroht.

Koch-Rücktritt erhöht Unsicherheit

Auslöser der aktuellen Spannungen war die Versenkung eines südkoreanischen Kriegsschiffes Ende März, bei dem 46 Seeleute ums Leben gekommen waren. Internationale Experten machen Nordkorea dafür verantwortlich.

Der südkoreanische Aktienindex war rund drei Prozent niedriger aus dem Handel gegangen, ebenso der Tokioter Nikkei-Index. Hierzulande sorgte die Nachricht über den Rücktritt des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch zum Ende des Jahres für zusätzliche Unsicherheit.

Koch "galt ja eigentlich als recht fest im Sattel sitzend", formulierte Helaba-Marktanalyst Christian Schmidt seine Überraschung. "Er hat sich mit seinen jüngsten Vorstößen wohl nicht unbedingt beliebt gemacht. Dass er jetzt die Ämter niederlegt, spricht nicht unbedingt für die Stabilität der aktuellen Regierungskoalition."

© sueddeutsche.de/dpa/Reuters/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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