Gesetz gegen Hasskommentare:Die Justiz muss entscheiden, nicht Facebook

Justizminister Heiko Maas

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) will mit dem sogenannten Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) Hasskommentare eindämmen.

(Foto: dpa)

Justizminister Heiko Maas will, dass Facebook & Co. selbst entscheiden, welche Inhalte sie löschen. Damit legt er viel Macht in die Hand privater Unternehmen. Zu viel.

Kommentar von Heribert Prantl

Bisher gibt es in Deutschland Zivilgerichte, Strafgerichte, Arbeits-, Verwaltungs-, Sozial-, Patent- und Finanzgerichte. Der Bundesjustizminister führt nun in seinem "Netzwerkdurchsetzungsgesetz" quasi ein neues Gericht ein - das Netzwerkgericht. Es heißt zwar nicht Gericht, es funktioniert aber so: Das Netzwerk, also zum Beispiel Facebook, soll selbst entscheiden, welche Inhalte gelöscht werden.

Facebook bestimmt also künftig darüber, ob ein Eintrag etwa als Beleidigung oder als Volksverhetzung oder als Fake News einzustufen ist. Bisher hat darüber ein ordentliches Gericht geurteilt. Es wäre vernünftig, es bliebe dabei. Es wäre vernünftig, ein Gericht, nicht ein "Facebook-Selbstgericht" würde entscheiden, was rechtmäßig und was rechtswidrig ist.

Nun ist klar, dass die überlastete Justiz das derzeit nicht leisten kann; sie kann nicht binnen kürzester Zeit entscheiden, wie es notwendig ist; es wäre gut, und es wäre wichtig, wenn sie es könnte, wenn sie personell und sachlich so ausgestattet wäre, dass sie das leisten kann. Das Verleumdungs-Strafrecht muss dem Internet gerecht werden.

Entscheidungen über Meinungsfreiheit sollte nicht in Facebooks Händen liegen

Die Entscheidung darüber, was unter den Schutz der Meinungsfreiheit fällt und was nicht, darüber also, was im Netz stehen darf und was gelöscht werden muss, ist eine hoheitliche Tätigkeit. Darüber muss die Justiz entscheiden, nicht eine Selbstjustiz von Facebook und Co. unter Zuhilfenahme von Hilfsarbeitern.

Eine kleine, ehrenwerte journalistische Organisation wie das Recherchezentrum Correctiv sollte sich hier nicht zum Feigenblatt und zum billigen Erfüllungsgehilfen von Facebook und anderen Plattformbetreibern machen. Justizminister Heiko Maas sollte sich darum bemühen, dass die Justiz so ausgebaut wird, dass sie ihre Aufgaben erledigen kann. Ansonsten ist er nicht Justizminister, sondern Selbstjustizminister.

Und wenn der Ausbau der Justiz, die Ländersache ist, so schnell nicht geht, dann muss womöglich eine öffentlich-rechtliche Prüf- und Entgiftungsstelle eingerichtet werden, eine Art Internet-Bafin, als Vorinstanz der Justiz. Die Bafin, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, ist eine deutsche Bundesanstalt, die alle Bereiche des Finanzwesens kontrolliert.

Bei alledem aber gilt: Nachrichten dürfen nicht einfach deshalb als Fake oder Beleidigung eingestuft werden, weil sie unliebsam sind. Es darf keine Zensur geben.

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