Wahlkampf:Nach der Wahl bleiben der FDP in Bayern nur die Altgedienten

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Auf dem Münchner Marienplatz kämpfen Liberale für den Wiedereinzug: Jimmy Schulz und Daniel Föst, Christian Lindner, Landeschef Albert Duin und die frühere Vorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (von links). (Foto: Stefan Weber/FDP/oh)

Die Liberalen wollen frischer und dynamischer werden. Doch wenn die Jungen nach Berlin gehen, wird es in Bayern schwer, sich als modern und hip zu verkaufen.

Von Lisa Schnell, München

Christian Lindner ist "in echt" gar nicht mehr zu sehen, dafür durch unzählige kleine Bildschirme. Schier jeder reißt sein Handy in die Luft: Lindner, wie er in die Menge winkt, Lindner vor einem Meer von pinkfarbenen FDP-Bannern, Lindner, wie er zum Auto geht, ins Auto. Jede Bewegung dieses dünnen Mannes im beigen Trenchcoat scheint ein Bild wert zu sein. Am Ende würden all die Bildchen ein wunderbares Daumenkino ergeben, ein lückenloses Filmchen von Lindners Auftritt.

Mindestens 800 Leute strömten zur FDP auf den Münchner Marienplatz. Jahrelang wanderte die FDP durch die Wüste der außerparlamentarischen Opposition, jetzt schimmert mit der Bundestagswahl die Oase am Horizont. Den bayerischen Liberalen tut der Aufschwung besonders gut. Zweimal durchlitt die FDP hier 2013 die Schmach, aus der Regierung ins Nichts zu stürzen. Erst im Land, dann im Bund. Es folgten Jahre des Spotts und der Erneuerung.

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Einfach wieder reinzukommen in den Bundestag, war anfangs das Ziel. Mittlerweile ist Spitzenkandidat Daniel Föst ehrgeiziger. Drittstärkste Kraft vor der AfD, den "Ewiggestrigen", das ist sein Anspruch. Vielleicht sogar wieder mitregieren. Einen wachsweichen Koalitionsvertrag wie 2009 werde die FDP aber nicht mehr unterschreiben. Die Umfragen zwischen neun und elf Prozent lassen seine Ziele als ambitioniert, aber nicht unrealistisch erscheinen. Bis zu zehn Abgeordnete könnte Bayern nach Berlin schicken, ganz vorne auf der Liste steht Föst.

"Föst", stellt ihn eine junge Liberale auf der Bühne vor - mit einem kurzen "ö". Tuschelnde Journalisten. Spricht man den so aus? Hat man es immer falsch gemacht? "Daniel Fööööööst", löst Föst das Rätsel. Aufatmen bei den Journalisten und die Frage: Wenn sie selbst bei der FDP nicht wissen, wie ihr Spitzenkandidat heißt, wer wird denn da nach Berlin geschickt?

Acht der ersten zehn Kandidaten wären neu im Bundestag. Damit sie sich in Berlin zurechtfinden, trafen sie sich mit ehemaligen Abgeordneten. Manch einer staunte da, dass es nach der Wahl direkt los geht nach Berlin. So unerfahren aber ist die Truppe der FDP nicht. Die Hälfte der ersten zehn Kandidaten hat schon in einem Parlament gearbeitet. Jimmy Schulz und Stephan Thomae kennen den Bundestag, Karsten Klein, Katja Hessel und Thomas Hacker den Landtag.

Bis auf Thomas Sattelberger, der zwar Quereinsteiger ist, aber als Ex-Vorstandsmitglied der Telekom in der Bayern-FDP als ministrabel für Berlin gilt, haben die meisten seit Jahren eine wichtige Position in der Partei. Föst ist Generalsekretär, Lukas Köhler auf Platz sechs Vorsitzender der Jungen Liberalen. Wer mal was war oder geworden ist in der FDP, will jetzt in den Bundestag, so scheint es.

Nur: Vor der Wahl ist nach der Wahl. Nach dem vermeintlichen Jubelabend am kommenden Sonntag beginnt die Vorbereitung für die Landtagswahl 2018. Was das Personaltableau angeht, könnte es für die FDP dann ungefähr so aussehen wie nach Lindners Auftritt.

Wie passt dazu das ergraute Trio?

Die Bierbänke sind fast leer. Lindner und Föst aus der ersten Reihe sind schon weg, in der zweiten sitzt noch einer: Martin Zeil. Den ehemaligen bayerischen Wirtschaftsminister erkannte man während Lindners Rede an seinem Klatschen: Hände auseinander - warten - Hände zusammen - warten. Lindner spottete da gerade über die deutsche Verwaltung, die noch mit Papier arbeite. Mit Papier! Das muss man sich mal vorstellen! In den Händen von Zeil: eine zusammengerollte Zeitung.

Für Leute wie ihn schlägt die Stunde nach der Bundestagswahl, wenn die meisten jüngeren und bekannten Gesichter der FDP wohl in Berlin sein werden. Zeil stand in der FDP lange für die Fehler der Vergangenheit: wenig Demut vor der Niederlage, kaum Selbstkritik. Auf einmal aber steht die alte Garde wie Zeil oder der in der FDP besser gelittene Ex-Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch wieder in der ersten Reihe bei den Bewerbern für den Landtag. Auch Landeschef Albert Duin will als Spitzenkandidat antreten. Drei Männer zwischen 61 und 71 Jahren wären dann das Aushängeschild für die neue FDP.

Für eine FDP, die sich als modern und hip verkauft, die als Kernthemen Bildung und Digitalisierung nennt und Parteichef Lindner hat, der Sätze sagt wie: "Geil Digitalisierung machen". Über die Hälfte ihres Gesamtbudgets für den Bundestagswahlkampf hat die FDP in Bayern für soziale Medien ausgegeben. Spitzenkandidat Föst schaltete sich im Wahlkampf immer per Skype zum Familienfrühstück zu, tippte sich auf Twitter und Facebook die Finger wund. Wie passt dazu das ergraute Trio für die Landtagswahl?

Kein Problem, heißt es. Es gebe noch eine Menge jüngerer Bewerber und man brauche ja auch die Erfahrung der Ehemaligen. Dass Duin aber wieder als Landeschef bestätigt wird, bezweifeln einige. Auch, weil er nicht so ganz zum neuen Bild der FDP passe. Vor allem aber monieren seine Kritiker, er sei mit seinen unüberlegten Schnellschüssen zu wenig professionell für eine Partei, die wieder ernsthaft im Parlament mitreden möchte.

Politisch erfahrener und auch jünger ist dagegen Bundestagskandidat Karsten Klein aus Aschaffenburg, der frühere Fraktionsvize im Landtag, dem eine Gegenkandidatur zugetraut wird. Das Spektakel fände ausgerechnet auf dem Parteitag zu Faschingsbeginn am 11. November statt. Für manchen könnte es eine weniger spaßige Veranstaltung werden als Lindners Auftritt in München.

© SZ vom 22.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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