Wahlen:Was sonst noch geklärt werden muss

Wahlen: Ob das ehemalige Schwesternhaus abgerissen werden soll, können die Bürger der unterfränkischen Gemeinde Thüngersheim bestimmen - in einem von etwa drei Dutzend Bürgerentscheiden, die am Sonntag in Bayern stattfinden

Ob das ehemalige Schwesternhaus abgerissen werden soll, können die Bürger der unterfränkischen Gemeinde Thüngersheim bestimmen - in einem von etwa drei Dutzend Bürgerentscheiden, die am Sonntag in Bayern stattfinden

(Foto: privat)

Am Tag der Bundestagswahl müssen die Bayern noch mehr entscheiden: Regen braucht einen neuen Landrat, in 15 Kommunen wird ein Rathauschef gewählt. Außerdem geht es um Umgehungsstraßen, Denkmalschutz und die Frage, ob ein Haus mit Holzschindeln verkleidet wird.

Von A. Glas, C. Henzler, M. Köpf, C. Rost und C. Sebald

9,5 Millionen Bayern dürfen am Sonntag über den neuen Bundestag abstimmen, aber nicht nur das. In einigen Kommunen werden Landräte und Bürgermeister gewählt, außerdem stehen etwa drei Dutzend Bürgerentscheide an.

Im Landkreis Regen vertreibt Rita Röhrl ihre Nervosität vor der Landratswahl, indem sie ihre Küchenschränke ausräumt und wieder einräumt. "Weil das unheimlich ablenkt. Es ist nervtötend, geistlos und erfordert meinen ganzen körperlichen Einsatz", sagt die 63-jährige Bürgermeisterin von Teisnach, die am Sonntag für die SPD zur Landratswahl antritt. Dass sie kandidiert ist eine besondere Personalie, denn Röhrl gilt als politische Ziehmutter des noch amtierenden Landrats Michael Adam (SPD), der sich entschieden hat, wieder studieren zu gehen und mit 32 Jahren bald Alt-Landrat sein wird. Während also der junge Adam bald Vergangenheit ist im Kreis Regen, soll die deutlich ältere Röhrl dort die Zukunft gestalten. Ihr schärfster Konkurrent ist ein ähnlich junger Kandidat wie Michael Adam: Stefan Ebner von der CSU, 37, und im Wahlkampf sehr fleißig.

Auch Ebner ist nervös, das gibt er zu, denn "natürlich ist das Rennen offen". Der Grüne Jens Schlüter und AfD-Kandidat Johann Müller haben keine realistischen Chancen - doch wer das Duell Röhrl-Ebner gewinnt, darauf traut sich kaum einer zu wetten. Ebner rechnet fest mit einer Stichwahl und auch Röhrl hält es für möglich, dass der AfD-Kandidat so viele Stimmen holt, dass es weder für sie selbst noch für ihren CSU-Konkurrenten im ersten Wahlgang für die absolute Mehrheit reicht. "Die Frage ist, ob sich die AfD-Wähler bei der Bundestagswahl austoben oder ob sich das bei der Landratswahl fortsetzt", sagt Röhrl. Spannend ist auch die Frage, für wen der Noch-Landrat Michael Adam am Sonntag stimmen wird. Trotz rotem Parteibuch hat er ja schon einmal CSU gewählt, bei der Bundestagswahl 2013.

Mit seiner Ziehmutter Röhrl soll sich Adam überworfen haben, mit CSU-Mann Ebner versteht er sich angeblich gut. Während des Wahlkampfs posierte der immer noch beliebte Adam bereitwillig mit Ebner für ein paar nette Fotos. Ein Hinweis auf Adams Wahl könnte auch ein Facebook-Eintrag seines früheren Wahlkampfleiters sein, der im Netz offen für den CSU-Kandidaten wirbt. Michael Adam hat den Eintrag bereits mit dem blauen "Gefällt-mir"-Daumen bewertet.

In drei weiteren bayerischen Landkreisen wird ein Landrat gewählt, dabei sind aber wenige Überraschungen zu erwarten. Denn dort stellen sich die Amtsinhaber wieder zur Wahl, in den Landkreisen Roth und Weißenburg-Gunzenhausen treffen sie noch nicht einmal auf Gegenkandidaten. In Roth blickt daher Herbert Eckstein, 61, seiner fünften Amtszeit entgegen. Er war 1993 als erster Sozialdemokrat an die Spitze des mittelfränkischen Landkreises gewählt worden, im Alter von 37 Jahren. Im benachbarten Weißenburg-Gunzenhausen tritt Gerhard Wägemann, 64, zum zweiten Mal an. Er hatte sich 2011 noch als CSU-Landtagsabgeordneter um die Nachfolge des gestorbenen Landrats Franz Xaver Uhl (CSU) beworben.

In Weißenburg hatte die Piratenpartei immerhin versucht, einen Gegenkandidaten aufzustellen, war aber an den Unterstützungsunterschriften gescheitert. Statt der nötigen 340 waren nur 69 zusammen gekommen. Im Landkreis Lichtenfels haben die Stimmberechtigten dagegen Alternativen. Neben Landrat Christian Meißner von der CSU, 48, bewerben sich der Amtstierarzt Arnt-Uwe Schille (SPD) und eine Kandidatin der AfD um Stimmen. Meißner war 2011 mit 59,33 Prozent erstmals gewählt worden.

Außerdem werden bayernweit 14 Bürgermeister und ein Oberbürgermeister gewählt, letzterer in Neumarkt in der Oberpfalz. Neben dem seit zwölf Jahren amtierenden OB Thomas Thumann (Freie Wähler) bewerben sich dort Richard Graf (CSU) und Dieter Ries (Freie Liste Zukunft). Viele der Bürgermeisterwahlen, die am Sonntag im Freistaat stattfinden, liegen nach einer kommunalen Amtsperiode von sechs Jahre im normalen Turnus, einige wenige finden vorzeitig statt, etwa weil ein Bürgermeister gestorben ist. In den beiden kleinen Orten Feichten und Winhöring im Landkreis Altötting haben die jeweiligen Bürgermeister die Gelegenheit genutzt, nach langen Jahren im Amt so rechtzeitig zurückzutreten, dass die Neuwahl mit der Bundestagswahl zusammenfallen kann.

In vielen Gemeinden stehen zudem Bürgerentscheide an, etwa in Thüngersheim. Die Gemeinde hat bei Denkmalpflegern eigentlich einen guten Ruf, erst in diesem Jahr durfte Bürgermeister Markus Höfling von der Staatsregierung die Denkmalschutzmedaille entgegennehmen. Der kleine Ort, 2700 Einwohner groß und zwölf Kilometer nordwestlich von Würzburg gelegen, wird für seine historische Bausubstanz mindestens so gerühmt wie für seine Weinbau-Tradition. Doch während die Gebäude innerhalb der früheren Ortsmauer unter Ensemble-Schutz stehen, ist das ehemalige Schwesternhaus vom Abriss bedroht.

Es ist etwa hundert Jahre alt und soll einem Neubau weichen, weil der benachbarte Kindergarten erweitert werden muss. Im Juni hatte sich der Gemeinderat gegen die Sanierung des Altbaus entschieden - allerdings mit Bauchschmerzen. Eine Handvoll Bürger, die sich schon bei privaten Denkmalschutzprojekten engagiert haben, will den Abriss mit einem Bürgerentscheid verhindern. Es ist einer von vielen. Allein in sieben weiteren fränkischen Gemeinden können Bürger am Sonntag über kommunale Projekte entscheiden. Dabei geht es beispielsweise um Straßenbau, Trinkwasser, die Sanierung eines Hallenbades, um schnelles Internet und Windkraft.

Landshut erstickt im Autoverkehr. Vor allem die Innenstadt. Deshalb streiten sie in der niederbayerischen Bezirkshauptstadt schon seit Jahren über alle möglichen Entlastungen. Diesen Sonntag finden in Landshut gleich drei Bürgerentscheide zur Verkehrsentlastung statt: Zwei zur sogenannten Westtangente und einer namens "Busse Baby", dessen Initiatoren Verbesserungen im Öffentlichen Nahverkehr fordern. Die Landshuter Westtangente, die nicht nur die Innenstadt entlasten soll, sondern auch den Landshuter Westen samt der neuen Gewerbegebiete dort autotauglicher machen soll, ist ein Uralt-Projekt. Die ersten Pläne gehen zurück in die 1960er-Jahre. Bislang freilich wurden sich Stadtrat und Bevölkerung nie einig. Nur einmal, 2012, waren die Pläne weit gediehen.

Aber dann kippten die Straßen-Gegner sie doch wieder per Bürgerentscheid. Sie argumentieren damit, dass die Westtangente die Auwälder an der Isar und ein Naherholungsgebiet dort massiv schädigen würde. Außerdem ziehe jede neue Straße immer nur noch mehr Verkehr nach sich. Und drittens sei das Projekt viel zu teuer für die klamme Stadt. Der Bürgerentscheide gelten als erste große Bewährungsprobe für den Landshuter OB Alexander Putz (FDP). In dem einen Jahr, in dem er jetzt im Amt ist, waren das Verkehrschaos in Landshut und die Westtangente sein wichtigstes Thema.

Es ist der erste Bürgerentscheid überhaupt in der Geschichte der Gemeinde: In Oberschönegg im Landkreis Unterallgäu geht es um die Frage, ob ein Dorfgemeinschaftshaus für alle Ortsteile gebaut werden soll. Geplant ist ein Gebäude mit Mehrzweckhalle, Gaststätte, zwölf Schießständen für die Schützen und einer Kegelbahn. Die Kosten werden auf rund sechs Millionen Euro geschätzt, die vollständig die Gemeinde übernehmen will. Der Kommune hofft, dass mit dem Bau des Dorfgemeinschaftshauses die Ortsteile stärker zusammenwachsen; es soll nach dem Wunsch des Bürgermeisters, Günther Fuchs (Unabhängige Wählergemeinschaft), ein sozialer Mittelpunkt werden. Die Gegner des Projekts, die ein Bürgerbegehren initiiert haben, bemängeln die Größe des Vorhabens. Die Gemeinde tritt mit einem Ratsbegehren für die Umsetzung ein.

In Bischofswiesen bei Berchtesgaden geht es am Sonntag auch um die kommunale Frage, ob das alte Rathaus in ein neues Bürgerzentrum integriert oder doch vorher abgerissen werden soll. Auch anderswo in Oberbayern sollen die Bürger in Gestaltungsfragen entscheiden: In Rottenbuch (Landkreis Weilheim-Schongau) über eine Baufläche für einen Supermarkt, in Rudelzhausen (Kreis Freising) über Pläne für eine Ortsumgehung, in Kirchheim bei München über ein großes neues Ortszentrum, in Anzing (Landkreis Ebersberg) über die Erweiterung eines Gewerbegebiets, in Farchant nahe Garmisch-Partenkirchen über den Bau eines Sporthotels und in Bad Kohlgrub im gleichen Landkreis immerhin über die Frage, ob die Fassade des künftigen Rathauses im jetzigen Haus des Gastes nun mit diesen Holzschindeln verkleidet werden soll oder nicht.

Die Gemeinde Wessobrunn (Landkreis Weilheim-Schongau) wollte ihre Bürger mit der Wahl zu einer möglichen neuen Verkehrsführung im Ortsteil Haid befragen, hat diese schon an den Landeswahlleiter gemeldete Befragung aber kurzfristig wieder abgesagt. Denn die Gemeinde wurde schlicht mit der Fragestellung nicht fertig, bis für die Bundestagswahl schon die ersten Briefwahlunterlagen verschickt waren. Womöglich werde man die Bürger nun mit der Landtagswahl im kommenden Jahr befragen, heißt es aus dem Wessobrunner Rathaus.

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