Umweltschutz:Die Baumschutzverordnung spaltet bayerische Kommunen

Umweltschutz: Alte Bäume wie diese Linde im oberfränkischen Neusles prägen nicht nur den Anblick ganzer Ortschaften. Sie sind auch Lebensraum für Hunderte Tierarten und tun den Menschen gut, sagen Naturschützer.

Alte Bäume wie diese Linde im oberfränkischen Neusles prägen nicht nur den Anblick ganzer Ortschaften. Sie sind auch Lebensraum für Hunderte Tierarten und tun den Menschen gut, sagen Naturschützer.

(Foto: Imago)
  • Für Umweltverbände in Bayern ist die Baumschutzverordnung ein wichtiges Instrument für den Naturschutz.
  • Die CSU wittert in der Verordnung eine "Gängelung" der Bürger.
  • Nun soll es in Schweinfurt einen Bürgerentscheid geben. Die Wähler können abstimmen, ob die Bäume in der Stadt weiter per Verordnung geschützt sein sollen.

Von A. Glas, O. Przybilla, U. Schuster und C. Sebald, Schweinfurt

Hans Fischer war 24 Jahre Bürgermeister in Schwebheim südlich von Schweinfurt. Er war es, der eine Baumschutzverordnung im Ort durchgesetzt hat. Warum man so etwas überhaupt brauche, wurde er oft gefragt. Bäume im Garten möge doch jeder. Mag sein, hat Fischer damals geantwortet, "viele mögen aber vor allem die Bäume, die nicht im Garten stehen".

Die eigenen nämlich machen Arbeit, wenn das Laub fällt. "Und die Leute werden immer bequemer." Von den Gemeinden um Schweinfurt hat nur Schwebheim eine Verordnung zum Schutz von Bäumen, erzählt Fischer. "Sie müssen nur mit dem Flugzeug eine Runde drehen", sagt er, "dann wissen Sie, dass sie sinnvoll ist." So viele alte Bäume wie in Schwebheim "finden Sie in der Region sonst nicht".

Die Stadt Schweinfurt, ein paar Kilometer von Schwebheim entfernt, hatte auch Jahrzehnte lang eine Verordnung zum Schutz der Bäume. Bis die CSU sie im Stadtrat mit Unterstützung der FDP und der AfD gefällt hat. "Wir vertrauen auf die Selbstverantwortung der Bürger", ließ der CSU-Stadtrat Rüdiger Köhler wissen. Da sei so eine Verordnung nicht nötig.

Die CSU wittert eine "Gängelung" der Bürger, von einer "Verbotssatzung" ist die Rede und davon, dass die Stadt Schweinfurt "bürgerfreundlicher" werden müsse. Dagegen rührt sich heftiger Widerstand. Am Sonntag stimmen die Schweinfurter ab, ob die Bäume in der Stadt weiter per Verordnung geschützt sind. Oder ob der Schutz fällt.

Es gibt keine genauen Zahlen, wie viele bayerische Kommunen die Bäume auf ihrer Flur per Verordnung schützen. Beim Bund Naturschutz (BN) sprechen sie von 100, beim Gemeindetag heißt es, es könnten 700 sein - also etwa ein Drittel der bayerischen Städte und Gemeinden. Beinahe alle Großstädte, allen voran München, Nürnberg und Augsburg, haben schon vor Jahren welche erlassen.

Aber auch kleinere wie Garmisch-Partenkirchen arbeiten damit. Aus Sicht der Naturschützer sind die Verordnungen ein wichtiges Instrument. "Vielen Gartenbesitzern und Bauherren stehen große Bäume im Weg", sagt BN-Mann Kai Frobel. "Mit einer Baumschutzverordnung können Kommunen sicherstellen, dass sie nicht weggeholzt werden."

Mächtige Bäume sind wichtig, gerade in Kommunen. Zum einen für die Tierwelt. Ohne sie gäbe es keine Eichhörnchen in der Stadt. "Aber auch Hunderte andere Tierarten würden aus den Kommunen verschwinden", sagt Frobel. Nicht weniger wichtig sind Stadtbäume für die Bevölkerung. "Es ist erwiesen, dass so ein mächtiger Baum eine beruhigende Wirkung ausstrahlt", sagt Frobel. "Studien belegen sogar eine Stress lindernde Wirkung." Auch dem Klimaschutz tun Bäume gut. Eine 150 Jahre alte Buche produziert 11 000 Liter Sauerstoff am Tag - so viel wie 26 Menschen zum Atmen brauchen. Außerdem filtert sie bis zu 70 Prozent des Staubs aus der Luft in ihrer Umgebung heraus.

Deshalb zielen Baumschutzverordnungen auf den Erhalt großer alter Laub- und Nadelbäume ab 80 oder 100 Zentimeter Stammumfang ab. So sieht es die Mustersatzung des Deutschen Städtetags vor. Vielerorts fallen auch Hecken unter ihren Schutz. Verboten ist nicht nur das Fällen oder Umschneiden. Sondern auch alles andere, was Bäumen und Gehölzen schadet, Abgrabungen und Ausschachtungen im Wurzelbereich etwa.

"Mit den Ausnahmen ist das so eine Sache"

Ausnahmen gibt es nur, wenn ein Baum so krank und schwach ist, dass er nicht zu retten ist. Oder eine Gefahr für Grundbesitzer, Nachbarn und Passanten darstellt. Oder anderen "wichtigen öffentlichen Interessen" entgegensteht, die freilich oft nicht näher definiert sind. "Dann darf so ein Baum beseitigt werden", sagt Frobel. "Allerdings muss der Besitzer Ersatz leisten." Meist sind es Pflanzungen an anderer Stelle. Vielerorts wird auch eine Geldzahlung akzeptiert.

"Mit den Ausnahmen ist das so eine Sache", sagt Frobel. "Viele Kommunen verfahren großzügiger damit, als es fachlich angezeigt ist" - etwa weil sie es sich nicht mit Bauherren verscherzen wollen. Ähnlich ist das mit dem Ersatz. Der fällt oft nicht so aus, wie es sich die Naturschützer wünschen. "Ein Blühstreifen an einer Grundstücksgrenze nützt der Natur lange nicht so viel wie ein vitaler Baum", sagt Frobel. "Allein was die Artenvielfalt anbelangt."

Nicht nur in Schweinfurt halten Teile der Stadtpolitik wenig von einer Baumschutzverordnung. Auch in Kempten ist das so. "Eine Baumschutzverordnung ist nicht nützlich, sondern nur kompliziert", sagt Claus Jaskolka vom städtischen Amt für Umwelt und Naturschutz. Die Kemptener Bäume würden von anderen Rechtsvorschriften ausreichend geschützt. Im Allgemeinen von den Bebauungsplänen und den Baugenehmigungen, im Besonderen von Einzelfallentscheidungen. "Viel mehr Aufwand, dafür die viel gerechtere Lösung", sagt Jaskolka. Die entscheidende Frage lautet: Prägt der Baum das Stadtbild? Ist sein Tod ein Gewinn oder ein Verlust für den Blick?

In fünf Sitzungen pro Jahr wird über das Schicksal von Bäumen in Kempten entschieden, zuletzt verhandelte man über elf. Fünf durften gefällt werden, fünf müssen erhalten bleiben und einer ging in die Verlängerung, ein kniffliger Fall. Der Eigentümer sagt: "Seine Wurzeln zerstören mir die Mauer." Das Amt sagt: "Die Mauer lässt sich sanieren - Baumerhalt zumutbar." Nur einmal landeten Umweltamt und Bürger vor Gericht. Es ging um vier Kastanien. Der Richter urteilte: Zwei müssen stehen bleiben, zwei nicht.

In Passau gab es eine Baumschutzverordnung - bis 2001. Sie wurde abgeschafft, weil sie "deutlich in die private Entscheidungsfreiheit" eingreife, so die Stadtsprecherin. Für Grundstücksbesitzer sei es "oft nicht nachvollziehbar" gewesen, dass sie Bäume, die sie selbst gepflanzt hatten, nicht wieder entfernen durften.

Die Mehrheit der Stadträte habe sich damals dem Druck des Haus- und Grundbesitzervereins gebeugt, sagt Karl Synek von den Passauer Grünen. Seither gebe es "viele, die sich aufregen, dass überall Bäume gefällt werden". Synek beobachtet den Bürgerentscheid in Schweinfurt. "Wenn es Erfolg hat, wäre das ein Anlass, die Sache in Passau noch mal aufs Tablett zu bringen."

In Schweinfurt setzt sich ein Bündnis aus 13 Partnern dafür ein, dass die Bäume weiter geschützt sind. Von einem "komplett absurden" Vorgang spricht die Sprecherin des Bündnisses für Bäume, die Stadträtin Ulrike Schneider. "Alle reden von Klimaschutz, aber die hiesige CSU hat nichts Besseres zu tun, als den Schutz der Bäume abzuschaffen", sagt sie. Schneider war mal in der CSU, vor Jahren ist sie ausgetreten.

"Wäre ich nicht schon draußen, jetzt würde ich da spätestens raus", sagt sie. Schneider ist Mitglied der Schweinfurter Liste. Auch in Schwebheim sieht Altbürgermeister Fischer die Entwicklung in Schweinfurt mit Sorge. "Wenn es bei uns im Ort Streitigkeiten wegen heruntergefallenen Laubs gab, dann konnten Baumbesitzer immer sagen: Ich würd' ja fällen, aber ich darf nicht", erzählt er. Die Schwebheimer Verordnung? "Ich würde sie immer wieder durchstreiten", sagt er.

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