150. Todestag:Ludwig I., der König der Widersprüche

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König Ludwig I. prägte mit seinen Bauwerken nicht zuletzt das touristische Bild Bayerns. (Foto: dpa)

Er war der bedeutendste aller bayerischen Monarchen: Ihm verdankt der Freistaat ein reiches bauliches Erbe und seine moderne Identität.

Von Hans Kratzer, München

Das in der Maxvorstadt gelegene Kloster St. Bonifaz wurde bei dem Bombenhagel, der im Februar 1945 auf München niedergegangen ist, schwer verwüstet. Auch der marmorne Sarkophag, in dem König Ludwig I. (1786-1868) ruht, wurde dabei beschädigt. Als der Sarkophag und der Deckel des darin liegenden Eichensargs geöffnet wurden, erblickten die Augenzeugen den erstaunlich gut erhaltenen und in eine lichtblaue Generalsuniform gekleideten Leichnam des Königs, der am 29. Februar 1868 in seinem Winterquartier in Nizza gestorben war. Ein Sonderzug hatte den Toten damals nach München gebracht, wo er in St. Bonifaz zur letzten Ruhe gebettet wurde. Auf seinem Sarkophag sollte kein Name stehen, so lautete der Wunsch Ludwigs I.

Dass seine namenlose Grabstätte abseits der Wittelsbachischen Grablegen (Jesuitenkirche St. Michael und Theatinerkirche St. Kajetan) liegt, wirkt bezeichnend für diesen Herrscher, dessen Regentschaft extrem widersprüchlich ist. Trotzdem gilt er als der bedeutendste aller bayerischen Könige, mag er auch längst im Schatten seines Enkels Ludwig II. stehen, den ein romantischer Mythos und eine ausgeprägte Exzentrik zum weltweit bekanntesten bayerischen Markenartikel gemacht haben.

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Die Bedeutung Ludwigs I. spiegelt vor allem sein monumentales bauliches und künstlerisches Erbe wider. Das Land Bayern und insbesondere die Stadt München verdanken ihm zahllose Meisterwerke der Architektur, der Plastik und der Malerei. Auf ihn gehen Münchner Wahrzeichen wie die Bavaria, die Glyptothek, die Pinakotheken, die Feldherrnhalle und das Siegestor zurück, außerhalb der Hauptstadt schuf er etwa das Pompejanum bei Aschaffenburg, die Walhalla in Donaustauf, die Villa Ludwigshöhe am Abhang des Pfälzer Waldes und die Befreiungshalle in Kelheim. Er verlieh der bayerischen Monarchie einen unverwechselbaren Ausdruck, die Vorbilder suchte er sich in Athen, Florenz und Rom.

Beseelt von der Überzeugung, Kunst und Geschichte erzögen die Menschen und bänden sie an die Monarchie, initiierte er - größtenteils mit privatem Geld - eine ambitionierte Bau- und Kunstpolitik, die München zu einer Art Isar-Athen machte. Ludwigs Vision von einem hellenistisch strahlenden München entwickelte sich neben Schinkels Werk in Berlin zum bedeutendsten Architekturensemble, das in Deutschland von 1815 bis 1870 errichtet wurde.

Erwähnenswert ist auch, dass das Oktoberfest auf ihn beziehungsweise auf seine Hochzeitsfeier im Jahr 1810 zurückgeht. Überdies wird Bayern wegen ihm heute mit y geschrieben. 1000 Jahre lang hatte es Baiern geheißen, doch dann stülpte Ludwig I. mit seiner philhellenischen Neigung auch das y seinem Königreich über.

Ein fleißiger König mit Schwächen

Wer sich mit ihm beschäftigt, gerät schnell in Versuchung, Parallelen zur Gegenwart zu ziehen. In der aktuellen "MeToo"-Debatte würde Ludwig I. vermutlich schlecht aussehen. Er, der keiner Affäre auswich, für sinnliche Reize überaus empfindlich war und seiner treuen Ehefrau bis zum Tode so viel Verdruss bereitete. Dabei besaß Ludwig alles andere als ein einnehmendes Äußeres. Er war schwerhörig, er stotterte, er redete überlaut, er handelte widersprüchlich und egozentrisch. Letztlich verlor er seinen Thron wegen einer skandalösen Liebesaffäre mit der Tänzerin Lola Montez. Im Revolutionsjahr 1848 provoziert diese Affäre einen Aufstand der Studenten, ihre Erregung verknüpfte sich mit der revolutionären Stimmung, die sich damals in ganz Europa ausgebreitet hatte.

Dass Ludwig I., auch wegen der für ihn inakzeptablen liberalen politischen Forderungen, sein Amt niederlegte, bewerten manche Historiker als außergewöhnliche Tat. In anderen Städten des Deutschen Bundes verlief die Revolution blutiger, es wurde auch auf Menschen geschossen. Dazu ließ sich Ludwig I. nicht hinreißen, am 20. März 1848 dankte er im Zustand der Verliebtheit kurzerhand ab.

Er tickte einfach anders, dieser Grundzug zieht sich durch sein ganzes Leben. Gerade deshalb ist er eine verwirrende Figur, die mit wenigen Worten kaum zu bilanzieren ist. Sein Arbeitspensum nötigt noch heute Respekt ab, sämtliche Vorgänge im Königreich ließ er sich zur Bewertung vorlegen, und war es nur eine Baumfällung im hintersten Bayerwalddorf. Mit seinen Architekten und Baumeistern stritt er permanent, allein die Korrespondenz mit Klenze umfasst Tausende Briefe.

Ludwig I. legte sich mit seinen Untertanen an

Seine Politik ist am ehesten so zu beschreiben, dass er das Rad der Geschichte gleichzeitig vor- und zurückdrehen wollte. Er erkannte den Gemeinden Spielräume zur Selbstverwaltung zu, schaffte die Pressezensur ab und drückte die Staatsschulden deutlich. Andererseits prägte eine Verklärung der Vergangenheit seine Politik, wobei er freilich auf die Souveränität Bayerns achtete. Er gab dem von Napoleon vergrößerten Land eine Identität, indem er neue und fremdelnde Landesteile wie Schwaben und Franken unter Achtung ihrer Traditionen integrierte. Diese Leistung könnte jeder modernen Politik als Muster dienen.

Er legte sich aber auch mit seinen Untertanen an, wenn das Volksempfinden und seine Ideale aufeinanderprallten. Für die Münchner Feldherrnhalle musste die populäre Wirtschaft "Zum Bauerngirgl" weichen, da wurde an den Stammtischen grässlich geflucht. Die Münchner verziehen ihm das nicht. Nach der Öffnung des Sarkophags musste ein neuer Sarg her. Der Münchner Stadtrat lehnte die Übernahme der Kosten ab, weil die Einsargung eine wittelsbachische Familienangelegenheit sei. Seither klebt an München der Geruch, dem Mann, der die Stadt zur Kunstmetropole erhoben hat, einen Sarg verweigert zu haben.

© SZ vom 28.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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