SZ-Serie: Schauplätze, Folge 33:Wie Bad Brückenau zum königlichen Liebesnest wurde

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Den Kursaal ließ Ludwig I. 1827 einweihen, die Flaneure geben einen Eindruck von der Sommerfrische damals. (Foto: Staatsbad Brückenau)

Ludwig I. und Lola Montez sind in dem Staatsbad noch immer präsent. Der alternde Regent und die junge Schönheit verlebten dort romantische Zweisamkeit - sofern sie Muße hatte für ein Tête-à-Tête.

Von Johann Osel, Bad Brückenau

Bei der Krone aus Messing auf dem Balkon des Fürstenhofs dürfte Ludwig I. einst gestanden haben. Man thront da über dem Staatsbad Brückenau, über Prachtbauten und dem Kurpark mit seinen Achsen, dahinter die sanften Hügel der Rhön. Direkt zu Füßen liegt auch eine Villa: das Haus Löwen. Darin ist heute ein Café und im ersten Stock ein Spielsalon, in dem die Glücksautomaten viele bunte Lichter werfen.

1847 soll nur ein rotes Licht geleuchtet haben, eine Laterne im Fenster; stets dann, wenn Lola Montez Muße hatte für ein Tête-à-Tête. Davon erzählen Legenden über den Liebesurlaub des Königs und seiner Geliebten, ebenso von einem Herz, das sie in eine Rinde geritzt haben sollen, "L + L". Wenig ist bekannt über diese Reise, und dennoch ist sie hier allgegenwärtig.

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In ihrem Buch "Lola Montez. Ein Leben als Bühne" porträtiert Marita A. Panzer die berühmte Mätresse als geborene Selbstdarstellerin. Dabei kommt freilich auch ihre intime Beziehung zu König Ludwig I. zur Sprache.

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Lola Montez, "die Mätresse des Königs", wie sie sich vorzustellen pflegte, war eine irische Tänzerin, die sich als Spanierin ausgab (nicht die einzige Hochstapelei in ihrem Leben). Als sie 1846 nach München kam, hatte sie die halbe Welt gesehen; war in Sevilla und London aufgetreten, lebte mit ihrem ersten Gatten in Indien, erregte Skandale in Warschau oder Paris. Der Skandal, den sie in Bayern auslöste, ist auch politische Geschichte.

Ludwig I. - wohl bedeutendster Bayernkönig, Feingeist, Förderer der Künste - war 60 Jahre alt, als Montez in sein Leben trat. Ein alter Mann, der die jungen Frauen liebte und den Reiz des Eroberns, egal ob es die Tochter eines Bankiers oder Müllers war; Gattin Therese - die er als Kronprinz 1810 geheiratet hatte, die Geburt des Oktoberfests - nächtigte separat. "Das deprimierende Grenzland zwischen den besten Mannesjahren und dem unvermeidlichen Verfall", sieht der Historiker Bruce Seymour, der eine kundige Lola-Biografie verfasst und den Briefwechsel mit der Geliebten herausgegeben hat.

Lola tauchte auf in einer Audienz, wo sie Gerüchten zufolge nach einer Schere verlangte, ihr Kleid aufschnitt, ihre Gaben präsentierte. Und im Hoftheater. Dessen Direktor mahnte, dass Montez an Orten, an denen sie gastierte, "wegen ihres Betragens derart öffentlichen Anstoß erregte, daß polizeiliche Einschreitung notwendig wurde". Ein Theaterkritiker lobte indes, dass ihr "feuriges Auge" jedermann verzücke. Besonders den König, er verfiel der 25-Jährigen. "Einen neuen Schwung hat mein Leben bekommen, jung bin ich wieder geworden, freudig sieht mich die Welt an", schrieb er.

Lola war eine Hassfigur in München

Die Gesellschaft, zumal die katholische, sah die Liaison anders, Lola wurde Hassfigur in München. Sie selbst befeuerte ihren Ruf, provozierte, gab des Königs Geld aus, Protesten vor ihrem Fenster prostete sie frech mit Champagner zu. Zugleich spitzte sich politisch der Konflikt zwischen Liberalen und Erzkatholiken zu. Ein Fluchtort: Bad Brückenau, das der Fuldaer Fürstabt 1747 zum Heilbad gemacht hatte, 1816 fiel es an Bayern. Ludwig I. hat dieses Bad geliebt, 26 Mal war er dort.

Meistens verreiste die Königsfamilie im Sommer und kam zum Oktoberfest heim. Gattin Therese zog es 1847 nach Franzensbad zur Kur, Lola und Ludwig, wenn auch getrennt, in die Rhön. Die Reise von München ins Staatsbad nimmt auch heute viele Stunden in Anspruch, per Bahn steigt man in Hessen um. 1847 war es ein mehrtägiges Unterfangen. Am Bahnhof Bamberg erlebte Lola die Stimmung im Volk, Pferdeäpfel flogen. Eilig ging es über Würzburg weiter, ins Brückenauer Quartier im Haus Löwen.

Das Bad damals darf man sich nicht viel anders vorstellen als jetzt, die Architektur ist geblieben in dem Kleinod. Es ist schön hier, selbst im Januar, wenn die Kastanien nicht blühen, sondern Gärtner auf Leitern steigen zum Winterschnitt. Das Staatsbad am Rand des Orts Bad Brückenau gehört dem Freistaat, der als Verpächter auftritt - an Kliniken und Hotels. Noble Herbergen in alten Gemäuern. Für den Fürstenhof, wo 2006 zur Fußball-WM Kroatiens Mannschaft wohnte, wird ein Pächter gesucht, er steht seit Kurzem leer.

Neben der Residenz sieht man eine Eiche, 850 Jahre alt. An dem monströsen Baum hat Ludwig Jagderfolge gefeiert. Und er hat über ihn gedichtet. Der König war ja auch Poet, vielleicht mehr als Regent, auch wegen seiner Schwerhörigkeit und seltsamen Artikulation - Verse muss man nicht sprechen. Unter den Zweigen der Eiche "wallte" die "allerschönste Frau", wie ein Gedicht kundtut: "Lola Montez, der im Herzen / brennt des Südens Leidenschaft, / mit den Trieben, die im Lieben, / und im Hassen gleich an Kraft."

Wegen der Heilquellen ist Brückenau seit jeher Gesundheitsort. Wenn die Niere zwickt und die Blase drückt, empfahl einst ein Volkskundler, "dann, mein Freund, lenk deine Flossen / In den Rhönwald unverdrossen!" Kurdirektorin Andrea Schallenkammer nennt zudem Tagungen, Hochzeiten und Feste verstreuter Familien, auch wegen der Lage in der Mitte Deutschlands. Das kompakte, autofreie Areal biete eine "Campus-Atomsphäre", Kinder könnten herumtoben.

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Die Stimmung ist gediegen: keine Jogginganzüge im wenig bevölkerten Kurpark. Eher Leinen. Am Rand des Areals steht die My-Way-Betty-Ford-Klinik, ein Lizenznehmer der berühmten Entzugsklinik für Hollywood-Stars. Die Schauspielerin Jenny Elvers war hier 2013 von Alkohol auf Buttermilch umgestiegen, meldete die Klatschpresse. Die Klinik setzt auf Diskretion, kein Schild. Ob sich Lola dort wohlgefühlt hätte? Im Promi-Kreis sicher. Versteckt vor der Öffentlichkeit - weniger.

Auf die Namen Ludwig und Lola stößt man im Staatsbad an jeder Ecke. Gäste aus Norddeutschland wüssten oft aber nichts von der Geschichte, so die Kurdirektorin, sie kennen nur Ludwig II., den Enkel und Märchenkönig. Es wird jedenfalls viel geworben mit dem Liebesurlaub. "König Ludwig lädt zum Tanz" heißt es immer sonntags im Kursaal, eine Quelle ist nach Lola benannt. Sie kommt aus 260 Metern Tiefe, soll Haut und Haare begünstigen, mit Kalzium und Eisen. Daher gibt es braune Flecken neben dem Brunnen im Trink-Atrium. Eine neue minimalistische Lounge, an der Stelle aber holten sich auch im 19. Jahrhundert Gäste Wasser. Als 1991 die Quellneubohrung eben nach Lola benannt wurde, war manch alter Brückenauer Bürger schwer empört: "Dieses Luder als Heilquelle, wie kann man nur!", hörte man im Ort.

Das "Luder" bekam 1847 einen Aufpasser an die Seite, Heinrich von der Tann, Freund des Königs. Vielleicht, damit sich die Emporgekommene an die Kurregeln hielt zwischen Adel, Beamten und Arztgattinnen. In einem alten Polizeiaushang ist nachzulesen: es wird "präcise" mittags um eins und abends um acht gegessen; keine Schießgewehre, keine Hunde - wie Lola das mit ihrem Schoßhund machte, bleibt ein Rätsel.

Nur der König konnte das "Nervenfieber" lindern

Glücklich über den Aufpasser war Lola nicht. Seymour berichtet von Gereiztheit und "Nervenfieber", einmal ließ sie die Koffer packen zur Abreise. Ein König, der sie anflehte zu bleiben und Tann fortschickte, linderte urplötzlich das Nervenfieber. Der Urlaub war die Zeit, in der Ludwig laut Biograf das "mittlerweile offene sexuelle Interesse" an Lola vorantreiben wollte. Es gab Küsse vor allem auf die Füße, ein königlicher Fetisch. Für eine in Summe gelungene Reise spricht: Im Urlaub entschied Ludwig - was in München Groll hervorrief -, Lola in den Adelsstand zu erheben. "Die ganze Welt hat nicht die Fähigkeit, Ludwig von seiner Lolitta zu trennen", schrieb er zur Abreise im August.

Rasch endete die Idylle in München. Lola bezog wieder ihr Palais an der Barer Straße, Dauergast war ihre Leibgarde aus Burschenschaftlern. Inklusive Beischlaf. Als die Studenten sich mal besoffen der Hosen entledigten und ihre Gönnerin auf Schultern trugen, rammte Lola den Kronleuchter, verletzte sich.

Politisch keimte Revolutionsstimmung, wie im ganzen Deutschen Bund. Als es zu einem Konflikt an der Universität kam, der Anlass war Lola, schloss Ludwig diese. Zorn entlud sich, Lola floh, zunächst in die Schweiz, Ludwig I. dankte im März 1848 ab, schrieb später: "Hätt' ich doch nie und nimmer dich gesehen! / Für die gegeben ich mein letztes Blut. / Durchdrangest mich mit namenlosen Wehen, / Du meines Lebens glühendste Liebesglut."

© SZ vom 19.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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